Erfolgreich reden, lesen, schreiben - die drei Schlüsselqualifikationen fürs Studium
Schwierigkeiten, mit denen Studierende oft allein gelassen werden: Wie werden komplizierte Texte geknackt? Worauf kommt es bei den Hausarbeiten an? Wie können Referate sicher und anschaulich vorgetragen, Diskussionen mit klaren Argumenten gemeistert werden?
Wer heute erfolgreich studieren will, muss wissen, wie die Informationsflut bewältigt werden kann, die Lektüre organisiert, Texte strukturiert und Vorträge konzipiert. Norbert Franck bietet Soforthilfe für die drei entscheidenden Grundsituationen im Studium: Lesen, Schreiben, Reden. Er konzentriert sich auf direkt brauchbares und umsetzbares Wissen, vermittelt Schlüsselqualifikationen, die ohne Umwege zum Ziel führen.
Schwierigkeiten, mit denen Studierende oft allein gelassen werden: Wie werden komplizierte Texte geknackt? Worauf kommt es bei den Hausarbeiten an? Wie können Referate sicher und anschaulich vorgetragen, Diskussionen mit klaren Argumenten gemeistert werden?
Wer heute erfolgreich studieren will, muss wissen, wie die Informationsflut bewältigt werden kann, die Lektüre organisiert, Texte strukturiert und Vorträge konzipiert. Norbert Franck bietet Soforthilfe für die drei entscheidenden Grundsituationen im Studium: Lesen, Schreiben, Reden. Er konzentriert sich auf direkt brauchbares und umsetzbares Wissen, vermittelt Schlüsselqualifikationen, die ohne Umwege zum Ziel führen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.05.2001Houston, wir haben eine Schreibblockade
Die akademische Prosa kann nur besser werden: Ratgeber und Lehrmethoden für das Verfassen wissenschaftlicher Texte
Die Besatzung der Apollo 13 entkam nur knapp der Katastrophe. Ein Sauerstofftank explodierte, und die Filterung der Atemluft versagte. Weil die Astronauten an Bord vollauf damit beschäftigt waren, ihre Raumkapsel auf Kurs zur Erde zu bringen, mußte die Bodentruppe an ihrer Stelle eine schnelle Lösung finden. Das ist die Story des Apollo-13-Films mit Tom Hanks und Ed Harris. Im Kontrollzentrum in Houston schüttet ein kleiner, untersetzter, italienisch aussehender Ingenieur einen Sack voll Krempel auf den Tisch, der in gleicher Form irgendwo in der Kapsel vorkommt: "Daraus müssen wir so schnell es geht einen Atemluftfilter basteln und den Kameraden die Bauanleitung durchgeben."
Wenn das Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit wie die Heimkehr der Apollo 13 ist, dann ist Umberto Eco der kleine, untersetzte Ingenieur. Mit seinem Longseller "Wie man eine wissenschaftliche Abschlussarbeit schreibt" versucht er die Last-minute-Lösung für ein Problem zu liefern, an das man besser früher gedacht hätte. Die große Beliebtheit des Ratgebers, dessen deutsche Übersetzung mittlerweile in der achten Auflage vorliegt, ist ein Hinweis auf die anhaltend absurde Situation des akademischen Schreibens in Deutschland.
Eco gibt viele gute Ratschläge, aber sie sind offenbar an einen Studenten gerichtet, der gegen Ende seines Studiums zum erstenmal darüber nachdenkt, was wissenschaftliches Schreiben überhaupt ist. Das Buch spiegelt die Situation wider, die in den siebziger Jahren an italienischen Universitäten bestand. Ecos Ratgeber sollte in Deutschland trotz allem nicht mehr empfohlen werden, denn so schlimm ist es an den hiesigen Hochschulen doch nicht.
Alljährlich von August bis November findet man in den Vereinigten Staaten eine Sonderausgabe des Time Magazine an den Kiosken. "The Best College for You" steht in riesigen Buchstaben darauf. Dieser Ratgeber kürt auch das College des Jahres. Für 2001 wurde der Titel in vier Kategorien an vier Hochschulen vergeben, die eines gemeinsam haben: Sie bieten ihren Studierenden herausragende Veranstaltungen und Einrichtungen zum akademischen Schreiben. Etwa die Hälfte aller amerikanischen Hochschulen verfügt über ein fächerübergreifendes Writing Program und ein Writing Center. Nur wenige erreichen dabei dieselbe Qualität wie die vier "Colleges of the Year 2001". Ein Schreibzentrum unterhalten alle Forschungsuniversitäten der Ivy League, aber nur die Cornell University bekam den begehrten Titel.
