Die verrückte Geschichte einer lebenslangen Liebe. Ein Fußballfan und sein Verein. Der Fan heißt Nick Hornby, sein Verein Arsenal London: 'Ich verliebte mich in den Fußball, wie ich mich später in Frauen verlieben sollte: plötzlich, unerklärlich, unkritisch und ohne einen Gedanken an den Schmerz und die Zerrissenheit zu verschwenden, die damit verbunden sein würden . . .'
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.09.1996Die Angst des Fans: "Nur nicht in der Saison sterben"
So hat noch keiner über Fußball geschrieben. Nicht, daß sein Stil - knapp bis zur Kurzatmigkeit, sehr englisch in Charme, Sarkasmus und Schnoddrigkeit - so einmalig wäre. Vielmehr sind es Haltung und Hingabe, die dieses Buch herausheben. Da bekennt sich einer zu seiner Leidenschaft - offen und schonungslos gegenüber sich selbst. ",Ballfieber' ist ein Versuch, einen Blick auf meine Besessenheit zu werfen", heißt es in der Einführung, und im letzten Kapitel gesteht der Autor: "Ein Teil von mir fürchtete sich davor, all dies in einem Buch niederzuschreiben." Auch wenn es pathetisch klingt: Nick Hornby schreibt über Fußball, als ginge es um sein Leben.
Und darum geht es auch. Denn Nick Hornby ist Fan. Nicht einer jener "vernünftigen" Zeitgenossen, die sich die Topspiele anschauen, sondern einer von denen, die sich gezwungen fühlen, jedem Match beizuwohnen. Mittwochs und samstags, zu Hause und oft auch auswärts. Seit einem Vierteljahrhundert, seit seinem elften Lebensjahr erliegt Hornby dieser Passion: Im Juni 1968 hatte ihn sein Vater zu einem Spiel von Arsenal London mitgenommen, schon war es um ihn geschehen. "Ich hatte mich in das Team verknallt, das Stoke durch einen Elfmeternachschuß 1:0 bezwang."
Was als "Schuljungenschwärmerei" begann, hat länger gehalten "als irgendeine andere Beziehung, die ich freiwillig eingegangen bin". Wenn Nick Hornby ehrlich ist, und das ist er bis zur Selbstironie, gibt es nichts, was ihm wichtiger wäre. Als seine Freundin einmal zwanzig Minuten vor dem Schlußpfiff auf einen Treffer des Gegners hin in Ohnmacht fiel und ins Krankenhaus gebracht werden mußte, ärgerte er sich - weil sein Team zurücklag. "Was passieren würde, wenn die Geburt meines Sohnes an einem Tag anstünde, an dem Arsenal in einem Pokalfinale steht", fragte er sich oft. Noch größer ist eine andere Angst: "Ich will nicht mitten in der Saison sterben."
Bekenntnisse wie diese legen es nahe, an Hornbys gesundem Menschenverstand zu zweifeln, nicht aber - und das ist eine Unterscheidung, nach der er selbst Spieler beurteilt - an seiner Intelligenz. Zwar weiß der Autor, der 1957 geboren wurde und in Cambridge studiert hat, daß er, "was meine Ausbildung, meine Interessen und meinen Beruf angeht, wohl kaum repräsentativ für einen guten Teil der Leute auf den Stehrängen" ist; "aber was meine Liebe für dieses Spiel, mein Wissen darüber und mein Engagement für mein Team betrifft, bin ich überhaupt nicht außergewöhnlich". Selbst wenn das kein Understatement wäre: Was daraus literarisch folgt, ist entscheidend.
Hornby wählt dafür folgerichtig die Form der Autobiographie. Es läßt sich auch von einer satirischen Spielart des Bildungsromans sprechen: Eine Folge von Stadionbesuchen gliedern und vermessen ein Leben, das durch die Spiele, ihren Verlauf und ihre Interpretation geprägt wird und eine nachträgliche Sinngebung erhält. Fußball ist für Hornby keine Flucht oder Form der Unterhaltung, sondern eine "andere Version der Welt". Nicht Spiel oder Spieler, die Zuschauer sind das wichtigste.
Der Roman ist chronologisch in drei Lebensabschnitte gegliedert, die jeweils in kurze, tagebuchartige Kapitel unterteilt sind. Jedes von ihnen hat einen meist "weltlichen" Titel und einen "sportlichen" Anlaß: "Der größte Augenblick aller Zeiten, Liverpool gegen Arsenal - 26. 5. 89" ist etwa die Begegnung überschrieben, in der "ich Meister wurde". Doch es sind viel mehr als Spielberichte, die Hornby gibt. Seine Kunst, das eigene Ich mit dem Match, seinem Team und damit der Welt zu verknüpfen, findet immer wieder überraschende Analogien und metaphorische Bedeutungen. Seine ekstatische Erregbarkeit geht einher mit einer eigenwillig genauen Beobachtungsgabe, und seine Vorliebe für Digressionen und Assoziationen läßt ihn über die Angst des Fans beim Auswärtsspiel oder die Kraft der Gesänge auf der Nordtribüne ebenso beiläufig-originell reflektieren wie über den Rassismus der Hooligans oder das Ende der Stehplatzkultur.
