Ullas Leben aus Sicht ihrer Tochter Fine
Ulla Dehmels älteste Tochter Fine muss schon früh Verantwortung übernehmen. Bereits vor ihrer Schuleinführung passt sie auf ihre beiden jüngeren Schwestern auf, weil Ulla mehr Künstlerin als Hausfrau und Mutter ist. Sie versucht zwischen ihren Eltern zu
vermitteln, deren Ehe nicht gut läuft, und ihrem Vater klarzumachen, dass er noch zwei weitere…mehrUllas Leben aus Sicht ihrer Tochter Fine
Ulla Dehmels älteste Tochter Fine muss schon früh Verantwortung übernehmen. Bereits vor ihrer Schuleinführung passt sie auf ihre beiden jüngeren Schwestern auf, weil Ulla mehr Künstlerin als Hausfrau und Mutter ist. Sie versucht zwischen ihren Eltern zu vermitteln, deren Ehe nicht gut läuft, und ihrem Vater klarzumachen, dass er noch zwei weitere Töchter hat, die um seine Liebe und Aufmerksamkeit buhlen. Vor allem Neli, die mittlere, leidet sehr unter der Situation.
Ich gebe zu, dass ich mich mit dem 4. Band der Reihe von Ulrike Renk etwas schwer getan habe. Da ist zum einen der Klappentext, der nicht ganz zum Inhalt passt. Erst im letzten Drittel des Buches geht es nämlich um den erwähnten Aufenthalt der Mädchen in der Pflegefamilie und erst im letzten Kapitel darum, wie sehr sich die Situation der Viertel-Jüdinnen unter den Nationalsozialisten ändert. Da ist Fine ca. 14 und geht noch zur Schule, ihr Traum, Abitur zu machen und zu studieren, wird nur erwähnt. Zum anderen ist mir das Buch zu sehr auf die Ullas politisches Engagement für die KPD fixiert, für deren Ziele sie Fine zugegebenermaßen schon früh begeistert.
Ich würde es darum eher als Weitererzählung von Ullas Leben aus Fines Sicht bezeichnen. Fine wirkt schon als Kind sehr reif. Sie nimmt immer auf alle Rücksicht und hat ein sehr ausgleichendes Temperament, kümmert sich um ihre Schwestern und nimmt ihrer Mutter Hausarbeit ab.
Nach dem Scheitern der Ehe hat Ulla große Probleme, mit den Kindern über die Runden zu kommen, da Heinrich sie kaum unterstützt. Stattdessen stürzt er sich in seine Forschung und eine private Arztpraxis, die leider keinen Gewinn abwirft. Als dann auch noch die Weltwirtschaftskrise kommt, hat Ulla bald keine Wahl mehr und muss ihre Töchter in eine Pflegefamilie geben.
Wie sehr sich ihr Leben von einer „normalen“ Kindheit unterscheidet, verstehen die Mädchen erst dort. Natürlich vermissen sie ihre Mutter sehr, aber endlich haben sie einen geregelten Tagesablauf, immer genügend Essen und jemanden, der für sie da ist. Ulla liebt ihre Kinder zwar sehr, aber ihre Freiheit anscheinend noch mehr. Mit der Begründung, ihnen eine bessere Welt hinterlassen und die Nazis zurückdrängen zu wollen, stürzt sie sich in die politische Arbeit. Dass das gefährlich ist, wird Fine schnell klar, trotzdem kann sie ihre Mutter verstehen und teilt deren Ansichten, geht gern zu den Pionieren. Zudem hat sie die Angewohnheiten, die Gespräche der Erwachsenen zu belauschen und sich eine eigene Meinung zu bilden – das hat mir sehr imponiert. „Die Welt verändert sich, und ich will wissen, was sie darüber denken.“ (S. 253)
Ulrike Renk zeichnet wieder ein sehr lebendiges Bild dieser schwierigen Zeit voller politischer Umbrüche. Zur Weltwirtschafts- kommen die privaten Krisen der Dehmels. Ulla will (künstlerisch) arbeiten und hatte gehofft, dass sich Heinrich mit ihr in die Erziehung der Kinder und Hausarbeit teilt – ein Unding zur damaligen Zeit. Das Scheitern der Ehe wirkt sich sehr auf die Kinder aus. Die Mädchen taten mir oft leid. Sie sehnen sich nach der Liebe und Anerkennung ihres Vaters und oft auch der Aufmerksamkeit ihrer Mutter. Aber Ulla führt ein sehr unstetes Leben, versucht ihren Traum von einer kommunistischen Welt zu verwirklichen und lässt sich von ihren Partnern auch für Projekte im Ausland gewinnen, hinter denen das Familienleben dann zurücksteht.