Jonathan B. Monroe, der in Konstanz Vergleichende Literaturwissenschaft studiert hat, leitet das campusweite Schreibprogramm in Cornell. Er ist zugleich Associate Dean am College for Arts and Sciences und verfügt über ansehnliche Mittel aus der Stiftung eines Zeitungsverlegers. Auf den Internetseiten seines John S. Knight Institute for Writing in the Disciplines (http://www.arts.cornell.edu/knight_institute) kann man sich durch ein Schlaraffenland des akademischen Schreibens klicken. Da gibt es wirklich alles: von bezahlter und prämierter Fortbildung für Professoren über eigene Stipendien bis hin zum Programm Knight-Scholar-in-Residence.
Damit repräsentiert die Cornell University die höchste Ausbaustufe einer institutionellen Entwicklung, die seit den siebziger Jahren quer durch die USA von der "Writing across the Curriculum"-Bewegung vorangetrieben wurde. Als differenziertes Netzwerk ist die Bewegung im Internet umfassend abgebildet. Die Seiten der National Writing Centers Association (http://nwca.syr.edu) erlauben einen breiten Zugriff auf Informationen über Institutionen und praktische Aspekte des akademischen Schreibens. Stärker redaktionell bearbeitet ist das Internet-Portal der Colorado State University zum akademischen Schreiben (http://aw.colostate.edu). Es bietet von bibliographischen Hilfen bis hin zu elektronischen Büchern im Volltext wohldosierte und relevante Ressourcen. Hier finden sich auch Antworten auf eine Schlüsselfrage, die hinter allen Bemühungen um das akademische Schreiben steckt: "How can I avoid to get lousy student papers?" Beide Angebote richten sich vor allem an Lehrende.
Studierende in den USA besuchen Schreibkurse, die in den meisten Studiengängen verpflichtend sind und häufig in Zusammenarbeit mit einem Writing Center angeboten werden - das organisiert in der Regel die Fortbildung der Lehrenden verschiedener Fachbereiche und bietet individuelle Schreibberatung für Studierende an. In der Regel stehen Computer-Arbeitsplätze und eine auf die Schreibkunst ausgerichtete Handbibliothek zur Verfügung. Wenn diese gut sortiert ist, findet sich in ihren Regalen das hervorragende Lehrbuch The Craft of Research. Seine Autoren vermuten hinter der vieldiskutierten Schreibblockade nicht selten eine Denkblockade, eine Wissenslücke oder beides. Deshalb kommen Booth, Colomb und Williams erst auf Seite 150, genau in der Mitte ihres Buches, zum Schreiben im engeren Sinne. Wer ihnen bis dahin aktiv gefolgt ist, was nicht schwerfällt, hat einen soliden Grundkurs in Logik und Argumentation absolviert und nebenbei gutes Englisch in gediegener Typographie genossen. Ein Bildungserlebnis.
Der Tübinger Rhetorik-Professor Gert Ueding hält wenig von der Psychologisierung der Schreibblockade. Die Beseitigung der "kognitiven" Ursachen, die viel häufiger seien, "als es gerade die psychologisch orientierten Theoretiker wahrhaben wollen", genüge in den meisten Fällen zur Behandlung der Störung. Damit plädiert er in seiner Rhetorik des Schreibens für die Schulmedizin der klassischen Rhetorik und gegen die Heilpraktiker des Kreativen Schreibens.
Mit gleicher Vehemenz verteidigt Ueding das Vielschreiben gegen seine Verächter und trifft sich auch darin mit den Amerikanern. Nulla dies sine linea ist der wichtigste Rat der Meister des academic writing. Deshalb legen sie großen Wert auf das wissenschaftliche Journal. Der freien Form nach angesiedelt zwischen intimem Tagebuch und pragmatischem Forschungsbericht, gleicht das akademische Journal jenen hypomnemata, die schon Platon beunruhigten und noch den späten Michel Foucault faszinierten.
Das Journal schafft tägliche Anlässe für das, was die Amerikaner "writing to learn" nennen. Erst an zweiter Stelle geht es ihnen um "learning to write". Deshalb wissen sie mit dem Einwand deutscher Professoren wenig anzufangen, daß nämlich das Schreiben gefälligst im Gymnasium zu lernen sei. Natürlich gehört Schreiben zur Allgemeinbildung, aber wer würde bezweifeln, daß auch diese Kunst lang ist und nicht mit dem Abitur endet. In jedem Fach dient das Schreiben auf andere Weise dem Denken und Forschen. Wer darauf verzichtet, das Schreiben im Fach zu lehren, verzichtet auf eines der besten Mittel, das Denken im Fach zu lehren. Wo es aber am kognitiv orientierten Schreiben fehlt, dort fehlt es auch am rhetorisch orientierten Schreiben, und dort markiert am Ende das eigene Fach die Grenze des Denkens.
