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"Leben. Feuer. Selbst lichterloh brennend, setzt mein Feuer andere in Brand". So beschreibt Anais Nin die Zeit zwischen 1934 und 1937, die wohl turbulentesten Jahre ihres Lebens. Hier bricht sie alle Tabus und enthüllt die ganze Wahrheit ihres leidenschaftlichen Lebens und ihrer wechselnden erotischen Beziehungen.

Produktbeschreibung
"Leben. Feuer. Selbst lichterloh brennend, setzt mein Feuer andere in Brand". So beschreibt Anais Nin die Zeit zwischen 1934 und 1937, die wohl turbulentesten Jahre ihres Lebens. Hier bricht sie alle Tabus und enthüllt die ganze Wahrheit ihres leidenschaftlichen Lebens und ihrer wechselnden erotischen Beziehungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.01.1998

Das Wunder wilder Zeiten
Bekenntnis einer Träumerin und weitere Enthüllungen von Anaïs Nin

Als 1966 der erste Band Tagebücher von Anaïs Nin veröffentlicht wurde, sollen im Safe einer New Yorker Bank 150 Bände mit insgesamt 15000 Manuskriptseiten deponiert gewesen sein. Die Benutzung eines Safes bei Lebzeiten sollte wohl signalisieren, daß die Aufzeichnungen von Nin Brisantes und also Hochinteressantes nicht nur über Nin, sondern über Personen der Literaturgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts enthielten, mit denen sie engen, ja intimen Umgang gehabt hatte. Eine Vermutung, die sich nicht bestätigt hat, aber als Vermutung jene erwünschten Folgen zeitigte, die die phantasievolle Anaïs Nin sich wohl erhofft hatte. Sie hat ja immer nach der Devise gelebt und vor allem geschrieben, daß die Wirklichkeit selber daran schuld ist, wenn sie den hochfliegenden Wünschen und Träumen einer gewissen Anaïs Nin von sich selbst als Multitalent in allen Künsten, als Femme fatale, sexuelles Wunderwesen und Freundin bedeutender Männer, kurzum, als Star auf allen Wegen nicht entsprach.

Aber wie dem auch sei - aus den Manuskriptbergen im New Yorker Safe wurde nach dem Überraschungserfolg des ersten Tagebuches eine Serie von sieben. Und es schien plausibel, daß sie ohne hilfreiche Redaktion und Auslassungen nicht erscheinen konnten - es galt Rücksicht zu nehmen auf die Überlebenden aus wilden Zeiten. Heute läßt sich auch vermuten, daß Vorsicht am Werke war. Manch einer und manch eine hätte der orientalischen Ausschmückung und Umgestaltung so mancher Begegnung auch widersprechen können. Trotzdem bescherten die Tagebücher Anaïs Nin einen Erfolg, auf den sie Jahrzehnte gewartet hatte. Nach ihrem Tod 1977 erschienen weitere vier Bände aus ihren sogenannten Tagebüchern über Kindheit und Jugend, die sie zwar in den Vereinigten Staaten verbracht, dort aber in französischer Sprache geschrieben haben will . . . Daneben und dazwischen, gestützt vom Erfolg der Tagebücher bei einem weiblichen Publikum, das nach großartigen Vorbildern weiblicher Selbstverwirklichung hungerte, ungedruckte und bis dahin vielfach abgelehnte Manuskripte aus allen Lebensepochen dieser ungemein zähen und klassisch kapriziösen Person. Anaïs Nin hatte - so schien es damals, und so scheint es manchen noch heute - nicht nur allzulange auf die verdiente Anerkennung warten müssen, ein Schicksal, das männlichen Autoren ja auch oft genug geblüht hat, sie schien darüber hinaus einen exquisit weiblichen Lebensentwurf getan und ihm treu geblieben zu sein.

Die Frauenbewegung war noch nicht wiedergeboren, da führte Anaïs Nin vor, wie Frauen fühlen, denken und handeln, ganz jenseits des Patriarchats. Sie war frei und klüger, als es die Polizei erlaubt, und konnte selbst Henry Miller und Otto Rank, als echte Berühmtheiten, die ihren Weg gekreuzt hatten, wie Ochsen am Nasenring vorführen. Der Psychoanalytiker Rank starb bereits 1939 und war zum Widerspruch also nicht imstande - Henry Miller andererseits, dessen Freundin und vor allem Mäzenatin sie in seinen Pariser Hungerjahren gewesen war, hatte Gründe, dankbar und verschwiegen zu reagieren.

Bis heute erscheint Anaïs Nin nicht nur als Exzentrikerin, als Bohémienne aus guter Familie und subventioniert durch Heirat, nein, sie erscheint auch als Vorläuferin einer sensibel-erotisch-kreativen weiblichen Existenz, die viele Frauen als Alternative zum öden Alltag der Gleichberechtigung verlockend finden. Der Verzicht auf die Selbstverwirklichung aus dem Bauch heraus, ein Relikt mythologisierter Weiblichkeit, fällt nicht leicht. Es ist sonderbar, daß ein weibliches Lesepublikum, ebenso frustriert wie dynamisch, mit Anaïs Nin eine Autorin belohnte, die nichts anderes tat, als das schwüle Geheimnis Weib, so wie es um die Jahrhundertwende debattiert wurde, herzhaft nachzuspielen.

