Produktdetails
- Verlag: Helmer
- 2000.
- Seitenzahl: 283
- Deutsch
- Abmessung: 215mm
- Gewicht: 566g
- ISBN-13: 9783897410329
- ISBN-10: 389741032X
- Artikelnr.: 25220255
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.09.2000Sie wollte kein Stiefkind des Wirtschaftswunders sein
Das wilde Weib von Westdeutschland: Fini Pfannes war viel mehr als nur die Vorzeigefigur der Hausfrauenvereinigungen
Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere verkehrte Fini Pfannes mit Ministern, ging in Pelzen und Juwelen und fuhr in Limousinen mit livriertem Chauffeur. Sie war der Star des Deutschen Hausfrauen-Bundes und brachte Glanz ins graue Nachkriegsdeutschland - die Auftritte so sorgfältig arrangiert wie ihre Tischwäsche. Nur wenige Jahre später sank sie so vollständig in Vergessenheit, daß ihre beiden Biographinnen Elke Schüller und Kerstin Wolff selbst in den Archiven der Hausfrauenverbände kaum Spuren ihres Wirkens fanden. Vom einstigen "Paradiesvogel der Nachkriegsfrauenbewegung" blieb nicht eine Feder. Auf den Leser wartet also eine Entdeckung.
"Extravagant und exzentrisch, wohlhabend und geschäftstüchtig, hoch gebildet und streitbar", außerdem großzügig und herrschsüchtig, diszipliniert und dickköpfig - so beschreiben die beiden Autorinnen ihre Heldin. Daß Schüller und Wolff Fini Pfannes den gebührenden Platz im Album der Nachkriegsfrauenbewegung einräumen, ohne die umstrittene Hausfrauen-Präsidentin in einen verklärenden Goldrahmen zu setzen, ist in diesem Genre nicht nur selten und deshalb um so höher zu loben, sondern wird der Figur in ihrer Zeit in besonderer Weise gerecht.
Josephine Pfannes, die sich nur "Fini" nannte, ein Kind rumänischer Juden aus gebildetem Hause und Frau des einstigen deutschen Reserveleutnants und späteren Unternehmers Carl Pfannes, hatte es vor dem Krieg in Frankfurt bei den Main-Gas-Werken als Werbeleiterin und Versuchsköchin zu einigem Ansehen gebracht. Nach dem Krieg setzte sie sich an die Spitze der mit bemerkenswertem Selbstbewußtsein agierenden Frauenverbände, wurde Vorsitzende des Frankfurter Hausfrauenverbandes, Vorsitzende des hessischen Landesverbands und schließlich Präsidentin des Deutschen Hausfrauenbundes.
Daß sie als das "einzige Weib und auch noch ein Weib, das mal auf den Tisch haute", wie sich eine Zeitzeugin erinnert, mit den Herren der großen Konsumwirtschaftsverbände stritt, daß sich eine Frau, eine jüdische zumal, wenige Jahre nach der Diktatur so exponierte, fand keine ungeteilte Begeisterung. Nüchtern schildern die Autorinnen, wie Fini Pfannes das Nazi-Regime unter Todesangst in einsamer Zurückgezogenheit überlebt hat, nachdem ihr Mann 1940 gestorben war, nach Kriegsende aber feststellen mußte, daß man ihr den Status als "Verfolgte des Nazi-Regimes", ja als Jüdin, streitig machte. Daß sie "dem Bild einer Verfolgten des Naziregimes überhaupt nicht entsprach", wie die Autorinnen bemerken, sondern mit einer Tauschbörse und einer Werbeagentur rasch wieder Gewinne machte, schmälert nicht den Zynismus der Sachbearbeiter, die ihr mitteilten: "Nach den gesetzlichen Richtlinien reichen Ihre Verfolgungen nicht aus, um Sie in die Betreuung aufzunehmen."
