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14. Juli 1864, Windstärke elf, kurz vor Kap Hoorn: eine Flaschenpost wird auf die Reise geschickt, die bis heute unser Verständnis vom Meer und von globalen Zusammenhängen prägt. Denn mit dieser und vielen weiteren Flaschen, die mit der Bitte um Rücksendung gefüllt waren, begründete der Geophysiker und Polarforscher Georg Neumayer die maritime Strömungsforschung. Sein groß angelegtes Experiment dokumentierte er in Alben, in denen er über 600 Antworten auf die schwimmenden Botschaften sammelte. Die Alben betrachtend, berichtet Wolfgang Struck von den oft rätselhaften Routen der Flaschen, aber…mehr

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Produktbeschreibung
14. Juli 1864, Windstärke elf, kurz vor Kap Hoorn: eine Flaschenpost wird auf die Reise geschickt, die bis heute unser Verständnis vom Meer und von globalen Zusammenhängen prägt. Denn mit dieser und vielen weiteren Flaschen, die mit der Bitte um Rücksendung gefüllt waren, begründete der Geophysiker und Polarforscher Georg Neumayer die maritime Strömungsforschung. Sein groß angelegtes Experiment dokumentierte er in Alben, in denen er über 600 Antworten auf die schwimmenden Botschaften sammelte. Die Alben betrachtend, berichtet Wolfgang Struck von den oft rätselhaften Routen der Flaschen, aber auch von den Kapitänen und Passagieren, die sie aussetzten, von Fischern, Strandgutsammlerinnen und Hafenbeamten, die sie fanden - und weitet seinen Blick auf den überaus spannenden wissenschafts- und kulturgeschichtlichen Weg, den die Flaschenpost nicht erst seit Neumayers Experiment zurücklegte.Ein reich bebilderter und bibliophil ausgestatteter Band über eine eigenwillige Form der Nachrichtenübermittlung, die seit mehr als 150 Jahren Wissenschafts- und Kulturgeschichte geschrieben hat.
Autorenporträt
Wolfgang Struck ist Professor für Neuere deutsche Literatur an der Universität Erfurt. Sein Interesse gilt den vielfältigen Überlagerungen von Literatur, Wissen und Wissenschaft. Geschrieben hat er unter anderem über die fatale Verknüpfung von Kolonialismus und Abenteuer, verschollene Forschungsreisende und die Fantasie von Seekarten.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Was Flaschenpost, Meeresströmungen und Kolonialismus miteinander zu tun haben, erschließt sich Rezensent Günther Wessel ansprechend und lehrreich in Wolfgang Strucks "Flaschenpost." Der Literaturwissenschaftler Struck macht sich darin auf die Spur des Physikers Neumayer, der anhand der Bewegungskoordinaten von Flaschenposten Strömungen berechnen wollte, erfahren wir. Klug analysiert er die Überbleibsel dieses Projekts, lobt Wessel, und vermag es, die Leser*innen mit einer Kulturgeschichte der Flaschenpost zu faszinieren, die interessante Verbindungen zu so unterschiedlichen Themen wie Literatur oder Kolonialverwaltungen herstellt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.2022

Schaukelnd auf der Meere Wellen

Der Weg der Flaschen: Wolfgang Struck blättert in alten Unterlagen eines mit einfachen Mitteln durchgeführten maritimen Experiments.

Vergilbte Blätter mit ausgefransten Rändern, geschwungene Handschriften, Ortsangaben weit entfernter Inseln - schon bald, nachdem man "Flaschenpost" aufgeschlagen hat, fühlt man sich ins neunzehnte Jahrhundert zurückversetzt. Die Welt erschien damals noch groß, ganze Regionen waren noch kaum kartographiert, die Weltmeere weitgehend unerforscht. Doch Kolonialismus und wissenschaftlicher Entdeckerdrang hatten längst das eingeläutet, was heute Globalisierung genannt wird.

In dieser Zeit begann ein aus der Pfalz stammender Mann namens Georg Neumayer ein Projekt, das zu seinem späteren Ruhm - die modernste deutsche Antarktis-Station ist nach ihm benannt - beitragen sollte. Noch lange bevor Satelliten erfunden waren, setzte er dazu an, die Meeresströmungen zu erforschen. Dabei nutzte Neumayer eine so einfache wie raffinierte Methode: Er organisierte, dass weltweit gut verschlossene Flaschen ins Meer geworfen wurden, mit Instruktionen in ihrem Inneren, die eingeschlossenen Meldungsbögen mit Angaben von Zeit und Ort des Funds nach Hamburg zu senden. Von der Information, wo eine Flasche ins Meer geworfen und wo sie gefunden wurde, erhoffte Neumayer sich Aufschlüsse darüber, welche Strömungen das Geschehen im Ozean prägen.