Ganz ohne das Zutun Dritter kam und kommt der Wechselverkehr zwischen einer Phantastin und ihrer träumenden Leserschaft aber doch nicht zustande. In den achtziger Jahren erschienen unter dem Namen von Anaïs Nin zwei Bände der nunmehr unzensierten Pariser Tagebücher. Ihnen folgte 1995 ein dritter, dessen Übersetzung aus dem Englischen nun auch der deutschen Leserin zugänglich ist. Er umfaßt den Zeitraum von Dezember 1934 bis März 1937. Wichtigstes Ereignis in dieser Zeit: Nin folgt Otto Rank, der sie in Paris therapiert hatte, nach New York. Die Behauptung von Kindlers Literatur-Lexikon, Nin sei Ranks Assistentin gewesen - wobei auch immer -, gehört zu den zauberhaften Gerüchten, die Nin bewundernswerterweise jederzeit in die Welt setzen konnte, ja mußte. Hatte Rank in der ersten Serie der Tagebücher Anaïs Nin immerhin den ernsten Ratschlag gegeben, vom tagträumenden Schreiben abzulassen, so erscheint er im unzensierten Tagebuch bloß noch als physisch ekliger Liebhaber neben anderen, schöneren . . . Putzig, daß die "Kindertagebücher" aus dem Französischen, noch putziger, daß das "Pariser Tagebuch" Nummer drei aus dem Englischen (sic) ins Deutsche übertragen wurden, obwohl Anaïs Nin mit England nun wirklich nichts zu tun gehabt hat.

Als Herausgeber der neuen, unzensierten Tagebücher fungiert der letzte Freund und Testamentsvollstrecker von Anaïs Nin, Rupert Pole. Außerdem sind die Manuskriptberge aus dem New Yorker Safe in die Sammlung der Universität von Kalifornien in Los Angeles überführt worden, wo sie nunmehr Wissenschaftlern zur Einsicht offenliegen sollen. Aber nicht nur das: Die Masse des von Anaïs Nin beschriebenen Papiers soll sich auch von 15000 auf 35000 Seiten vermehrt haben - pace Rupert Pole. Seiten, von denen Pole behauptet, sie auf Einladung der Autorin Anfang der siebziger Jahre in fünf Tagen gelesen zu haben. Wer mag das glauben?

Sachlich aufgeklärt würde man inzwischen auch gern darüber, welche Sprache Anaïs Nin jeweils bevorzugt und geschrieben hat. Folgt die gegenwärtige deutsche Übersetzung des unzensierten Tagebuchs Nummer drei der Einfachheit halber der amerikanischen, die ihrerseits doch vermutlich eine Übersetzung aus dem Französischen ist? Oder sind die Tagebücher, gerade die nachgeschobenen unzensierten aus Paris, erst Jahrzehnte später in den Vereinigten Staaten und dort natürlich dann auf amerikanisch zu Papier gebracht worden? Müßte man diese Frage bejahen, woran ich nicht zweifle, dann ließe sich auch das Mirakel erklären, wie sich zwischen 1966 und 1995 die Masse des von Anaïs Nin beschriebenen Papiers von 15000 auf 35000 Manuskriptseiten vermehrt haben könnte. Es wäre dann so gewesen, daß Anaïs Nin, ein tagträumendes Genie, wenn es je eines gab, vom Erfolg des Tagebuchs beflügelt, ein schmales Original im Hinblick auf den Zeitgeist noch entschlossener aufgearbeitet hätte, als es ihre Neigung zum Wunschdenken und Korrigieren der Wirklichkeit ihr ohnedies eingeben mußte. Langer Rede kurzer Sinn: Alle Tagebücher von Anaïs Nin sind Fiktion, die unzensierten sind noch falscher als die anderen, weil neben der eigentlichen Autorin auch noch andere ihre Finger im Spiel gehabt haben, Leute, deren Gefühle und Interessen man respektieren mag, aber auch solche, die im Unterschied zu Anaïs Nin uns nichts zu sagen haben. Nicht nur die Tagebücher, auch das Leben von Nin war eine Fälschung, und man wünscht sich bei der Lektüre dieses Lebens eine kritische Frauenforschung, die es entschlüsselt, ohne es zu preisen und ohne es zu verdammen. KATHARINA RUTSCHKY

Anaïs Nin: "Feuer". Die unzensierten Pariser Tagebücher. Aus dem Englischen übersetzt von Monika Curths. Scherz Verlag, Bern und München 1997. 449 S., geb., 49,90 DM.

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