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Diese zweisprachige Edition der finnlandschwedischen Avantgarde umfasst 5 Bände und stellt die DichterEdith Södergran, Henry Parland, Gunnar Björling, Elmer Diktonius und Rabbe Enckell dem deutschsprachigenPublikum vor. Die einzelnen Bände enthalten Vorworte von Klaus-Jürgen Liedtke und Nachwortevon Anders Olsson.

Produktbeschreibung
Diese zweisprachige Edition der finnlandschwedischen Avantgarde umfasst 5 Bände und stellt die DichterEdith Södergran, Henry Parland, Gunnar Björling, Elmer Diktonius und Rabbe Enckell dem deutschsprachigenPublikum vor. Die einzelnen Bände enthalten Vorworte von Klaus-Jürgen Liedtke und Nachwortevon Anders Olsson.
Autorenporträt
Klaus-Jürgen Liedtke, geboren 1950 in Südtondern. Die erste eigenständige Lyrikveröffentlichung erfolgte 1991. Einen Namen hat sich Liedkte als literarischer Übersetzer aus dem Schwedischen und Finnlandschwedischen gemacht; er erhielt 1993 den "Natur- och -Kultur-Übersetzerpreis" der Schwedischen Akademie und 2016 den "Mikael Lybeck-Preis".
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.10.2014

Wildes Blut
der Zukunft
Erstmals auf Deutsch: Die Gedichte der
finnlandschwedischen Avantgarde
VON NICO BLEUTGE
In ihrem Langgedicht „Alfabet“ träumt die große dänische Dichterin Inger Christensen einmal von einer ausgetrockneten Quelle, „irgendwo in Karelien vielleicht“. Zu Christensens Karelien gehört auch ein Kohlgarten, den „mehrere jahrhunderte hindurch keiner in ordnung gehalten hat“. Eine Landschaft, halb geographisch und historisch, halb mythisch, ist dieses Karelien. Ein nordisches Gelände zwischen der Ostsee und dem Weißen Meer, ein imaginiertes Wanderreich, das heute zu Finnland und zu Russland gehört. Der Arzt Elias Lönnrot durchstreifte das mythische Grenzgebiet in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts und fand hier einen Teil jener kraftvollen Gesänge, die er zum finnischen Nationalepos, dem „Kalevala“, zusammenfügte.
  Auf der karelischen Landenge lebte aber auch eine Figur, die wegen ihrer pulsierenden Verse und ihres frühen Todes nicht weniger mythisch überhöht wurde als die Landschaft selbst: die Dichterin Edith Södergran. Sie war die Urmutter einer literarischen Bewegung, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts an den Rändern des schwedischen Sprachgebiets entwickelte. Die Rede ist vom finnlandschwedischen Modernismus, in dem Sprachbesessene wie Edith Södergran oder Elmer Diktonius nicht weniger anstrebten als eine Veränderung der Welt durch die Literatur.   Nicht von ungefähr. Denn der literarischen Bewegung ging eine politisch-kulturelle voraus. Finnland war lange Zeit der östliche Teil des Schwedischen Reiches. Nach dem Krieg von 1808/09 fiel es an Russland. Zwar blieb das Schwedische wie gehabt die Sprache der Verwaltung und der Literatur, aber im Laufe des 19. Jahrhunderts gewann das Finnische an Bedeutung. Eine finnische Schriftsprache wurde fixiert, Lönnrot sammelte seine Volkslieder – und im Sog der philosophischen und dichterischen Ideen bildete sich ein finnischer Nationalismus heraus. Als Gegenmoment zu dieser Bewegung kam unter den schwedischsprachigen Menschen Finnlands ein Selbstverständnis als Minderheit auf, das später in dem Wort „finnlandschwedisch“ seine Setzung fand.
  Gegen solche rigiden Grenzziehungen schrieben die Avantgardisten immer schon an. Edith Södergran wurde in St. Petersburg geboren und stammte aus einer Familie, in der Schwedisch, Russisch, Deutsch, Französisch und Englisch selbstverständlich waren. Elmer Diktonius wuchs zweisprachig auf und verfasste neben den Gedichten Prosastücke, in denen seine Antihelden ein hybrides Idiom sprechen, das von der alttestamentarischen Sprache bis zum Slang alle Nuancen vereint. Zwei Avantgarde-Zeitschriften, Ultra und Quosego , druckten eigene und internationale Stimmen, zum Teil auf Schwedisch und Finnisch. Sie alle waren geprägt von den kontinentalen Ideen, der drängenden Sprache des Expressionismus oder des Futurismus mit seinem Hang zu Maschinen, Filmen und der Großstadt.