Einen stark fachlich ausgerichteten Schreib-Guide Geschichte hat der Wiener Böhlau-Verlag aus dem Amerikanischen übersetzt und für den deutschsprachigen Raum adaptiert. Der darin enthaltene Aufsatz von Toby Fulwiler ist von grundlegender und fächerübergreifender Bedeutung. Fulwiler, der große Prediger des akademischen Journals, präsentiert hier gute Argumente für seinen missionarischen Eifer. Das Buch ist angemessen und klar strukturiert, es verfolgt realistische Lernziele für Studienanfänger und sollte in Deutschland an historischen Seminaren unter Androhung harter Strafen zur Pflichtlektüre gemacht werden. Wünschenswert wären ähnliche, disziplinär orientierte Lehrbücher für alle Fächer.
Von den Studierenden vieler Fächer geradezu geliebt wird Otto Kruse mit seinem Lebenshelfer "Keine Angst vor dem leeren Blatt". Das Buch strahlt Wärme aus und läßt die wohltuende Stimme des Autors als einer menschlich zugewandten Autorität durchklingen. Uedings Bannstrahl gegen die Psychologisierer trifft den Psychologen Kruse nicht. Dazu ist sein Buch viel zu pragmatisch und vernünftig. Er legt großen Wert darauf, "Schreibanregungen" zu geben, ganz im Sinne des Vielschreibens. Der Untertitel "Ohne Schreibblockaden durchs Studium" klingt gut, stapelt aber sehr tief. Besser passen würde "Mit einer Menge guter Schreibübungen das Studium als denkender Mensch genießen". Wer im Laufe seiner Universitätszeit nicht dazukommt, dieses Buch mindestens einmal von vorne bis hinten durchzuarbeiten, ist ein unordentlicher Student.
Eher entbehrlich, aber auch mit viel Gewinn zu lesen ist Norbert Francks sportlich auftretendes Büchlein "Fit fürs Studium". Franck ist allerdings eher der Heribert Faßbender als der Sepp Herberger des akademischen Schreibens. Er leitet nicht an, sondern kommentiert verrissene Steilpässe und zweifelhafte Abseitsstellungen. Genüßlich spießt er Marotten wissenschaftlicher Wortwahl auf. Ein klares Foul ist sein Versuch, das konkurrierende Buch von Kruse dadurch abzuwerten, daß er Zitate daraus als Beispiele für mißlungene Texte heranzieht.
Obwohl Lutz von Werder die amerikanischen Vorbilder intensiver rezipiert als alle anderen deutschen Autoren, sollte man von seinen zahlreichen Büchern abraten, besonders von denen, die sich speziell dem wissenschaftlichen Schreiben zuwenden. Bei den Amerikanern gehört das Kapitel "How to Avoid Plagiarism" zum Standard. Werder stellt das Thema nicht gerade in den Mittelpunkt. An seinem Lehrbuch des wissenschaftlichen Schreibens ließe sich zeigen, wie mühevoll die unsichtbare Arbeit eines Verlagslektors manchmal sein kann - hier wird sie durch Abwesenheit sichtbar. Die in planloser Überfülle ausgebreiteten Schreibübungen erwecken zum Teil den Eindruck, nicht in der Praxis erprobt worden zu sein. Wer das Schreiben lehrt, wird dennoch bei Werder viele Übungsbeispiele finden, die wie aufgepickte Goldkörner in einem anderen Kontext glänzen könnten.
Es sind vor allem Frauen, die an den Universitäten das Schreiben lehren. Ausgehend von der Universität Bielefeld, wo sich Andrea Frank mit ihrem "Schreiblabor" zunächst an amerikanischen Vorbildern orientierte, hat sich ein kleines Netzwerk von Schreibzentren und Schreibschulen herausgebildet. Das nordrhein-westfälische Bildungsministerium hat einige Schreibzentren zeitweilig als "Leuchtturmprojekte" gefördert. An der Ruhruniversität in Bochum ist daraus wie zuvor in Bielefeld eine feste Einrichtung geworden. Aber das Kölner Schreibzentrum mit seiner starken Orientierung auf Weiterbildung von Hochschulabsolventen in schreibintensiven Berufen scheint sich im Verteilungskampf der Fächer um Geld und Stellen nicht durchsetzen zu können. Das Bündnis mit den Fakultäten ist für die Einrichtung eines Schreibzentrums wahrscheinlich mindestens so entscheidend wie für sein dauerhaftes Überleben und seinen inhaltlichen Erfolg. Wer die deutsche Universität für unreformierbar hält, kann sich vielleicht damit trösten, daß auch in den USA ein beträchtlicher Teil der einschlägigen Literatur den Überlebensstrategien von Schreibzentren gewidmet ist.
