Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts vollzog sich in der Medizin ein Paradigmenwechsel von hoher ästhetischer Relevanz. Hatten die Nerven bis dahin als Transportkanäle für die "Lebensgeister" gegolten, so trat nunmehr eine konkurrierende Theorie auf den Plan, nach der es sich um elastische Fasern handle, die in Analogie zur Saitenvibration, also über das Prinzip der Schwingung zu erklären seien. Der menschliche Leib avancierte buchstäblich zu einem Musikinstrument, das emotionale Erleben (nicht nur) von Musik zu einem Resonanzeffekt. Die Folgen dieser Sichtweise waren einschneidend: Das vorliegende Buch zeigt anhand zahlreicher Quellen aus den Bereichen Musik, Medizin, Literatur und Ästhetik, wie eine "musikalische Anthropologie" entstand, die wiederum auf die Kompositionspraxis zurückwirkte, etwa bei Carl Philipp Emanuel Bach, Georg Anton Benda und Wolfgang Amadeus Mozart.
"... Arne Stollbergs glänzend formuliertes, ebenso anspruchsvolles wie im Wortsinne erhellendes Buch rückt Musik in größere geistesgeschichtliche Kontexte und eröffnet damit historische Zugänge zu einem umfassenderen Verständnis der Musik des 18. Jahrhunderts. Vom tönenden Gegenstand lenkt es keineswegs ab, sondern es erschließt deren tiefere, verborgene Bedeutungsdimensionen. Das Plädoyer für eine anthropologisch informierte Musikwissenschaft ist mit der Hoffnung verknüpft, dass eine ganzheitlich ausgerichtete Rezeption und Forschung ältere Einsichten zurückgewinnt und mit neueren verbindet." (Klaus Aringer, in: Musiktheorie, Jg. 38, Heft 2, 2023)