  Edith Södergran bekam diese Entwicklungen nur aus der Ferne mit. Sie hatte sich in frühen Jahren eine Lungenerkrankung zugezogen. Nach dem Tod des ebenfalls lungenkranken Vaters und nachdem das Familienvermögen im Mahlstrom der Russischen Revolution verschwunden war, ging sie mit ihrer Mutter in den kleinen Ort Raivola auf der Karelischen Landenge. „Krank, arm und verspottet hat hier ein Mensch gelebt“, notierte der schwedische Dichter Gunnar Ekelöf, der den Ort 1938, 15 Jahre nach Södergrans Tod, besuchte. Er beschreibt ihn so, als hätte er dort auch einen Kohlgarten und eine einsame Quelle finden können: „Es war ein engbegrenzter Kreis, ein kleines, ärmliches Fleckchen Erde. Es umfasste Kirche, Friedhof, den ,Garten’ mit seinen großen Bäumen und schließlich den See unterhalb“.
  Södergrans großartige Gedichte aus der karelischen Ödnis kann man nun in einer Edition des Kleinheinrich-Verlags aus Münster studieren. Klaus-Jürgen Liedtke ist als Herausgeber und Übersetzer einmal quer durch die Werke von fünf finnlandschwedischen Autoren gegangen und hat eine Handvoll schöner Auswahlbände zusammengestellt. Entdecken lassen sich fünf Stimmen, die in ihren Gedichten alle Grenzen sprengen, alle Sprachschichten mischen wollten. Wenn man bedenkt, wie sehr die deutschsprachigen Expressionisten – etwa Georg Heym oder Jakob van Hoddis – noch an traditionellen Vorstellungen von Versmaß und Reim hingen, mag man ermessen, wie revolutionär hoch oben im Norden gedichtet wurde.
  Elmer Diktonius mit seinen „harten Gesängen“, Gunnar Björling mit seinen flutenden Langzeilen – oder eben: Edith Södergran selbst. Wer sie nur als Künderin des Einfachen oder als melancholischen Trauervogel kannte, der von Fremdheit und Einsamkeit tönt, kann sie nun als glühenden Stern erleben, als Dichterin, die vom „wilden Blut der Zukunft“ singt. Die sich, in Anlehnung an Nietzsche, selbst neu schaffen und die Vergangenheit stürzen will, von „Fetzen, Brocken“ und „Alltagsschnipseln“ träumt, wahlweise als „Gottheit“ oder „Adler“. Jedes Gedicht „sei das Zerreißen eines Gedichts, / nicht Gedicht, sondern Krallenspur“, schreibt sie. Und: „Meine Fackeln will ich entzünden über der Erde“, „hin zu anderen maßlosen Herzen“.
  Diese Verbindung zum anderen macht den Kern ihres Schreibens aus, der Wunsch, mit den Versen für die Zukunft zu werben und die „geheimen Kräfte / verborgen im Finstern“ zu entfesseln: „Die Erdkugel gehört jenen, die in sich die höchste Musik tragen. Ich wende mich an die seltenen Individuen und fordere sie auf, ihre innere Musik anzuheben“. Die poetischen Mittel dienen diesem Zweck. Södergran arbeitet mit Wiederholungen und Variationen von Wörtern und Sätzen, die sie bisweilen fast eruptiv taktet, lautbetont und voller Farben, so dass die Gedichte mal wie Litaneien, mal wie Hymnen klingen: „Durch uns geht ein Strom: ewige Winde, / Honig des Himmels, Segen des Alls.“
  Ihre finnlandschwedische Sprache, die Ekelöf einen „äolischen Dialekt“ nennt, oder „ein kantiges und ungelenkes Schwedisch“, lebt von Grundwörtern wie „Himmel“, „Stern“ oder „Feuer“. Södergran erfindet aber auch Wörter. Klaus-Jürgen Liedtke hat diese Neologismen in deutschen Wörtern wie „blitzlichtrasch“ oder „Quecksilberhohnlachen“ sehr schön nachgebaut und zugleich versucht, das Finnlandschwedische in einer manchmal bewusst antiquierten Satzstellung einzuholen und das Spiel mit Assonanzen und Binnenreimen zu bewahren. So klingt Edith Södergran sehr viel mehr nach höchster Musik als in älteren Übertragungen.
