Im 20. Jh. verkehrt sich die einstmals positive literarische Utopie in düstere Weltentwürfe. Im Zuge dieser gattungsparadigmatischen Transformation entstehen Texttypen mit divergenten poetologischen Charakteristika, die eine neue terminologische wie typologische Differenzierung erfordern. In dieser komparatistisch angelegten Studie wird daher eine Poetik negativer literarischer Erscheinungsformen des Utopischen erstellt, die zwischen Anti-Utopie, (traditioneller) Dystopie und kritischer Dystopie unterscheidet. Anhand repräsentativer Einzelanalysen werden erstmals deutsche und lateinamerikanische Werke von Borges, Kracht, Zeh, Morgner, Kociancich u.a. vor dem Hintergrund des gattungskonstitutiven anglophonen Kanons gelesen. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf die lange Zeit marginalisierte weibliche Tradition gerichtet, die diesen Gattungswandel entscheidend prägt. Die utopisch-dystopische Literaturhistorie offenbart sich so als eine Geschichte des fortwährenden intertextuellen Dialogs mit den Vorgängern, auch über die Grenzen der Nationalliteraturen hinweg. Gleichzeitig belegt dies die ungebrochene Anziehungskraft zeitdiagnostischer utopischer Fiktion und den Erhalt des gesellschaftspolitischen Diskurses über utopische Möglichkeitsreflexionen in neuem poetologischem Gewand.