Der Roman erzählt die bewegte Geschichte von Eliza Sommers, einer lebenshungrigen jungen Frau, die Mitte des 19. Jahrhunderts zwischen zwei Kulturen lebt: in Chile und Kalifornien. Als chilenisches Findelkind in der Obhut einer englischen Familie in Valparaiso aufgewachsen, bricht sie, kaum 17-jährig, aus ihrer wohlbehüteten Welt aus.
Die Suche nach ihrem Geliebten Joaquin Andieta, einem nicht gesellschaftsfähigen jungen Mann, der dem Sog des kalifornischen Goldrauschs nicht widerstehen konnte, macht aus dem unerfahrenen Mädchen eine selbstbewußte Frau - und am Ende ihrer Odyssee ist Eliza endlich ganz bei sich und in der Welt:
Ya soy libre!
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Die Suche nach ihrem Geliebten Joaquin Andieta, einem nicht gesellschaftsfähigen jungen Mann, der dem Sog des kalifornischen Goldrauschs nicht widerstehen konnte, macht aus dem unerfahrenen Mädchen eine selbstbewußte Frau - und am Ende ihrer Odyssee ist Eliza endlich ganz bei sich und in der Welt:
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.1999Ein Traum im Weidenkörbchen
Von der milden Sorte: Isabel Allendes Roman "Fortunas Tochter"
Eliza Sommers aus Valparaiso, Chile, ist ein Findelkind. Sie wird von einem Geschwisterpaar englischer Auswanderer, der gefühlvollen Rose und dem gestrengen Jeremy, an Kindes statt aufgenommem und nach allen Regeln der fernen britischen Heimat erzogen - soweit sich das am anderen Ende der Welt einrichten lässt. Statt von einer robusten chilenischen Amme wird die Kleine von einer Ziege gesäugt, und wenn sie krank ist, dann kuriert die indianische Haushälterin sie mit geheimnisvollen Kräutern und Beschwörungsformeln in der Mapuchesprache.
Elizas Geschichte ist von kleinen Ungereimtheiten durchsetzt. Dass sie selbst sich sogar an das mit Batist ausgeschlagene, vornehme Weidenkörbchen zu erinnern glaubt, in dem sie den Sommers-Geschwistern vor die Tür gelegt worden war, wird von Mama Fresia, der India, energisch korrigiert. Von wegen, es war ein schnöder Karton, in dem das krebsrote wimmernde Wesen lag, "von oben bis unten voll gekackt".
Mit solchen Pointen betreibt Isabel Allendes neuer Roman ein Spiel kalkulierter Enttäuschungen. Unerwartet ist der milde, ironische Umgang mit jenen melodramatischen Effekten, die ihre früheren Romane zu Botschaften eines lateinamerikanischen Wunderglaubens hatten werden lassen. Eliza, die sich für die Tochter eines feinen Engländers oder wenigstens eines schiffbrüchigen Seekapitäns hält, scheint fast zu ahnen, dass sie in Wirklichkeit eine Romanfigur ist. "Mach dir nichts vor", muss sie sich von ihrer Kinderfrau gesagt sein lassen, aber das bedeutet auch: Wisse, wann es hilfreich sein kann, dir und erst recht den anderen etwas vorzumachen. Es gibt Erfindungen, die sind wie Erinnerungen an etwas nie Dagewesenes, ungedeckte Schecks auf die Zukunft.