Was diese Einrichtungen in Deutschland leisten, beschreiben Kruse, Jakobs und Ruhmann in dem Sammelband "Schlüsselkompetenz Schreiben". Die Kongreßdokumentation vereinigt Beiträge sehr unterschiedlicher Qualität zu inhaltlichen und reformpolitischen Aspekten des akademischen Schreibens. Der Bezug auf amerikanische Modelle ist dabei erstaunlich schwach ausgeprägt. Dafür werden Ansätze zu einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit sichtbar. Eine Politik des akademischen Schreibens, die nur vordergründig auf die Verkürzung von Studienzeiten ausgerichtet ist, hat in Dänemark und den Niederlanden beachtliche Erfolge erzielt. In Kopenhagen richtet sich das Angebot eines Schreibzentrums vor allem an Studierende, in Groningen waren die Dozenten die Zielgruppe eines mit strategischem Weitblick angelegten Fortbildungsprogramms. Beide Universitäten unterhalten dazu aussagekräftige Internetseiten (http://www.hum.ku.dk/formidling und http://odur.let.rug.nl/projects/asv).
Die Chancen für eine Renaissance des Schreibens an deutschen Hochschulen stehen nicht schlecht. Gert Ueding öffnet in seinem Einführungsbuch den Blick dafür, daß es hier eigentlich um nichts anderes als um eine Renaissance der klassischen Rhetorik geht. So überschaubar und teilweise bedroht entsprechende Initiativen in Deutschland immer noch sind, Schreibzentren und Schreibdidaktik könnten das Fleisch sein, das an manches Reformskelett gehört. Die große Zahl der Neuberufungen an allen Fakultäten bietet die Chance inhaltlicher und methodischer Erneuerung. Das neue Hochschuldienstrecht, das sich gegenwärtig in der Abstimmung zwischen Bund und Ländern befindet und schon zum 1. Januar 2002 in Kraft treten soll, wird individuelle Leistungszulagen bei der Besoldung vorsehen, die jeweils nach objektiver Begründung verlangen. Leistungen zur Verbesserung der Lehre lassen sich im Rahmen der Lehre des akademischen Schreibens besonders einfach darstellen und vergleichen.
Zahlreiche Curricula werden im Rahmen der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge neu definiert. Hier kann eine Stärkung des akademischen Schreibens zum differenzierenden Qualitätsmerkmal werden. Verschiedene strukturelle Maßnahmen zielen auf die Verkürzung der Studienzeiten, inhaltliche Verbesserungen der Lehre müssen hinzutreten. Denn häufig werden zwar die Lehrveranstaltungen eines Studienganges zügig absolviert, die Gesamtstudienzeit aber durch eine verschleppte Abschlußarbeit in die Länge gezogen.
Wenn den Hochschulen künftig im Rahmen von Hochschulverträgen ihre Mittel auch nach dem Kriterium zugemessen werden, wie viele Studenten den Abschluß in der Regelstudienzeit erreichen, dann werden die bisher sanktionslosen Mängel bei der Unterweisung im akademischen Schreiben zum Kostenfaktor. Zum Einnahmeposten kann die Lehre des Schreibens werden, wenn sich die Hochschulen der Weiterbildung öffnen. Dann können sie mit ihren eigenen Versäumnissen der Vergangenheit gutes Geld machen. Studiengebühren greifen als Steuerungsinstrument, wenn zahlende Studenten durch selektive Nachfrage qualitätsbildend wirken. Schreibzentren werden zu dem gehören, wofür sie zahlen wollen.
Hochschulräte, die in einigen Bundesländern die Entwicklung ihrer Einrichtung ähnlich wie der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft begleiten, sich aber nicht in die Angelegenheiten eines jeden Institutes einmischen, könnten die Einführung von Schreibzentren und Schreibprogrammen auf ihre Agenda setzen.
Schließlich ließe sich vielleicht auch die Habilitation retten, wenn ordentlich geschrieben würde. Es wird darüber geklagt, daß eine Habilitation zuviel Zeit in Anspruch nimmt. Welche sperrigen Texte bei der langwierigen Arbeit oft herauskommen, ist nicht einmal der Rede wert. Über die Zukunft der Habilitation diskutieren heißt über das akademische Schreiben diskutieren. Die Habilitation als Qualifikationsweg durch einen Assistenten neuen Typs, den selbständigeren Juniorprofessor, zu ersetzen greift wahrscheinlich zu kurz.
