12,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Figura cryptica, die Figur im verborgenen, ist ein Begriff aus Baumgartens Ästhetik von 1750. Mit ihm wird die Rolle der rhetorischen Figurationen des ästhetischen auf einen neuen Begriff gebracht: den Begriff der Verbergung, aus deren »Latenz« Offenbares hervortritt und »evident« wird. In der gegenwärtigen Konjunktur der Performanztheorien wird damit ihre Voraussetzung, die »Latenz«, deutlich gemacht; die »verborgene Figur« wirkt aus der Leere der Latenz und entfaltet ihre Wirkung in Kunst, Literatur und Philosophie, Metapher, Bild und Gedicht, Roman, Installation und Film.

Produktbeschreibung
Figura cryptica, die Figur im verborgenen, ist ein Begriff aus Baumgartens Ästhetik von 1750. Mit ihm wird die Rolle der rhetorischen Figurationen des ästhetischen auf einen neuen Begriff gebracht: den Begriff der Verbergung, aus deren »Latenz« Offenbares hervortritt und »evident« wird. In der gegenwärtigen Konjunktur der Performanztheorien wird damit ihre Voraussetzung, die »Latenz«, deutlich gemacht; die »verborgene Figur« wirkt aus der Leere der Latenz und entfaltet ihre Wirkung in Kunst, Literatur und Philosophie, Metapher, Bild und Gedicht, Roman, Installation und Film.
Autorenporträt
Anselm Haverkamp ist Professor für Englisch an der New York University und Inhaber des Lehrstuhls für Westeuropäische Literaturen an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.2003

Die kalkulierte Verborgenheit
Man sollte sich um Klartext mühen: Anselm Haverkamps Splitter über das, was man nicht hat

Man könnte eine Faustregel für die Rhetorik von Büchern aufstellen: Es ist erlaubt, ja meist sogar ratsam, über das Bekannte in nicht allzu naheliegender Weise, indirekt und "schwierig" zu schreiben; über das Verborgene hingegen empfiehlt sich eine klare und einleuchtende Darstellungsart - um es, wie das passende Bild lautet, zugänglich zu machen. Dies letzte müßte wohl erst recht gelten, wenn nicht bloß etwas Verborgenes, sondern die Verborgenheit selbst der Gegenstand ist.

Anders scheint es Anselm Haverkamp zu sehen, einer der exponierten poststrukturalistischen Literaturwissenschaftler. Zwölf seiner Aufsätze, die bis auf einen bereits an anderen Stellen erschienen sind, hat Haverkamp jetzt zu einer "Theorie der literarischen Latenz" zusammengebunden. Dem hohen Anspruch dieses Untertitels zum Trotz wurde nicht der Versuch unternommen, die verschiedenen Abschnitte zu einem zusammenhängenden Ganzen zu fügen. Hat doch der postmoderne Theoretiker, dem alles Zitat ist, den editionstechnischen Vorteil, fehlende Kohärenz gar nicht ablehnen zu müssen, sondern zum Programm machen zu können: "Tatsächlich geben Splitter ein besseres Bild als die Systementwürfe, die zu entwerfen und verwerfen man nicht müde geworden ist. Denn abzuhandeln ist da nichts, was nicht durch das Nadelöhr der Reflexions- und Rezeptionsgeschichte hindurchgegangen wäre." Diese Bemerkung des Vorworts mag als Entschuldigung für manche, oft auch reizvolle Sprunghaftigkeit dienen - aber nicht dafür, daß Kapitel mit Formeln eingeleitet werden wie "die These, die ich in der folgenden Skizze umreißen will"; oder daß es mehrfach heißt, hier sei jetzt nicht Raum, dies oder das auszuführen - obgleich ja ein Buch ebendies zuläßt.