Wieso aber verlegte sich eine so kluge und geschäftstüchtige Frau ausgerechnet auf ein Metier, das nach heutigem Verständnis mit Modernität oder Politik so gar nichts gemeinsam hat? Wieso engagierte sich Fini Pfannes für die Hausfrauen? Die Antwort der Autorinnen ist so einleuchtend wie erhellend. In den Jahren nach der Diktatur, in den Hungerwintern und Trümmerstädten, war nichts politischer als der Haushalt. Die Not politisierte jeden Einkauf, jede Mahlzeit, jede Entscheidung über Wohnen und Wirtschaften. Klugheit und Demokratiebewußtsein der Hausfrauen, so Fini Pfannes' feste Überzeugung, entschieden über die Zukunft des Landes. "Uns Frauen, die wir heute die Mehrheit des Volkes bilden, ist damit eine große Macht gegeben. Ohne die aktive Teilnahme der deutschen Frauen kann kein demokratisches Deutschland entstehen", hieß es im flammenden Gründungsaufruf des Frankfurter Frauenausschusses, zu dessen Verfasserinnen Fini Pfannes gehörte. Hauswirtschaft war Volkswirtschaft. Und die weise haushaltenden, überparteilichen Verbandsfrauen sahen sich als die besseren Demokraten.
In diese Phase fällt nicht nur die beste Zeit der Fini Pfannes, die sich in den Wohnungsbau einmischte, Verbände aufbaute und Frauen-Messen ausrichtete. Auch das Buch läßt eine gewisse stilistische Sprödigkeit vergessen, bringt es doch eine nahezu unbekannte Seite der Wirtschaftswunderjahre ans Licht. Als Fini Pfannes allerdings den Tarifvertrag für Hausgehilfinnen durchsetzt, gerät sie nicht nur mit den Dienstherrinnen in den eigenen Verbandsreihen in Konflikt. Ein Artikel im "Spiegel", Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten in den Abrechnungen und nicht zuletzt die eigene Sturheit führten zu ihrem Sturz und dem Rückzug in den hessischen Landesverband. In der Schilderung dieses Abstiegs vergessen sich die Autorinnen leider in den akribischen Rekonstruktionen von Zerwürfnissen, denen außerhalb von Frauenverbandskreisen kaum jemand etwas abgewinnen wird.
Immerhin kann der hessische Landesverband, der das Buch herausgibt und Fini Pfannes bis zu ihrem Tod im Jahr 1967 die Treue hielt, seine vergessene Berühmtheit rehabilitieren. Allen anderen Lesern bleibt am Ende der Lektüre der Eindruck, einer außergewöhnlichen Frau begegnet zu sein. Als die Teppichklopfstange noch zur technischen Spitzenausstattung deutscher Haushalte gehörte, zerbrach sich Fini Pfannes bereits den Kopf über die voranschreitende Automatisierung mit Staubsaugern und Kühlschränken. Ihr größtes Publikum aber gewann sie als "Kulinarische Schriftstellerin" einer ganzen Reihe aufwendig fotografierter Kochbücher. Und mehr als jeder Ring und jedes kecke Hütchen drückt vielleicht ein Foto aus dem Buch "Die Küche - Handbuch der Hausfrau" den unverfrorenen Glamour von Fini Pfannes aus. Es zeigt einen sattroten Hummer auf einer Spitzendecke neben einem Zweig Chrysanthemen - und einer brennenden Zigarette.