  Den revolutionären Impuls und die Liebe zu Wiederholungen teilt sie mit Elmer Diktonius. Nur dass dieser selbsternannte „Landstreicher des Geistes“ alle Nuancen des Lebens feierte, die Wildheit ebenso wie das Schöne und den Hunger. Lange Zeit war Diktonius auch politisch aktiv, begeisterte sich für sozialistische Ideen und reflektierte etwa den Bürgerkrieg von 1918 und die junge, allzu enge finnische Republik. Seine Ich-Eruptionen sind vom Maschinendenken der Futuristen durchströmt, gefallen sich in vulkanischen Gesängen, aber auch in Männlichkeitsphantasien. Diktonius, der ausgebildete Musiker, spielt mit Rhythmen und Klängen, benutzt mündliche Sprache und Randwörter aus dem Finnischen und Schwedischen. Seine lyrischen Sprengungen indes waren kein Selbstzweck, er wollte aus den Splittern eine neue Ganzheit herstellen.
  Viele dieser Zusammenhänge lassen sich aus den klugen Begleitworten von Klaus-Jürgen Liedtke und Anders Olsson erschließen. Mitunter jedoch hätte man sich einen kleinen Kommentarteil gewünscht, etwa für Diktonius’ sozialkritische Balladen oder Gunnar Björlings philosophische Aphorismen. Sei’s drum, die Gedichte von Henry Parland oder Rabbe Enckell sind mehr als eine Entschädigung. Wo der eine den „Ramsch der Ideale“ besingt, zaubert der andere aus einem Misthaufen flugs den „Rücken eines ruhenden Lamas“ hervor. Beide gehörten dem zweiten, stärker kunstbetonten Schub der Avantgarde an. Doch so unterschiedlich diese Stimmen auch waren – es verband sie der Wille zu einer ganz neuen Sprache, einer mal ruhigen, mal blitzlichtraschen Sprache des Körpers und der Sterne. Inger Christensen wusste es: „ich schreibe wie der kindliche / sommer wie donner / über den kuppeln des waldrands.“
Finnlandschwedische Literatur der Avantgarde.Edith Södergran, Henry Parland, Elmer Diktonius, Gunnar Björling, Rabbe Enckell. 5 Bände in Kassette. Zweisprachig. Herausgegeben und übersetzt von Klaus-Jürgen Liedtke. Mit Begleitworten von Anders Olsson und Klaus-Jürgen Liedtke. Kleinheinrich Verlag, Münster 2014. zus. 902 Seiten, 90 Euro.
„Die Erdkugel gehört
jenen, die in sich die
höchste Musik tragen.“
Die Gruppe der von Ködern angelockten Grauen Riffhaie sieht aus wie ein Mobile.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gleich fünf von Klaus-Jürgen Liedtke wunderbar editierte Bände finnlandschwedischer Gedichte der Avantgarde kann Rezensent Nico Bleutge annoncieren, und fügt hinzu, dass sie die Lektüre lohnen. Die Werke der in Petersburg geborenen Edith Södergran etwa, die der Kritiker als "Urmutter" der finnlandschwedischen modernistischen Bewegung würdigt, und deren Schriftstücke ihn in die karelische Ödnis entführen und die zugleich vor explosiver Leidenschaftlichkeit und Musikalität sprühen. Allen hier versammelten Autoren ist gemein, dass sie (Sprach-)Grenzen sprengen wollen und selbst den Expressionismus in ihrem revolutionären Duktus hinter sich lassen, erklärt Bleutge. Neben der brillanten Übersetzung lobt der Rezensent auch die klugen Begleitworte Liedtkes und Anders Olssons. Einzig einen Kommentarteil vermisst der ansonsten vollends zufriedene Kritiker.

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