Kaum eine Theorie also, sondern Splitter. Doch worum geht es? Um das, worum es jeweils nicht zu gehen scheint. Texte, sprachliche Manifestationen tendieren zum Verhehlen - ihrer Textualität, ihrer Artifizialität -, doch zugleich verweisen sie selbst auf diesen Sachverhalt, und sei es schlicht durch die unterstellte Abwesenheit jener Eigenschaften. "Die Unaufhebbarkeit der Latenz ist der Witz", sagt Haverkamp. Als Modus der gesamten fragmentierten Kultur unserer Zeit greift er ein altes Prinzip der Poetik und Rhetorik auf, um es seiner positiven, einst kommunikationsstrategischen Kraft zu berauben und gleichsam als unentrinnbar der Dekonstruktion zu unterziehen, in deren Geist er schreibt. Gemeint ist das Prinzip der dissimulatio artis: "Wenn sie verborgen ist, nützt die Kunst", heißt es bei Ovid. Doch dieser Wunsch nach Unsichtbarkeit des Verdeckten ist, so ein wiederkehrender Gedanke des Buches, unerfüllbar - es ist in jeder Darstellung schon mit enthalten: "Die Latenz von Tiefenstrukturen ist es, welche der Rhetorik ihre Wirkung verschafft; aus der Latenz heraus, und nicht aufgrund der Evidenz ihrer Manifestationen, kommt es zu dieser Wirkung."

Anhand eines Arsenals jüngerer Kultur- und Literaturtheorie wird das Thema durchgespielt, in Abschnitten voller Assoziationen, voller Voraussetzungen und in einer Prosa, die ihre eigene Artifizialität alles andere als verstellt. Die Reduktion der Rhetorik auf das Figurative bei Paul de Man (die sich, wie Brian Vickers gezeigt hat, fälschlicherweise auf Nietzsche beruft) wird interpretierend nachvollzogen, es werden die Allegorie, der philosophisch-ästhetische Gehalt des physikalischen Trägheitsprinzips (als verborgener Kraft) und "Anagramm und Trauma" beleuchtet; über das Verhältnis von Bild und Zitat wird spekuliert, über die Kategorie des Lichtes ("Wir sprechen die Sprache im Lichte einer metaphorisch beleuchteten Welt") und über die "Gedächtnisleistung der Texte jenseits kommunikativer Absichten und Vollzüge". Das vielleicht interessanteste Kapitel handelt von der Erinnerungskunst in der Rhetorik und deutet die Mnemotechnik als "kalkulierte Verborgenheit", worin die Literarizität der Rhetorik begründet sei.

Haverkamp befleißigt sich einer Schreibweise, die Gedanken und Wortspiele kaum auseinanderhält. Dabei ergeben sich oft erhellende Seitenblicke, auch kommt eine große Belesenheit zutage. Doch gelegentlich ist die Sprache kaum verständlich, und es kommt zu Kalauern wie diesem: "Nimmt man sich vor, vom Klartext auszugehen, wie seit Scholastik und Reformation das Gros der literal Gesinnten, weiß man, was man will (wenn auch nicht, was man hat)." Ein wenig mehr literale Gesinnung hätte dem Buch gutgetan. In dieser Form bleibt uns seine eigentliche Zielrichtung, seine eigentliche These, nun ja, latent.

JOHAN SCHLOEMANN

Anselm Haverkamp: "Figura cryptica". Theorie der literarischen Latenz. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2002. 270 S., br., 12,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ein wenig "latent", verborgen also, bleibt Rezensent Johan Schloemann Zielrichtung und These von Anselm Haverkamps "Figura cryptica", einem Band, der zwölf Aufsätze des "exponierten poststrukturalistischen Literaturwissenschaftlers" versammelt. Seinem Untertitel, eine "Theorie der literarischen Latenz" zu sein, wird der Band nach Schloemanns Meinung nicht wirklich gerecht. Eher handle es sich um "Splitter", was er allerdings nicht weiter schlimm findet. Auch die bisweilen "reizvolle" Sprunghaftigkeit Haverkamps findet er entschuldbar. Dass der Autor allerdings mehrfach erklärt, hier sei jetzt nicht der Raum, dies oder das auszuführen, hat Schloemann weniger überzeugt. Zu seinem Bedauern leidet die Verständlichkeit der Beiträge zudem an Haverkamps sehr voraussetzungsreichem, assoziativem und zuweilen recht artifiziellen Stil. Haverkamps hält mit seiner Schreibweise Gedanken und Wortspiele kaum auseinander, merkt Schloemann an. Das eröffnet in seinen Augen zwar "oft erhellende Seitenblicke", führt andererseits dazu, dass die Sprache kaum verständlich ist.

© Perlentaucher Medien GmbH