SONJA ZEKRI
Elke Schüller, Kerstin Wolff: "Fini Pfannes (1894-1967)". Protagonistin und Paradiesvogel der Nachkriegsfrauenbewegung. Herausgegeben vom Deutschen Hausfrauen-Bund Landesverband Hessen e.V., Ulrike Heimer Verlag, Taunus 2000. 286 S., Abb., geb., 39,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das wilde Weib von Westdeutschland: Fini Pfannes war viel mehr als nur die Vorzeigefigur der Hausfrauenvereinigungen
Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere verkehrte Fini Pfannes mit Ministern, ging in Pelzen und Juwelen und fuhr in Limousinen mit livriertem Chauffeur. Sie war der Star des Deutschen Hausfrauen-Bundes und brachte Glanz ins graue Nachkriegsdeutschland - die Auftritte so sorgfältig arrangiert wie ihre Tischwäsche. Nur wenige Jahre später sank sie so vollständig in Vergessenheit, daß ihre beiden Biographinnen Elke Schüller und Kerstin Wolff selbst in den Archiven der Hausfrauenverbände kaum Spuren ihres Wirkens fanden. Vom einstigen "Paradiesvogel der Nachkriegsfrauenbewegung" blieb nicht eine Feder. Auf den Leser wartet also eine Entdeckung.
"Extravagant und exzentrisch, wohlhabend und geschäftstüchtig, hoch gebildet und streitbar", außerdem großzügig und herrschsüchtig, diszipliniert und dickköpfig - so beschreiben die beiden Autorinnen ihre Heldin. Daß Schüller und Wolff Fini Pfannes den gebührenden Platz im Album der Nachkriegsfrauenbewegung einräumen, ohne die umstrittene Hausfrauen-Präsidentin in einen verklärenden Goldrahmen zu setzen, ist in diesem Genre nicht nur selten und deshalb um so höher zu loben, sondern wird der Figur in ihrer Zeit in besonderer Weise gerecht.
Josephine Pfannes, die sich nur "Fini" nannte, ein Kind rumänischer Juden aus gebildetem Hause und Frau des einstigen deutschen Reserveleutnants und späteren Unternehmers Carl Pfannes, hatte es vor dem Krieg in Frankfurt bei den Main-Gas-Werken als Werbeleiterin und Versuchsköchin zu einigem Ansehen gebracht. Nach dem Krieg setzte sie sich an die Spitze der mit bemerkenswertem Selbstbewußtsein agierenden Frauenverbände, wurde Vorsitzende des Frankfurter Hausfrauenverbandes, Vorsitzende des hessischen Landesverbands und schließlich Präsidentin des Deutschen Hausfrauenbundes.
Daß sie als das "einzige Weib und auch noch ein Weib, das mal auf den Tisch haute", wie sich eine Zeitzeugin erinnert, mit den Herren der großen Konsumwirtschaftsverbände stritt, daß sich eine Frau, eine jüdische zumal, wenige Jahre nach der Diktatur so exponierte, fand keine ungeteilte Begeisterung. Nüchtern schildern die Autorinnen, wie Fini Pfannes das Nazi-Regime unter Todesangst in einsamer Zurückgezogenheit überlebt hat, nachdem ihr Mann 1940 gestorben war, nach Kriegsende aber feststellen mußte, daß man ihr den Status als "Verfolgte des Nazi-Regimes", ja als Jüdin, streitig machte. Daß sie "dem Bild einer Verfolgten des Naziregimes überhaupt nicht entsprach", wie die Autorinnen bemerken, sondern mit einer Tauschbörse und einer Werbeagentur rasch wieder Gewinne machte, schmälert nicht den Zynismus der Sachbearbeiter, die ihr mitteilten: "Nach den gesetzlichen Richtlinien reichen Ihre Verfolgungen nicht aus, um Sie in die Betreuung aufzunehmen."
Wieso aber verlegte sich eine so kluge und geschäftstüchtige Frau ausgerechnet auf ein Metier, das nach heutigem Verständnis mit Modernität oder Politik so gar nichts gemeinsam hat? Wieso engagierte sich Fini Pfannes für die Hausfrauen? Die Antwort der Autorinnen ist so einleuchtend wie erhellend. In den Jahren nach der Diktatur, in den Hungerwintern und Trümmerstädten, war nichts politischer als der Haushalt. Die Not politisierte jeden Einkauf, jede Mahlzeit, jede Entscheidung über Wohnen und Wirtschaften. Klugheit und Demokratiebewußtsein der Hausfrauen, so Fini Pfannes' feste Überzeugung, entschieden über die Zukunft des Landes. "Uns Frauen, die wir heute die Mehrheit des Volkes bilden, ist damit eine große Macht gegeben. Ohne die aktive Teilnahme der deutschen Frauen kann kein demokratisches Deutschland entstehen", hieß es im flammenden Gründungsaufruf des Frankfurter Frauenausschusses, zu dessen Verfasserinnen Fini Pfannes gehörte. Hauswirtschaft war Volkswirtschaft. Und die weise haushaltenden, überparteilichen Verbandsfrauen sahen sich als die besseren Demokraten.