Müssen wir noch eigens betonen, dass die Geschichte im neunzehnten Jahrhundert spielt? Zu einer Zeit, als in den Romanzen die Tragödien schlummerten, die unstandesgemäßen Verbindungen und illegtimen Kinder? Von dieser Art, so vermutet der Leser alsbald, ist auch das Geheimnis um die Herkunft der kleinen Eliza. In der Sommers-Familie gibt es noch einen Bruder, den Schiffskapitän John, einen Abenteurer und Leichtfuß, der im Hafen von Valparaiso eine folgenreiche Liebschaft hatte. Die Nachwirkungen einer unterdrückten Leidenschaft rumoren auch im Leben der Rose Sommers. Als junges Mädchen in London von einem Operntenor auf der Durchreise verführt, wagt sie in Chile ihre erotischen Fantasien nur noch literarisch auszuleben, in kleinen "schamlosen Geschichten", die sie heimlich nach England schaffen und dort vermarkten lässt. Ihr tugendhafter Bruder Jeremy ahnt von den amourösen "Nachtseiten" beider Geschwister nichts.
Starke Gefühle, so lautet ein Gesetz romantischer Geschichten, brauchen starke Hindernisse. Liebesaffären werden durch eine strenge Aufsicht nicht verhindert, sondern entfacht. So ist es kein Wunder, wenn das Mädchen Eliza unter der Obhut ihres Onkels eine heftige Liaison mit einem chilenischen Laufburschen beginnt, der bei Jeremy Sommers in der englischen Handelsniederlassung arbeitet. Dieser Joaquín Andieta stammt aus den Spelunkenvierteln am Hafen, auch er wuchs vaterlos, aber im Elend auf. Es kommt, wie nicht anders zu erwarten, genauso wie in der Elterngeneration. Eliza wird schwanger, und ihre Geliebter ist auf und davon, angezogen von den Gerüchten des kalifornischen Goldrauschs.
Die märchenhaften Verheißungen schnellen Reichtums stoßen in Chile auf eine besondere Resonanz. Die hier leben, sind vor dem Bau des Panama-Kanals im Standortvorteil; fast schon auf halber Strecke ins neue El Dorado und daher bestens geeignet, dessen erste, gutgläubige Opfer zu werden. Anders Elizas Jugendfreundin Paulina, eine der ungehorsamen Töchter. Sie hat ihrem Mann nicht nur ein eigenes Konto abgetrotzt, sie hat auch die besseren Ideen. "Das große Geschäft", erklärt sie ihm, "ist nicht das Gold, sondern die Bergleute."
Auf eigene Rechnung erwirbt die Jungunternehmerin ein Dampfschiff, das Passagiere und Lebensmittel nach Kalifornien bringen soll.
Unterdessen reist Eliza verzweifelt ihrem Geliebten nach, im dunklen Bauch eines Schiffes erleidet sie eine Fehlgeburt. Zum Glück kennt Tao Chién, der Schiffskoch, der sie an Bord geschmuggelt hatte, alle Kniffe der chinesischen Heilkunst. Er wird Elizas Vertrauter, während das Bild Joaquins zur Schimäre verblasst. In San Francisco und Sacramento schlagen sich die beiden eine Zeit lang gemeinsam durch. Dann durchstreift Eliza ruhelos die Gebiete der Goldsucher auf der Suche nach ihrem Geliebten. In einem Wanderbordell verdingt sie sich als Klavierspielerin und ist auch sonst nicht zimperlich. Einmal führt sie, als sich kein anderer traut, bei einem halb erfrorenen Banditen die lebensrettende Amputation zweier Finger durch. Sein Kumpan, Joaquín Murieta, scheint eine seltsame Ähnlichkeit mit Elizas großer Liebe zu haben. Als der steckbrieflich Gesuchte schließlich von Kopfgeldjägern zur Strecke gebracht und seine Leiche öffentlich zur Schau gestellt wird, ist Eliza längst wieder bei dem Chinesen. Ob "er" es war, interessiert sie allerdings. "Ein paar Sekunden betrachtete sie den Kopf und ließ sich dann hinausführen." Womit sich die Autorin diskret verabschiedet und ihrer Figur auf dem Wen in die Freiheit hinterherwinkt.