"Fever Pitch", so der Originaltitel, ist in Großbritannien, wo es 1992 herauskam und dreihunderttausendmal verkauft wurde, ein Kultbuch. Daß es erst in diesem Jahr auf deutsch erschien, mag mit der Fußball-Europameisterschaft zusammenhängen. Was der Übersetzbarkeit seines Buches Grenzen zieht, ist die Flut der Namen, von denen die meisten dem deutschen Leser fremd bleiben müssen. Er wird nicht nur mit Highbury, dem Art-déco-Stadion von Arsenal im Londoner Norden, sondern mit vielen anderen Arenen und unzähligen Spielern bekannt gemacht, die sich mit einem Kontertor oder einem Lattenknaller in Hornbys Gedächtnis verewigt haben.
Schließlich hat das Buch auch eine Ebene der Selbstverständigung, wenn nicht gar der Selbsttherapie, auf der der "selbstzerstörerische Spinner" Hornby versucht, die Tyrannei, die der Fußball auf sein Leben ausübt, in den Griff zu bekommen. "Das Spiel gegen Stoke 1968", so muß er sich eingestehen, "hat mich wirklich daran gehindert, ein Unternehmer, Arzt oder richtiger Journalist zu werden." Doch was wäre das für ein Leben - ohne Fußball? Und wie würde seine Autobiographie dann aussehen? Keiner würde sie lesen wollen. ANDREAS ROSSMANN
Besprochenes Buch: Nick Hornby: "Ballfieber. Die Geschichte eines Fans". Aus dem Englischen übersetzt von Marcus Geiss und Henning Stegelmann. Rogner & Bernhard, Hamburg, bei Zweitausendundeins, 335 Seiten, 28 Mark.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
So hat noch keiner über Fußball geschrieben. Nicht, daß sein Stil - knapp bis zur Kurzatmigkeit, sehr englisch in Charme, Sarkasmus und Schnoddrigkeit - so einmalig wäre. Vielmehr sind es Haltung und Hingabe, die dieses Buch herausheben. Da bekennt sich einer zu seiner Leidenschaft - offen und schonungslos gegenüber sich selbst. ",Ballfieber' ist ein Versuch, einen Blick auf meine Besessenheit zu werfen", heißt es in der Einführung, und im letzten Kapitel gesteht der Autor: "Ein Teil von mir fürchtete sich davor, all dies in einem Buch niederzuschreiben." Auch wenn es pathetisch klingt: Nick Hornby schreibt über Fußball, als ginge es um sein Leben.
Und darum geht es auch. Denn Nick Hornby ist Fan. Nicht einer jener "vernünftigen" Zeitgenossen, die sich die Topspiele anschauen, sondern einer von denen, die sich gezwungen fühlen, jedem Match beizuwohnen. Mittwochs und samstags, zu Hause und oft auch auswärts. Seit einem Vierteljahrhundert, seit seinem elften Lebensjahr erliegt Hornby dieser Passion: Im Juni 1968 hatte ihn sein Vater zu einem Spiel von Arsenal London mitgenommen, schon war es um ihn geschehen. "Ich hatte mich in das Team verknallt, das Stoke durch einen Elfmeternachschuß 1:0 bezwang."
Was als "Schuljungenschwärmerei" begann, hat länger gehalten "als irgendeine andere Beziehung, die ich freiwillig eingegangen bin". Wenn Nick Hornby ehrlich ist, und das ist er bis zur Selbstironie, gibt es nichts, was ihm wichtiger wäre. Als seine Freundin einmal zwanzig Minuten vor dem Schlußpfiff auf einen Treffer des Gegners hin in Ohnmacht fiel und ins Krankenhaus gebracht werden mußte, ärgerte er sich - weil sein Team zurücklag. "Was passieren würde, wenn die Geburt meines Sohnes an einem Tag anstünde, an dem Arsenal in einem Pokalfinale steht", fragte er sich oft. Noch größer ist eine andere Angst: "Ich will nicht mitten in der Saison sterben."
