Daniel Berrys Kindheit ist im wahrsten Sinne des Wortes bewegt. Regelmäßig sticht seine Mutter Eve blind eine Nadel in eine Karte und bestimmt so den neuen Aufenthaltsort für die nächsten Monate. Freundschaften, Verbundenheit, Wurzeln - all das kennt Daniel nicht. Doch das ändert sich, als Mutter
und Sohn eines Tages in Norfolk die Nachbarn der Familie Marsh werden, die die beiden unter ihre…mehrDaniel Berrys Kindheit ist im wahrsten Sinne des Wortes bewegt. Regelmäßig sticht seine Mutter Eve blind eine Nadel in eine Karte und bestimmt so den neuen Aufenthaltsort für die nächsten Monate. Freundschaften, Verbundenheit, Wurzeln - all das kennt Daniel nicht. Doch das ändert sich, als Mutter und Sohn eines Tages in Norfolk die Nachbarn der Familie Marsh werden, die die beiden unter ihre Fittiche nehmen und in ihr Familienleben integrieren. Besonders im Vater Leslie findet Daniel endlich eine Bezugsperson, die ihm beibringt, was Zugehörigkeit bedeutet. Aber das Glück währt nicht lange, denn eines Tages geschieht etwas, was Eve dazu bringt, wieder einmal Hals über Kopf alles hinter sich zu lassen.
30 Jahre später lebt Daniel auf der Straße. Seine Freundin hat ihn verlassen, sein Vermieter hat ihm gekündigt, was aus Eve geworden ist, erfahren wir vorerst nicht. Daniel weiß nicht weiter. Bis ihm jener Ort einfällt, an dem er als Kind glücklich war. Ein Haus mit Flamingos im Garten. Das Haus der Familie Marsh.
“Flamingo” von Rachel Elliott gehört zu jenen Büchern, deren Besprechung ich schon seit Wochen vor mir herschiebe, weil ich einfach nicht viel dazu zu sagen habe. Das liegt nicht daran, dass es mir nicht gefallen hätte, denn, seien wir ehrlich, in dem Fall hätte ich einiges dazu zu sagen. “Flamingo” gehört eher zu jenen Büchern, die meinen persönlichen Geschmack getroffen, mich aber nicht völlig vom Hocker gerissen haben. Eine Art besinnliche Zufriedenheit sozusagen, die mit einem lapidaren “fand ich gut” zur Genüge umrissen ist.
Was ich in Fällen solcher hemmenden Einfallslosigkeit tue: Ich schaue mir Rezensionen von Lesern an, die das Buch schrecklich fanden, um entweder etwas zu finden, was ich dann tatsächlich doch noch bemängeln, oder aber zumindest verteidigen kann. Und siehe da, ich wurde fündig. Vorhersehbarkeit des Plots und verharmlosende Darstellung des Obdachlosenlebens lautet die Anklage. Meine innere Löwenmutter wird von diesen Vorwürfen nicht geweckt, denn ganz von der Hand zu weisen sind sie nicht. Aber für mich standen eher die Konstellationen, die zwischen den einzelnen Personen entstehen, im Mittelpunkt. Beziehungen, die sich aus den eigenen Bedürfnissen entwickeln, in ihrer Konsequenz aber oft auch Dritte betreffen und diese für ihr Leben prägen, wenn nicht sogar beschädigen. Das war für mich das eigentlich spannende Thema dieses Romans. Und das fand ich sehr gut umgesetzt. Vor allem dadurch, dass man als Leser mehr weiß, als die Charaktere selbst, sodass man die Entwicklung der Dinge sehr nah verfolgen kann, es zum anderen aber immer noch genug dem Leser Verborgenes gibt, um bei der weiteren Entwicklung mitzufiebern.
Inspiriert durch die Kritik anderer Leser ist mir dann auch doch noch ein eigener Kritikpunkt eingefallen. Teilen kann ich ihn hier leider nicht, denn das verbietet die Spoiler-Etikette. Aber ich kann zumindest verraten, dass er meinen Gesamteindruck nicht geschmälert hat. Oder man könnte sogar sagen: Es ist erstaunlich, dass er meinen Gesamteindruck nicht geschmälert hat. Da ist es anderen Büchern mit einem ähnlichen Manko schon schlechter ergangen. Bei Elliott bin ich jedenfalls offen für weitere Bücher aus ihrer Feder. Ich würde mich auch über eine Fortsetzung zu “Flamingo” freuen, denn mit den Berrys und den Marshes würde ich gerne noch mehr Zeit verbringen. Leseempfehlung!