Umberto Eco gibt einen guten Rat, den einige der anderen Lehrbücher gerne übernehmen: Wer eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreiben wolle, solle eine schreiben, die er schreiben kann. Aber gelegentlich kommt es darauf an, die Grenze dessen, was man kann, zu verschieben. Das akademische Schreiben ist wichtig genug, es immer besser machen zu wollen. Die Besatzung der Apollo 13 wußte erst gegen Ende der Reise, was alles nicht ging und was sie alles konnte. Der Atemluftfilter hat funktioniert. Die Mission kam zwar nicht bis hinauf zum Mond, aber heim zu Mom.
GEORG EICKHOFF
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die akademische Prosa kann nur besser werden: Ratgeber und Lehrmethoden für das Verfassen wissenschaftlicher Texte
Die Besatzung der Apollo 13 entkam nur knapp der Katastrophe. Ein Sauerstofftank explodierte, und die Filterung der Atemluft versagte. Weil die Astronauten an Bord vollauf damit beschäftigt waren, ihre Raumkapsel auf Kurs zur Erde zu bringen, mußte die Bodentruppe an ihrer Stelle eine schnelle Lösung finden. Das ist die Story des Apollo-13-Films mit Tom Hanks und Ed Harris. Im Kontrollzentrum in Houston schüttet ein kleiner, untersetzter, italienisch aussehender Ingenieur einen Sack voll Krempel auf den Tisch, der in gleicher Form irgendwo in der Kapsel vorkommt: "Daraus müssen wir so schnell es geht einen Atemluftfilter basteln und den Kameraden die Bauanleitung durchgeben."
Wenn das Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit wie die Heimkehr der Apollo 13 ist, dann ist Umberto Eco der kleine, untersetzte Ingenieur. Mit seinem Longseller "Wie man eine wissenschaftliche Abschlussarbeit schreibt" versucht er die Last-minute-Lösung für ein Problem zu liefern, an das man besser früher gedacht hätte. Die große Beliebtheit des Ratgebers, dessen deutsche Übersetzung mittlerweile in der achten Auflage vorliegt, ist ein Hinweis auf die anhaltend absurde Situation des akademischen Schreibens in Deutschland.
Eco gibt viele gute Ratschläge, aber sie sind offenbar an einen Studenten gerichtet, der gegen Ende seines Studiums zum erstenmal darüber nachdenkt, was wissenschaftliches Schreiben überhaupt ist. Das Buch spiegelt die Situation wider, die in den siebziger Jahren an italienischen Universitäten bestand. Ecos Ratgeber sollte in Deutschland trotz allem nicht mehr empfohlen werden, denn so schlimm ist es an den hiesigen Hochschulen doch nicht.
Alljährlich von August bis November findet man in den Vereinigten Staaten eine Sonderausgabe des Time Magazine an den Kiosken. "The Best College for You" steht in riesigen Buchstaben darauf. Dieser Ratgeber kürt auch das College des Jahres. Für 2001 wurde der Titel in vier Kategorien an vier Hochschulen vergeben, die eines gemeinsam haben: Sie bieten ihren Studierenden herausragende Veranstaltungen und Einrichtungen zum akademischen Schreiben. Etwa die Hälfte aller amerikanischen Hochschulen verfügt über ein fächerübergreifendes Writing Program und ein Writing Center. Nur wenige erreichen dabei dieselbe Qualität wie die vier "Colleges of the Year 2001". Ein Schreibzentrum unterhalten alle Forschungsuniversitäten der Ivy League, aber nur die Cornell University bekam den begehrten Titel.
Jonathan B. Monroe, der in Konstanz Vergleichende Literaturwissenschaft studiert hat, leitet das campusweite Schreibprogramm in Cornell. Er ist zugleich Associate Dean am College for Arts and Sciences und verfügt über ansehnliche Mittel aus der Stiftung eines Zeitungsverlegers. Auf den Internetseiten seines John S. Knight Institute for Writing in the Disciplines (http://www.arts.cornell.edu/knight_institute) kann man sich durch ein Schlaraffenland des akademischen Schreibens klicken. Da gibt es wirklich alles: von bezahlter und prämierter Fortbildung für Professoren über eigene Stipendien bis hin zum Programm Knight-Scholar-in-Residence.
