Flanders Fields ist eine fotografische Spurensuche auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges in der Gegend um Ypern, Belgien, in der alliierte und deutsche Soldaten zu hunderttausenden starben. Die visuelle Vermittlung der vielschichtigen Identität der Landschaft provoziert die Imagination des Betrachters und regt einen Prozess der subjektiven und objektiven Reflexion an. Die dargestellte Landschaft wird so zu einer Metapher für die kollektive historische Erinnerung des zwanzigsten Jahrhunderts.
Die einzigen Farbtupfen, die die Soldaten des Ersten Weltkriegs in der Schlachtfeldwüste von Flandern sahen, war der rotblühende Mohn. Der britische Dichter Wilfried Owen hat ihn mit seinem Gedicht "In Flanders Fields" unvergessen gemacht - der Mohn ist bis heute das Sinnbild dieses Kriegs. Der Dichter selbst fiel, eine Woche bevor der Krieg endete. Neunzig Jahre später ist der Fotograf Stefan Boness immer wieder in die Gegend um die westflämische Stadt Ypern gereist. Im Jahr 1914 entbrannte dort ein Stellungskrieg, der Hunderttausenden von Menschen das Leben kostete. Boness spürte die Narben auf, die der Krieg in der Landschaft hinterlassen hat. Auf den ersten Blick scheint Flandern eine Region wie viele andere in Westeuropa zu sein, doch schaut man genauer hin, finden sich überall Zeichen vom Schrecken der Geschichte: die Reste eines Bunkers, versteckt zwischen Wurzelwerk; ein Soldatenfriedhof, davor weiden Kühe; ein Schützengraben, darin spielen Kinder. Auch dem, was nicht mehr gezeigt werden kann, widmet Stefan Boness Bilder. Da ist ein frisch gepflügter Acker, im Dezember 1917 verlief hier die Front - ein liebliches Wäldchen, hier starben Hunderte von Soldaten - ein kleiner See auf einer Lichtung, es ist das Einschlagsloch einer Granate - eine Reihe windzerzauster Maisstauden unter dunklem Himmel, hier verlief im Juni 1917 die Front. Der Krieg ist abwesend und ist es doch nicht. Das aber verraten nur die Titel der Fotografien. Wir betrachten die vordergründig harmlosen Motive und laden sie mit unseren eigenen Assoziationen zum Ersten Weltkrieg auf. Dessen Nachwirkungen, die Melancholie, die man in Flandern finden kann, macht der Fotograf durch seine Ästhetik und seine präzisen Ausschnitte präsent. Stefan Boness hat Flandern in allen vier Jahreszeiten besucht. Er hat alle Stimmungen eingefangen, die sich den Soldaten dort boten. Die Soldaten, die nicht vorher im Kampf ums Leben kamen, verbrachten vier Jahre in Flandern. (kkr)
"Flanders Fields" von Stefan Boness. Verlag für Bildschöne Bücher, Berlin 2008. 108 Seiten, 52 Farbfotos. Gebunden, 35 Euro. Fotos von Stefan Boness sind noch bis 3. Januar in der Ausstellung "Flanders Fields" zu sehen (Galerie Degenhartt, Ackerstraße 14/15, 10115 Berlin - Öffnungszeiten: dienstags bis samstags von 13.00 bis 18.00 Uhr. Im Internet: www.galerie-degenhartt.de und www.iponphoto.com.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Frei von dem Versuch patriotischer Sinngebung, bietet dieser "aufwendig gestaltete" Fotoband für Christoph Jahr die Chance, genauer hinzusehen. Was der Fotograf Stefan Boness in seinen Bildern systematisch zu Tage fördert, sind die Spuren des Ersten Weltkrieges rund um Ypern. Erscheinen ihm die Aufnahmen von verfallenen Bunkern und Soldatenfriedhöfen voll Melancholie, erfasst Jahr in Anbetracht ehemaliger Frontabschnitte dann doch ein Schaudern: Hier wurde Gewaltgeschichte geschrieben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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