Ein Frauenroman? Eher der Roman eines Frauenromans, denn er spart nicht mit gewitzten Hinweisen auf jene zarte Verbindung von Glück und Geschäftssinn, die in der Verschönerung des Lebens durch schöne Literatur liegt. Das Zwiespältige des Wunsches, auf angenehme Weise betrogen zu werden, hat Isabel Allende geschickt eingefangen. In "Fortunas Tochter" gibt sie nicht mehr die unbefangene Geschichtenerzählerin, sie agiert als Homöopathin ihrer selbst. Dem erzählten Glück zu trauen, ist eine Illusion nicht minder als der Goldrausch.
ALEXANDER HONOLD.
Isabell Allende: "Fortunas Tochter". Roman. Aus dem Spanischen von Lieselotte Kolanoske. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999. 496 S., geb., 49,80 Mark.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Von der milden Sorte: Isabel Allendes Roman "Fortunas Tochter"
Eliza Sommers aus Valparaiso, Chile, ist ein Findelkind. Sie wird von einem Geschwisterpaar englischer Auswanderer, der gefühlvollen Rose und dem gestrengen Jeremy, an Kindes statt aufgenommem und nach allen Regeln der fernen britischen Heimat erzogen - soweit sich das am anderen Ende der Welt einrichten lässt. Statt von einer robusten chilenischen Amme wird die Kleine von einer Ziege gesäugt, und wenn sie krank ist, dann kuriert die indianische Haushälterin sie mit geheimnisvollen Kräutern und Beschwörungsformeln in der Mapuchesprache.
Elizas Geschichte ist von kleinen Ungereimtheiten durchsetzt. Dass sie selbst sich sogar an das mit Batist ausgeschlagene, vornehme Weidenkörbchen zu erinnern glaubt, in dem sie den Sommers-Geschwistern vor die Tür gelegt worden war, wird von Mama Fresia, der India, energisch korrigiert. Von wegen, es war ein schnöder Karton, in dem das krebsrote wimmernde Wesen lag, "von oben bis unten voll gekackt".
Mit solchen Pointen betreibt Isabel Allendes neuer Roman ein Spiel kalkulierter Enttäuschungen. Unerwartet ist der milde, ironische Umgang mit jenen melodramatischen Effekten, die ihre früheren Romane zu Botschaften eines lateinamerikanischen Wunderglaubens hatten werden lassen. Eliza, die sich für die Tochter eines feinen Engländers oder wenigstens eines schiffbrüchigen Seekapitäns hält, scheint fast zu ahnen, dass sie in Wirklichkeit eine Romanfigur ist. "Mach dir nichts vor", muss sie sich von ihrer Kinderfrau gesagt sein lassen, aber das bedeutet auch: Wisse, wann es hilfreich sein kann, dir und erst recht den anderen etwas vorzumachen. Es gibt Erfindungen, die sind wie Erinnerungen an etwas nie Dagewesenes, ungedeckte Schecks auf die Zukunft.
Müssen wir noch eigens betonen, dass die Geschichte im neunzehnten Jahrhundert spielt? Zu einer Zeit, als in den Romanzen die Tragödien schlummerten, die unstandesgemäßen Verbindungen und illegtimen Kinder? Von dieser Art, so vermutet der Leser alsbald, ist auch das Geheimnis um die Herkunft der kleinen Eliza. In der Sommers-Familie gibt es noch einen Bruder, den Schiffskapitän John, einen Abenteurer und Leichtfuß, der im Hafen von Valparaiso eine folgenreiche Liebschaft hatte. Die Nachwirkungen einer unterdrückten Leidenschaft rumoren auch im Leben der Rose Sommers. Als junges Mädchen in London von einem Operntenor auf der Durchreise verführt, wagt sie in Chile ihre erotischen Fantasien nur noch literarisch auszuleben, in kleinen "schamlosen Geschichten", die sie heimlich nach England schaffen und dort vermarkten lässt. Ihr tugendhafter Bruder Jeremy ahnt von den amourösen "Nachtseiten" beider Geschwister nichts.