Damit repräsentiert die Cornell University die höchste Ausbaustufe einer institutionellen Entwicklung, die seit den siebziger Jahren quer durch die USA von der "Writing across the Curriculum"-Bewegung vorangetrieben wurde. Als differenziertes Netzwerk ist die Bewegung im Internet umfassend abgebildet. Die Seiten der National Writing Centers Association (http://nwca.syr.edu) erlauben einen breiten Zugriff auf Informationen über Institutionen und praktische Aspekte des akademischen Schreibens. Stärker redaktionell bearbeitet ist das Internet-Portal der Colorado State University zum akademischen Schreiben (http://aw.colostate.edu). Es bietet von bibliographischen Hilfen bis hin zu elektronischen Büchern im Volltext wohldosierte und relevante Ressourcen. Hier finden sich auch Antworten auf eine Schlüsselfrage, die hinter allen Bemühungen um das akademische Schreiben steckt: "How can I avoid to get lousy student papers?" Beide Angebote richten sich vor allem an Lehrende.
Studierende in den USA besuchen Schreibkurse, die in den meisten Studiengängen verpflichtend sind und häufig in Zusammenarbeit mit einem Writing Center angeboten werden - das organisiert in der Regel die Fortbildung der Lehrenden verschiedener Fachbereiche und bietet individuelle Schreibberatung für Studierende an. In der Regel stehen Computer-Arbeitsplätze und eine auf die Schreibkunst ausgerichtete Handbibliothek zur Verfügung. Wenn diese gut sortiert ist, findet sich in ihren Regalen das hervorragende Lehrbuch The Craft of Research. Seine Autoren vermuten hinter der vieldiskutierten Schreibblockade nicht selten eine Denkblockade, eine Wissenslücke oder beides. Deshalb kommen Booth, Colomb und Williams erst auf Seite 150, genau in der Mitte ihres Buches, zum Schreiben im engeren Sinne. Wer ihnen bis dahin aktiv gefolgt ist, was nicht schwerfällt, hat einen soliden Grundkurs in Logik und Argumentation absolviert und nebenbei gutes Englisch in gediegener Typographie genossen. Ein Bildungserlebnis.
Der Tübinger Rhetorik-Professor Gert Ueding hält wenig von der Psychologisierung der Schreibblockade. Die Beseitigung der "kognitiven" Ursachen, die viel häufiger seien, "als es gerade die psychologisch orientierten Theoretiker wahrhaben wollen", genüge in den meisten Fällen zur Behandlung der Störung. Damit plädiert er in seiner Rhetorik des Schreibens für die Schulmedizin der klassischen Rhetorik und gegen die Heilpraktiker des Kreativen Schreibens.
Mit gleicher Vehemenz verteidigt Ueding das Vielschreiben gegen seine Verächter und trifft sich auch darin mit den Amerikanern. Nulla dies sine linea ist der wichtigste Rat der Meister des academic writing. Deshalb legen sie großen Wert auf das wissenschaftliche Journal. Der freien Form nach angesiedelt zwischen intimem Tagebuch und pragmatischem Forschungsbericht, gleicht das akademische Journal jenen hypomnemata, die schon Platon beunruhigten und noch den späten Michel Foucault faszinierten.
Das Journal schafft tägliche Anlässe für das, was die Amerikaner "writing to learn" nennen. Erst an zweiter Stelle geht es ihnen um "learning to write". Deshalb wissen sie mit dem Einwand deutscher Professoren wenig anzufangen, daß nämlich das Schreiben gefälligst im Gymnasium zu lernen sei. Natürlich gehört Schreiben zur Allgemeinbildung, aber wer würde bezweifeln, daß auch diese Kunst lang ist und nicht mit dem Abitur endet. In jedem Fach dient das Schreiben auf andere Weise dem Denken und Forschen. Wer darauf verzichtet, das Schreiben im Fach zu lehren, verzichtet auf eines der besten Mittel, das Denken im Fach zu lehren. Wo es aber am kognitiv orientierten Schreiben fehlt, dort fehlt es auch am rhetorisch orientierten Schreiben, und dort markiert am Ende das eigene Fach die Grenze des Denkens.
Einen stark fachlich ausgerichteten Schreib-Guide Geschichte hat der Wiener Böhlau-Verlag aus dem Amerikanischen übersetzt und für den deutschsprachigen Raum adaptiert. Der darin enthaltene Aufsatz von Toby Fulwiler ist von grundlegender und fächerübergreifender Bedeutung. Fulwiler, der große Prediger des akademischen Journals, präsentiert hier gute Argumente für seinen missionarischen Eifer. Das Buch ist angemessen und klar strukturiert, es verfolgt realistische Lernziele für Studienanfänger und sollte in Deutschland an historischen Seminaren unter Androhung harter Strafen zur Pflichtlektüre gemacht werden. Wünschenswert wären ähnliche, disziplinär orientierte Lehrbücher für alle Fächer.
