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Das Leben des achtjährigen Yves wird in einer einzigen Sekunde brutal entzweigerissen, in ein Vorher und Nachher. Ein berührender Roman über Geborgenheit und Verlust; über die Familienbande, denen wir nicht entkommen, und diejenigen, die wir uns selbst erschaffen.

Produktbeschreibung
Das Leben des achtjährigen Yves wird in einer einzigen Sekunde brutal entzweigerissen, in ein Vorher und Nachher. Ein berührender Roman über Geborgenheit und Verlust; über die Familienbande, denen wir nicht entkommen, und diejenigen, die wir uns selbst erschaffen.
Autorenporträt
Lukas Hartmann, 1944 geboren, lebt als freier Schriftsteller und Journalist in Bern. Für seine Romane - wie für seine Kinder- und Jugendbücher - wurde er mehrfach ausgezeichnet, z. B. im Jahr 2010 mit dem ersten Großen Literaturpreis von Stadt und Kanton Bern.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.11.2010

Das Kreuz mit der Symbolik

Traumatisiertes Kind, fragile Therapeutin, aufdringliches Zeichenspiel: Lukas Hartmann verwandelt den Unterhaltungsroman in eine moralische Anstalt von einigermaßen ästhetischem Wert. Betonung auf einigermaßen.

Seit drei Jahrzehnten beglückt der Berner Autor Lukas Hartmann ein junges Publikum mit Kinderbüchern und Erwachsene mit mal historischen, mal kritisch-didaktischen Romanen, in denen Krieg und Sklaverei, Kolonialismus, Frauenfeindlichkeit und Xenophobie angeprangert werden. Regelmäßig bekundet er seine politische Liberalität in Essays zu gesellschaftlichen Fragen, ja die Politik liegt nicht fern: Seine Frau sitzt für die Sozialdemokratische Partei im Bundesrat. Kurz, Hartmann ist eine Art gutes Gewissen der Schweiz. Schon deshalb hat er den Großen Literaturpreis von Stadt und Kanton Bern, der ihm diesen Sommer zugesprochen wurde, verdient. Weniger leuchtet allerdings ein, dass er damit in die Tradition von Erica Pedretti, Jürg Laederach und Felix Philipp Ingold gestellt wird. Schließlich stellt er als Bestsellerautor keine literarische Instanz dar. Sein Schreiben ist konventionelle Unterhaltung der gesunden Sorte, Seelenfutter mit moralischen Aufbaustoffen, garniert mit Zeit- und Milieukolorit.

Nach Titeln wie "Die Tochter des Jägers" oder "Bis ans Ende der Meere" nun also "Finsteres Glück". Die Assoziationen sind beliebig: SM-Erotik? Krimi? Mondscheinromanze? Mit den Gestirnen liegt man nicht falsch: Angeregt durch eine Zeitungsnotiz, hat der Autor ein herzerweichendes Kinderschicksal erfunden. Auf der Rückfahrt von der Besichtigung einer Sonnenfinsternis im Elsass überlebt der achtjährige Yves einen Autounfall, bei dem Eltern und Geschwister ums Leben kommen. Von dem, was folgt, erzählt die Psychologin, die mit dem Fall des traumatisierten Kindes betraut wird. Eliane, erst verwitwet, dann geschieden und alleinerziehende Mutter zweier Töchter, ist mit dem Unglück vertraut. Das klingt dann so: "Aus eigener Trauerarbeit, so habe ich's gelernt, schöpfe man die Kraft, fremdes Leid wahrzunehmen, aber man dürfe sich nicht davon überschwemmen lassen. Einfühlung und Abgrenzung, das A und O meiner Berufsarbeit. Nun ja, theoretisch mag das stimmen. Doch an der eigenen Brut versagt das psychotherapeutische Handwerk glorios."

Trotz dieser gehörigen Portion Pragmatismus mangelt es Eliane, wie zu erwarten, an der Fähigkeit zur Abgrenzung. Es gelingt ihr, Yves für kurze Zeit in ihr männerloses Haus aufzunehmen, bis der verstörte Junge von einer eifersüchtigen Tante übernommen wird. Programmgemäß scheitert jedoch diese unsympathische Figur an dem Anspruch, das Kind von der Wahlmutter fernzuhalten - eine Anspielung auf den Kaukasischen Kreidekreis fehlt nicht -, und Hartmann gelingt es, seine Rückkehr in die nichtverwandte Familie mit den pedantisch abgehandelten therapeutischen und juristischen Einwänden zu versöhnen. Ja, der amtlichen Auflage, eine männliche Bezugsperson zu präsentieren, wird auf wundersame Weise entsprochen: Nach einem romantisch, aber sexfrei in Italien verbrachten Wochenende erklärt sich Elianes Geschiedener, zufällig gerade einer Affäre entbunden, bereit, die Vaterrolle (und befremdlicherweise in dieser Passage sogar die Erzählerrolle) zu übernehmen.