Starke Gefühle, so lautet ein Gesetz romantischer Geschichten, brauchen starke Hindernisse. Liebesaffären werden durch eine strenge Aufsicht nicht verhindert, sondern entfacht. So ist es kein Wunder, wenn das Mädchen Eliza unter der Obhut ihres Onkels eine heftige Liaison mit einem chilenischen Laufburschen beginnt, der bei Jeremy Sommers in der englischen Handelsniederlassung arbeitet. Dieser Joaquín Andieta stammt aus den Spelunkenvierteln am Hafen, auch er wuchs vaterlos, aber im Elend auf. Es kommt, wie nicht anders zu erwarten, genauso wie in der Elterngeneration. Eliza wird schwanger, und ihre Geliebter ist auf und davon, angezogen von den Gerüchten des kalifornischen Goldrauschs.
Die märchenhaften Verheißungen schnellen Reichtums stoßen in Chile auf eine besondere Resonanz. Die hier leben, sind vor dem Bau des Panama-Kanals im Standortvorteil; fast schon auf halber Strecke ins neue El Dorado und daher bestens geeignet, dessen erste, gutgläubige Opfer zu werden. Anders Elizas Jugendfreundin Paulina, eine der ungehorsamen Töchter. Sie hat ihrem Mann nicht nur ein eigenes Konto abgetrotzt, sie hat auch die besseren Ideen. "Das große Geschäft", erklärt sie ihm, "ist nicht das Gold, sondern die Bergleute."
Auf eigene Rechnung erwirbt die Jungunternehmerin ein Dampfschiff, das Passagiere und Lebensmittel nach Kalifornien bringen soll.
Unterdessen reist Eliza verzweifelt ihrem Geliebten nach, im dunklen Bauch eines Schiffes erleidet sie eine Fehlgeburt. Zum Glück kennt Tao Chién, der Schiffskoch, der sie an Bord geschmuggelt hatte, alle Kniffe der chinesischen Heilkunst. Er wird Elizas Vertrauter, während das Bild Joaquins zur Schimäre verblasst. In San Francisco und Sacramento schlagen sich die beiden eine Zeit lang gemeinsam durch. Dann durchstreift Eliza ruhelos die Gebiete der Goldsucher auf der Suche nach ihrem Geliebten. In einem Wanderbordell verdingt sie sich als Klavierspielerin und ist auch sonst nicht zimperlich. Einmal führt sie, als sich kein anderer traut, bei einem halb erfrorenen Banditen die lebensrettende Amputation zweier Finger durch. Sein Kumpan, Joaquín Murieta, scheint eine seltsame Ähnlichkeit mit Elizas großer Liebe zu haben. Als der steckbrieflich Gesuchte schließlich von Kopfgeldjägern zur Strecke gebracht und seine Leiche öffentlich zur Schau gestellt wird, ist Eliza längst wieder bei dem Chinesen. Ob "er" es war, interessiert sie allerdings. "Ein paar Sekunden betrachtete sie den Kopf und ließ sich dann hinausführen." Womit sich die Autorin diskret verabschiedet und ihrer Figur auf dem Wen in die Freiheit hinterherwinkt.
Ein Frauenroman? Eher der Roman eines Frauenromans, denn er spart nicht mit gewitzten Hinweisen auf jene zarte Verbindung von Glück und Geschäftssinn, die in der Verschönerung des Lebens durch schöne Literatur liegt. Das Zwiespältige des Wunsches, auf angenehme Weise betrogen zu werden, hat Isabel Allende geschickt eingefangen. In "Fortunas Tochter" gibt sie nicht mehr die unbefangene Geschichtenerzählerin, sie agiert als Homöopathin ihrer selbst. Dem erzählten Glück zu trauen, ist eine Illusion nicht minder als der Goldrausch.
ALEXANDER HONOLD.
Isabell Allende: "Fortunas Tochter". Roman. Aus dem Spanischen von Lieselotte Kolanoske. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1999. 496 S., geb., 49,80 Mark.
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