Von den Studierenden vieler Fächer geradezu geliebt wird Otto Kruse mit seinem Lebenshelfer "Keine Angst vor dem leeren Blatt". Das Buch strahlt Wärme aus und läßt die wohltuende Stimme des Autors als einer menschlich zugewandten Autorität durchklingen. Uedings Bannstrahl gegen die Psychologisierer trifft den Psychologen Kruse nicht. Dazu ist sein Buch viel zu pragmatisch und vernünftig. Er legt großen Wert darauf, "Schreibanregungen" zu geben, ganz im Sinne des Vielschreibens. Der Untertitel "Ohne Schreibblockaden durchs Studium" klingt gut, stapelt aber sehr tief. Besser passen würde "Mit einer Menge guter Schreibübungen das Studium als denkender Mensch genießen". Wer im Laufe seiner Universitätszeit nicht dazukommt, dieses Buch mindestens einmal von vorne bis hinten durchzuarbeiten, ist ein unordentlicher Student.
Eher entbehrlich, aber auch mit viel Gewinn zu lesen ist Norbert Francks sportlich auftretendes Büchlein "Fit fürs Studium". Franck ist allerdings eher der Heribert Faßbender als der Sepp Herberger des akademischen Schreibens. Er leitet nicht an, sondern kommentiert verrissene Steilpässe und zweifelhafte Abseitsstellungen. Genüßlich spießt er Marotten wissenschaftlicher Wortwahl auf. Ein klares Foul ist sein Versuch, das konkurrierende Buch von Kruse dadurch abzuwerten, daß er Zitate daraus als Beispiele für mißlungene Texte heranzieht.
Obwohl Lutz von Werder die amerikanischen Vorbilder intensiver rezipiert als alle anderen deutschen Autoren, sollte man von seinen zahlreichen Büchern abraten, besonders von denen, die sich speziell dem wissenschaftlichen Schreiben zuwenden. Bei den Amerikanern gehört das Kapitel "How to Avoid Plagiarism" zum Standard. Werder stellt das Thema nicht gerade in den Mittelpunkt. An seinem Lehrbuch des wissenschaftlichen Schreibens ließe sich zeigen, wie mühevoll die unsichtbare Arbeit eines Verlagslektors manchmal sein kann - hier wird sie durch Abwesenheit sichtbar. Die in planloser Überfülle ausgebreiteten Schreibübungen erwecken zum Teil den Eindruck, nicht in der Praxis erprobt worden zu sein. Wer das Schreiben lehrt, wird dennoch bei Werder viele Übungsbeispiele finden, die wie aufgepickte Goldkörner in einem anderen Kontext glänzen könnten.
Es sind vor allem Frauen, die an den Universitäten das Schreiben lehren. Ausgehend von der Universität Bielefeld, wo sich Andrea Frank mit ihrem "Schreiblabor" zunächst an amerikanischen Vorbildern orientierte, hat sich ein kleines Netzwerk von Schreibzentren und Schreibschulen herausgebildet. Das nordrhein-westfälische Bildungsministerium hat einige Schreibzentren zeitweilig als "Leuchtturmprojekte" gefördert. An der Ruhruniversität in Bochum ist daraus wie zuvor in Bielefeld eine feste Einrichtung geworden. Aber das Kölner Schreibzentrum mit seiner starken Orientierung auf Weiterbildung von Hochschulabsolventen in schreibintensiven Berufen scheint sich im Verteilungskampf der Fächer um Geld und Stellen nicht durchsetzen zu können. Das Bündnis mit den Fakultäten ist für die Einrichtung eines Schreibzentrums wahrscheinlich mindestens so entscheidend wie für sein dauerhaftes Überleben und seinen inhaltlichen Erfolg. Wer die deutsche Universität für unreformierbar hält, kann sich vielleicht damit trösten, daß auch in den USA ein beträchtlicher Teil der einschlägigen Literatur den Überlebensstrategien von Schreibzentren gewidmet ist.
Was diese Einrichtungen in Deutschland leisten, beschreiben Kruse, Jakobs und Ruhmann in dem Sammelband "Schlüsselkompetenz Schreiben". Die Kongreßdokumentation vereinigt Beiträge sehr unterschiedlicher Qualität zu inhaltlichen und reformpolitischen Aspekten des akademischen Schreibens. Der Bezug auf amerikanische Modelle ist dabei erstaunlich schwach ausgeprägt. Dafür werden Ansätze zu einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit sichtbar. Eine Politik des akademischen Schreibens, die nur vordergründig auf die Verkürzung von Studienzeiten ausgerichtet ist, hat in Dänemark und den Niederlanden beachtliche Erfolge erzielt. In Kopenhagen richtet sich das Angebot eines Schreibzentrums vor allem an Studierende, in Groningen waren die Dozenten die Zielgruppe eines mit strategischem Weitblick angelegten Fortbildungsprogramms. Beide Universitäten unterhalten dazu aussagekräftige Internetseiten (http://www.hum.ku.dk/formidling und http://odur.let.rug.nl/projects/asv).