In seinem Buch nutzt Wolfgang Struck, Professor für neuere deutsche Literatur an der Universität Erfurt, dieses Forschungsprojekt als Aufhänger für eine Erkundung des Phänomens Flaschenpost. Die Erzählung trägt, wenn auch nicht stringent geordnet, fast alle Merkmale eines phantastischen Romans von Jules Verne, samt rivalisierenden Gelehrten, entbehrungsreichen Reisen und merkwürdigen Zufällen. Der Fundus, aus dem Struck dabei schöpft, besteht aus den in der Bibliothek des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie aufbewahrten Meldungsbögen, deren Papier inzwischen vergilbt ist und für deren Entzifferung Experten herangezogen werden müssen.

Zum Reiz des Buchs trägt bei, dass diese jeweils über eine Doppelseite ausgebreiteten, schön reproduzierten Bögen so etwas wie den erzählerischen roten Faden bilden. Neumayer hat auf ihnen dokumentiert, wann wieder ein Finder eine seiner Flaschen an irgendeinem Strand entdeckt und ihren Inhalt getreu der Anweisung nach Hamburg geschickt hatte.

Dass Neumayer diese Methode zu seiner Zeit überhaupt einsetzen konnte, ist Strucks Recherchen zufolge weniger selbstverständlich als es vielleicht scheint. Zwar wird von Christopher Kolumbus kolportiert, er habe so etwas wie den Prototyp einer Flaschenpost ins Meer geworfen, um für den Fall, dass er bei einem Schiffsunglück ums Leben kommt, dem spanischen König mithilfe des Zufalls wichtige Informationen zu übermitteln. Doch die erste richtige Flaschenpost wurde offenbar erst 1797 ins Meer geworfen, nachdem der französische Schriftsteller Jacques-Henri Bernardin de Saint-Pierre 1784 die Idee dazu publiziert hatte. Bis zum Beginn industrieller Flaschenherstellung wären Flaschen auch als zu wertvoll angesehen worden, um sie ins Meer zu werfen, führt Struck aus.

Um das Grundgerüst der vergilbten Meldebögen aus Neumayers Forschungsprojekt herum entwickelt Struck nicht etwa eine lineare Wissenschaftsgeschichte der Meeresforschung, sondern eine eher lose Sammlung von Anekdoten, literaturgeschichtlichen Betrachtungen und tragischen Stoffen untergehender Schiffe. Was Struck an seinem Gegenstand am faszinierendsten fand, ist merkbar nicht die eigentliche Wissenschaft, sondern eher die starke Symbolkraft von kleinen, auf dem gewaltigem Ozean schaukelnden Objekten. In ihnen werden bis heute auch Wünsche, Scherze, Bitten und letzte Worte verpackt.

Struck zelebriert auch die Unwahrscheinlichkeit, dass Flaschenposten tatsächlich gefunden werden: "Es ist ja nicht nur ein geographischer Abgrund, den sie überbrücken müssen, sondern auch der Abgrund zwischen zwei Menschen, die einander nicht kennen und wahrscheinlich auch wenig miteinander zu tun haben", schreibt der Autor über sein auch Neptunspost, Hypopontographen, Drifter, See-Briefpost und Bouteillen-Post genanntes Sujet.

Strucks Erzählstil ist kurzweilig - herrlich etwa die Geschichte, wie Neumayer auf dem Weg nach Australien meinte, eine Inselgruppe neu entdeckt zu haben, und sie zu Ehren seines Gönners am bayerischen Hofe "König-Max-Inseln" taufen wollte. Im großen Rennen darum, Fahnen europäischer Nationen rund um den Globus zu hissen, waren ihm aber schon andere zuvorgekommen, was den Inseln den Namen McDonald-Inseln und Neumayer einigen Spott einbrachte. Sein längerer Forschungsaufenthalt in Australien hat aber bleibende Spuren hinterlassen: Das Melbourne Observatory, früher eines der führenden Forschungsinstitute des Kontinents, geht auf seine Initiative zurück.

Das alles ist anregend zu lesen. Doch Struck führt "Flaschenpost" mit dem Versprechen ein, in den Meldebögen, die im Zentrum des Buchs stehen, entfalte sich "eine maritime Kultur, die sich einem der größten wissenschaftlichen Projekte des neunzehnten Jahrhunderts verschrieben hat: der Enträtselung des Meeres". Die enormen Strömungen, die das Wasser des Ozeans beständig bewegen und mit denen die Postflaschen Tausende Kilometer zurücklegen, bleiben aber weitgehend unbehandelt. Welche Kräfte sie antreiben, warum sie wichtig sind, was sie für die Wissenschaft so faszinierend macht, welche Fragen heute beantwortet sind und welche nicht - das erfährt man nicht. Nun ist Struck Germanist und nicht Ozeanograph, doch Meeresexperten wären sicher bereit gewesen, ihr Wissen zu teilen. Ausgerechnet der Ozean kommt in "Flaschenpost" ein wenig zu kurz. CHRISTIAN SCHWÄGERL

Wolfgang Struck: "Flaschenpost". Ferne Botschaften, frühe Vermessungen und ein legendäres Experiment.

mareverlag, Hamburg 2022. 224 S., Abb., geb., 36,- Euro.

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