So weit die märchenhaft triviale Geschichte, deren psychodynamische und alltagspraktische Details Hartmann mit einer skrupulösen Umständlichkeit ausbreitet, die bei Betulichkeit viel liebevolle Menschenkenntnis übermittelt. Der Psychologinnen-Standpunkt erlaubt ihm eine stets diskret-korrekte, aber unermüdliche und eindringliche Einladung zur Identifikation mit den hilflosen Helfern, die das Rätsel des beschädigten Kindes zu ergründen versuchen. "Er lächelte mit zuckenden Mundwinkeln, doch plötzlich liefen ihm Tränen aus den Augen, es wurde immer mehr, sie nässten seine Wangen, den Rundkragen des T-Shirts, sie tropften auf den Tisch. Kein Laut kam von ihm, die Augen blieben blicklos offen": Solche Konkretheit rührt durch schlichte Plausibilität, und es ist umso bedauerlicher, dass diese immer wieder von didaktischen Erklärungen und scheinlogischen Handlungsabläufen entschärft wird - falsche Beruhigungen, die dafür sorgen, dass das Trauma dem Leser selbst nicht allzu weh tut. Genau darin besteht eben Hartmanns Handwerk als gewiefter Unterhaltungsprofi mit guten Absichten.

Doch der Autor will mehr, und daher fährt der Roman noch eine Pistole und den Isenheimer Altar auf. Die Pistole gehörte Yves' gewalttätigem Vater, wird der Erzählerin irgendwann heimlich übergeben und von ihr im Garten vergraben, wo das gefährliche Ding vermutlich heute noch liegt, denn darin erschöpft sich seine Rolle.

Grünewalds Altarbilder stehen in Colmar, also nahe dem Unfallort. Und da sich bekanntlich das Trauma durch eine Wiederholung löst, am Schluss also eine Fahrt der neuen Familie ins Elsass Yves die kathartische Konfrontation mit dem tödlichen Ereignis ermöglicht, muss die Kreuzigungsszene des Renaissancekünstlers eine Schlüsselrolle spielen. Zu diesem Zweck erscheint in der Mitte des Romans eine Szenenfolge, in der Grünewalds Adoptivsohn Endreß dem Vater bei den Arbeiten am Altarbild assistiert: eine prätentiöse Konstruktion, deren Symbolik am Ende in keiner Weise eingelöst wird. Es bleibt bei einer flachen Analogie von Yves' Trauma mit dem Kreuzestod, Leid und Leid-Darstellung. Und dem Leser die Bestätigung, dass ein Unterhaltungsroman durch Kunstwillen noch nicht zur höheren Literatur wird.

DOROTHEA DIECKMANN

Lukas Hartmann: "Finsteres Glück". Roman. Diogenes Verlag, Zürich 2010. 305S.,geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.12.2011

Das Trauma
einer Kindheit
Es ist keine leichtfertige Geschichte, sie ist auch nicht leichtfüßig erzählt. Der achtjährige Yves verliert seine Eltern, wird von einer Fachfrau und deren Töchtern betrauert und betreut, und der Autor gratwandert dabei zwischen Wissen, Klischee und authentischem Gefühl. Lukas Hartmann wagt da einen riskanten Versuch, verheddert sich manchmal in Schablonen, in lehrerhafter Besserwisserattitüde, in unnachgiebigem Wahrheitsanspruch. Er schreibt aus der Perspektive der Psychoanalytikerin und Pflegemutter, schafft damit aber weniger die nötige Distanz zu sich selbst, als vielmehr zur Hauptfigur: dem traumatisierten Yves. Manchmal ist man mehr gerührt von Hartmanns psychologischem Versuch und seiner literarischen Versuchung, als vom Schicksal des Jungen selbst. Die Geschichte ist dann aber doch stark genug, sich zu behaupten.
Helmut Mauró
Lukas
Hartmann:
Finsteres Glück. Roman.
Diogenes
Verlag, Zürich 2011.
305 Seiten, 10,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Lukas Hartmann ist für Dorothea Dieckmann vor allem ein Bestsellerautor, keine literarische Instanz, wie sie in ihrer Besprechung sehr deutlich macht. Von einem "herzerweichenden Kinderschicksal" mit therapeutischem Familienanschluss erzähle Hartmann mit "märchenhaft trivialer" Umständlichkeit aus der einigermaßen hilflosen Psychologinnenperspektive. Vor lauter Identifikationseinladungen kann sich die Rezensentin gar nicht retten. Und wird es doch einmal angenehm nüchtern-konkret, wartet schon die nächste didaktische Erläuterung auf die Rezensentin und verspricht Beruhigung. Krönung des misslungenen Romans ist für Dieckmann die Analogie von Trauma und Kreuzestod am Schluss - künstliche Überhöhung, durch die der Roman noch lange nicht hohe Literatur wird, meint Dieckmann.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Lukas Hartmann entfaltet eine große poetische Kraft, voller Sensibilität und beredter Stille.« Neue Zürcher Zeitung Neue Zürcher Zeitung