Die Chancen für eine Renaissance des Schreibens an deutschen Hochschulen stehen nicht schlecht. Gert Ueding öffnet in seinem Einführungsbuch den Blick dafür, daß es hier eigentlich um nichts anderes als um eine Renaissance der klassischen Rhetorik geht. So überschaubar und teilweise bedroht entsprechende Initiativen in Deutschland immer noch sind, Schreibzentren und Schreibdidaktik könnten das Fleisch sein, das an manches Reformskelett gehört. Die große Zahl der Neuberufungen an allen Fakultäten bietet die Chance inhaltlicher und methodischer Erneuerung. Das neue Hochschuldienstrecht, das sich gegenwärtig in der Abstimmung zwischen Bund und Ländern befindet und schon zum 1. Januar 2002 in Kraft treten soll, wird individuelle Leistungszulagen bei der Besoldung vorsehen, die jeweils nach objektiver Begründung verlangen. Leistungen zur Verbesserung der Lehre lassen sich im Rahmen der Lehre des akademischen Schreibens besonders einfach darstellen und vergleichen.
Zahlreiche Curricula werden im Rahmen der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge neu definiert. Hier kann eine Stärkung des akademischen Schreibens zum differenzierenden Qualitätsmerkmal werden. Verschiedene strukturelle Maßnahmen zielen auf die Verkürzung der Studienzeiten, inhaltliche Verbesserungen der Lehre müssen hinzutreten. Denn häufig werden zwar die Lehrveranstaltungen eines Studienganges zügig absolviert, die Gesamtstudienzeit aber durch eine verschleppte Abschlußarbeit in die Länge gezogen.
Wenn den Hochschulen künftig im Rahmen von Hochschulverträgen ihre Mittel auch nach dem Kriterium zugemessen werden, wie viele Studenten den Abschluß in der Regelstudienzeit erreichen, dann werden die bisher sanktionslosen Mängel bei der Unterweisung im akademischen Schreiben zum Kostenfaktor. Zum Einnahmeposten kann die Lehre des Schreibens werden, wenn sich die Hochschulen der Weiterbildung öffnen. Dann können sie mit ihren eigenen Versäumnissen der Vergangenheit gutes Geld machen. Studiengebühren greifen als Steuerungsinstrument, wenn zahlende Studenten durch selektive Nachfrage qualitätsbildend wirken. Schreibzentren werden zu dem gehören, wofür sie zahlen wollen.
Hochschulräte, die in einigen Bundesländern die Entwicklung ihrer Einrichtung ähnlich wie der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft begleiten, sich aber nicht in die Angelegenheiten eines jeden Institutes einmischen, könnten die Einführung von Schreibzentren und Schreibprogrammen auf ihre Agenda setzen.
Schließlich ließe sich vielleicht auch die Habilitation retten, wenn ordentlich geschrieben würde. Es wird darüber geklagt, daß eine Habilitation zuviel Zeit in Anspruch nimmt. Welche sperrigen Texte bei der langwierigen Arbeit oft herauskommen, ist nicht einmal der Rede wert. Über die Zukunft der Habilitation diskutieren heißt über das akademische Schreiben diskutieren. Die Habilitation als Qualifikationsweg durch einen Assistenten neuen Typs, den selbständigeren Juniorprofessor, zu ersetzen greift wahrscheinlich zu kurz.
Umberto Eco gibt einen guten Rat, den einige der anderen Lehrbücher gerne übernehmen: Wer eine wissenschaftliche Abschlußarbeit schreiben wolle, solle eine schreiben, die er schreiben kann. Aber gelegentlich kommt es darauf an, die Grenze dessen, was man kann, zu verschieben. Das akademische Schreiben ist wichtig genug, es immer besser machen zu wollen. Die Besatzung der Apollo 13 wußte erst gegen Ende der Reise, was alles nicht ging und was sie alles konnte. Der Atemluftfilter hat funktioniert. Die Mission kam zwar nicht bis hinauf zum Mond, aber heim zu Mom.
GEORG EICKHOFF
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Auch in der 11. Auflage immer noch ein guter Einstieg ins Thema wissenschaftliches Arbeiten. Mit hilfreichen Übersichten und Hinweisen für Studienanfänger*innen und -fortgeschrittene.« David Kreitz, socialnet, 08.04.2024