Bekenntnisse wie diese legen es nahe, an Hornbys gesundem Menschenverstand zu zweifeln, nicht aber - und das ist eine Unterscheidung, nach der er selbst Spieler beurteilt - an seiner Intelligenz. Zwar weiß der Autor, der 1957 geboren wurde und in Cambridge studiert hat, daß er, "was meine Ausbildung, meine Interessen und meinen Beruf angeht, wohl kaum repräsentativ für einen guten Teil der Leute auf den Stehrängen" ist; "aber was meine Liebe für dieses Spiel, mein Wissen darüber und mein Engagement für mein Team betrifft, bin ich überhaupt nicht außergewöhnlich". Selbst wenn das kein Understatement wäre: Was daraus literarisch folgt, ist entscheidend.
Hornby wählt dafür folgerichtig die Form der Autobiographie. Es läßt sich auch von einer satirischen Spielart des Bildungsromans sprechen: Eine Folge von Stadionbesuchen gliedern und vermessen ein Leben, das durch die Spiele, ihren Verlauf und ihre Interpretation geprägt wird und eine nachträgliche Sinngebung erhält. Fußball ist für Hornby keine Flucht oder Form der Unterhaltung, sondern eine "andere Version der Welt". Nicht Spiel oder Spieler, die Zuschauer sind das wichtigste.
Der Roman ist chronologisch in drei Lebensabschnitte gegliedert, die jeweils in kurze, tagebuchartige Kapitel unterteilt sind. Jedes von ihnen hat einen meist "weltlichen" Titel und einen "sportlichen" Anlaß: "Der größte Augenblick aller Zeiten, Liverpool gegen Arsenal - 26. 5. 89" ist etwa die Begegnung überschrieben, in der "ich Meister wurde". Doch es sind viel mehr als Spielberichte, die Hornby gibt. Seine Kunst, das eigene Ich mit dem Match, seinem Team und damit der Welt zu verknüpfen, findet immer wieder überraschende Analogien und metaphorische Bedeutungen. Seine ekstatische Erregbarkeit geht einher mit einer eigenwillig genauen Beobachtungsgabe, und seine Vorliebe für Digressionen und Assoziationen läßt ihn über die Angst des Fans beim Auswärtsspiel oder die Kraft der Gesänge auf der Nordtribüne ebenso beiläufig-originell reflektieren wie über den Rassismus der Hooligans oder das Ende der Stehplatzkultur.
"Fever Pitch", so der Originaltitel, ist in Großbritannien, wo es 1992 herauskam und dreihunderttausendmal verkauft wurde, ein Kultbuch. Daß es erst in diesem Jahr auf deutsch erschien, mag mit der Fußball-Europameisterschaft zusammenhängen. Was der Übersetzbarkeit seines Buches Grenzen zieht, ist die Flut der Namen, von denen die meisten dem deutschen Leser fremd bleiben müssen. Er wird nicht nur mit Highbury, dem Art-déco-Stadion von Arsenal im Londoner Norden, sondern mit vielen anderen Arenen und unzähligen Spielern bekannt gemacht, die sich mit einem Kontertor oder einem Lattenknaller in Hornbys Gedächtnis verewigt haben.
Schließlich hat das Buch auch eine Ebene der Selbstverständigung, wenn nicht gar der Selbsttherapie, auf der der "selbstzerstörerische Spinner" Hornby versucht, die Tyrannei, die der Fußball auf sein Leben ausübt, in den Griff zu bekommen. "Das Spiel gegen Stoke 1968", so muß er sich eingestehen, "hat mich wirklich daran gehindert, ein Unternehmer, Arzt oder richtiger Journalist zu werden." Doch was wäre das für ein Leben - ohne Fußball? Und wie würde seine Autobiographie dann aussehen? Keiner würde sie lesen wollen. ANDREAS ROSSMANN
Besprochenes Buch: Nick Hornby: "Ballfieber. Die Geschichte eines Fans". Aus dem Englischen übersetzt von Marcus Geiss und Henning Stegelmann. Rogner & Bernhard, Hamburg, bei Zweitausendundeins, 335 Seiten, 28 Mark.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"[...] ein hochkomischer Schelmenroman über einen charmanten Kindskopf, der nicht erwachsen werden will und erst durch die Abnabelung von seiner zur Religion hochstilisierten Lieblingssportart alltagstauglich wird." -- Oberösterreichische Nachrichten, 06.07.2013
"Alle Bücher, die nach Fever Pitch über die Befindlichkeit von Fußballfans geschrieben wurden, sind bestenfalls gelungene Variationen." -- Christoph Biermann, 11 Freunde
"Alle Bücher, die nach Fever Pitch über die Befindlichkeit von Fußballfans geschrieben wurden, sind bestenfalls gelungene Variationen." -- Christoph Biermann, 11 Freunde
»Der Bildungsroman eines Fußballnarren.« SWR 2 20180517