In diese Phase fällt nicht nur die beste Zeit der Fini Pfannes, die sich in den Wohnungsbau einmischte, Verbände aufbaute und Frauen-Messen ausrichtete. Auch das Buch läßt eine gewisse stilistische Sprödigkeit vergessen, bringt es doch eine nahezu unbekannte Seite der Wirtschaftswunderjahre ans Licht. Als Fini Pfannes allerdings den Tarifvertrag für Hausgehilfinnen durchsetzt, gerät sie nicht nur mit den Dienstherrinnen in den eigenen Verbandsreihen in Konflikt. Ein Artikel im "Spiegel", Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten in den Abrechnungen und nicht zuletzt die eigene Sturheit führten zu ihrem Sturz und dem Rückzug in den hessischen Landesverband. In der Schilderung dieses Abstiegs vergessen sich die Autorinnen leider in den akribischen Rekonstruktionen von Zerwürfnissen, denen außerhalb von Frauenverbandskreisen kaum jemand etwas abgewinnen wird.
Immerhin kann der hessische Landesverband, der das Buch herausgibt und Fini Pfannes bis zu ihrem Tod im Jahr 1967 die Treue hielt, seine vergessene Berühmtheit rehabilitieren. Allen anderen Lesern bleibt am Ende der Lektüre der Eindruck, einer außergewöhnlichen Frau begegnet zu sein. Als die Teppichklopfstange noch zur technischen Spitzenausstattung deutscher Haushalte gehörte, zerbrach sich Fini Pfannes bereits den Kopf über die voranschreitende Automatisierung mit Staubsaugern und Kühlschränken. Ihr größtes Publikum aber gewann sie als "Kulinarische Schriftstellerin" einer ganzen Reihe aufwendig fotografierter Kochbücher. Und mehr als jeder Ring und jedes kecke Hütchen drückt vielleicht ein Foto aus dem Buch "Die Küche - Handbuch der Hausfrau" den unverfrorenen Glamour von Fini Pfannes aus. Es zeigt einen sattroten Hummer auf einer Spitzendecke neben einem Zweig Chrysanthemen - und einer brennenden Zigarette.
SONJA ZEKRI
Elke Schüller, Kerstin Wolff: "Fini Pfannes (1894-1967)". Protagonistin und Paradiesvogel der Nachkriegsfrauenbewegung. Herausgegeben vom Deutschen Hausfrauen-Bund Landesverband Hessen e.V., Ulrike Heimer Verlag, Taunus 2000. 286 S., Abb., geb., 39,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Komplett vergessen ist Fini Pfannes heute und das finden die Autoren des Bandes ebenso schade wie die Rezensentin Sonja Zekri. Als "Star des Deutschen Hausfrauen-Bundes" im Nachkriegsdeutschland sei Pfannes eine einflussreiche und interessante Figur gewesen. Die Biografie dieses durchaus aufmüpfigen "Paradiesvogels" kommt, so die Rezensentin, bei aller Sympathie ohne Verklärung aus und bringt dem Leser "eine nahezu unbekannte Seite der Wirtschaftswunderjahre" nahe. Einzig bei der überaus "akribischen Rekonstruktion" der Vorkommnisse um den Rückzug von Pfannes in den hessischen Landesverband des Deutschen Hausfrauenbundes hat Zekri die Geduld verloren.
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