A beautiful narrative, so well-written. You've got to get this Jon Stewart The Daily Show
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.04.2014Bremsklötze für Hochfrequenzhändler
Ein neues Buch über die Wall Street befeuert gerade die Debatte über unfaire Geschäftspraktiken der Millisekundenhändler. Jetzt ermittelt neben mehreren Aufsichtsbehörden auch das FBI.
nks. NEW YORK, 1. April. Michael Lewis ist ein exzellenter Geschichtenerzähler. Deswegen trennt der bekannte Autor in seinem neuen Buch über die Wall Street und den umstrittenen Hochfrequenzhandel klar zwischen Gut und Böse. Die Guten sind Leute wie Brad Katsuyama, ein umgänglicher Kanadier, der von seinem Arbeitgeber, der Royal Bank of Canada, im Jahr 2002 als junger Aktienhändler an die Wall Street geschickt wird. Für die Unternehmenskultur der größten kanadischen Bank gibt es sogar eine eigene Bezeichnung: "RBC nett". Die Bösen sind die gierigen Gesellen an der Wall Street. "Alles war Übermaß. Ich habe mehr abstoßende Leute in einem Jahr kennengelernt als in meinem ganzen Leben davor", zitiert Lewis Katsuyama.
Katsuyama ist einer der "Flash Boys" - so lautet der Titel von Lewis' Buch -, die sich erfolgreich gegen die bösen Programmierer wehren, die an der Wall Street mit hochleistungsfähigen Computern und millisekundenschnellen Auftragswellen andere Investoren abzocken: Kleinanleger sowieso, aber auch Profis bei Fondsgesellschaften. "Flash Boys - Blitzjungs" ist ein mehrdeutiger Titel. Er suggeriert das extreme Tempo des Wertpapierhandels, in dem Aktienaufträge über Glasfaserkabel in Sekundenbruchteilen an die Börsen gejagt werden. Und er erinnert an den "Flash Crash", den kurzzeitigen Kurseinbruch an den amerikanischen Börsen vor fast vier Jahren. Das hatte eine Debatte über den Hochfrequenzhandel und die Stabilität der stark fragmentierten amerikanischen Börsenlandschaft ausgelöst.
Katsuyama bemerkt im Frühjahr 2007 seltsame Entwicklungen im Aktienmarkt. Früher konnte er 10 000 Aktien von Intel, die auf seinen Computerterminals für 22 Dollar angeboten wurden, auf einmal per Knopfdruck kaufen. Jetzt erhält er nur noch einen Teil der Aktien. Der Rest der Offerte verschwand, und der Kurs der Aktien stieg. Katsuyama und seine anderen blitzgescheiten Kollegen fanden heraus, dass das mit der unterschiedlichen Dauer zu tun hatte, die Aktienaufträge benötigen, bis sie an verschiedenen Börsen eintreffen. Ein Teil des Auftrags für 22 Dollar wurde bei der Börse ausgeführt, die die kürzeste Verbindung zu seinen Computern hatte. Die Computerprogramme der Hochfrequenzhändler merkten das offenbar, stornierten an den anderen Börsen ihre Angebote für den Verkauf von 22 Dollar - und boten sie teurer feil. Katsuyama und seine Leute finden eine Lösung für ihr Problem. Sie kreierten selbst ein Programm mit eingebauten Verzögerungen, so dass die Aufträge zur gleichen Zeit an den Börsen ankamen - die Hochfrequenzhändler hatten so keinen Zeitvorsprung mehr, um ihre Kenntnis der anstehenden Aufträge auszunutzen.
Katsuyama ging allerdings noch weiter. Er gründete mit den anderen Flash Boys im vergangenen Jahr den neuen Handelsplatz IEX Group, der einen fairen Handel gewährleisten soll. Um Hochfrequenzhändler auszubremsen, werden dort Aufträge mit einer Verzögerung von 350 Mikrosekunden ausgeführt. IEX hat bisher zwar nur einen minimalen Anteil am gesamten Aktienhandel an der Wall Street. Aber bekannte Hedgefondsmanager wie David Einhorn gehören zu den Investoren. Zudem hat sich eine der einflussreichsten Banken an der Wall Street für den Erfolg von IEX starkgemacht: Goldman Sachs. "Wir glauben, dass es für den gesamten Markt am besten wäre, wenn IEX einen kritische Größe erreichen würde", hieß es in einer internen Mitteilung der Bank - selbst wenn es das Handelsvolumen der eigenen Handelsplattform von Goldman schmälern würde. Gary Cohn, die Nummer zwei von Goldman, sprach sich kürzlich in einem Meinungsbeitrag im "Wall Street Journal" zudem für eine Reform des Hochfrequenzhandels aus - man solle unter anderem erwägen, Gebühren für eine hohe Zahl an stornierten Aufträgen zu verhängen. Goldman schlägt sich offenbar auf die Seite der Guten. Aber Geschäft mit Hochfrequenzhändlern macht Goldman weiter. Die Bank leitet das Konsortium für den geplanten Börsengang des Hochfrequenzhändlers Virtu.
Veränderungen in der Branche zeichnen sich ab. Die Debatte wurde mit "Flash Boys" befeuert. Lewis unterstellte den Hochfrequenzhändlern, die amerikanischen Aktienmärkte auf gleichwohl legale Weise zu "manipulieren". Am Tag der Buchveröffentlichung wurde bekannt, dass die Bundespolizei FBI wegen des Verdachts auf Insiderhandel mit breitangelegten Ermittlungen gegen Wertpapierhäuser begonnen hat. "Es gibt die große Sorge, dass Hochfrequenzhändler relevante, nichtöffentliche Informationen vor anderen Leuten erhalten und sie für Geschäfte nutzen", sagte ein Sprecher des FBI. Auch mehrere Aufsichtsbehörden ermitteln wegen möglicherweise unfairer Praktiken gegen Hochfrequenzhändler.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein neues Buch über die Wall Street befeuert gerade die Debatte über unfaire Geschäftspraktiken der Millisekundenhändler. Jetzt ermittelt neben mehreren Aufsichtsbehörden auch das FBI.
nks. NEW YORK, 1. April. Michael Lewis ist ein exzellenter Geschichtenerzähler. Deswegen trennt der bekannte Autor in seinem neuen Buch über die Wall Street und den umstrittenen Hochfrequenzhandel klar zwischen Gut und Böse. Die Guten sind Leute wie Brad Katsuyama, ein umgänglicher Kanadier, der von seinem Arbeitgeber, der Royal Bank of Canada, im Jahr 2002 als junger Aktienhändler an die Wall Street geschickt wird. Für die Unternehmenskultur der größten kanadischen Bank gibt es sogar eine eigene Bezeichnung: "RBC nett". Die Bösen sind die gierigen Gesellen an der Wall Street. "Alles war Übermaß. Ich habe mehr abstoßende Leute in einem Jahr kennengelernt als in meinem ganzen Leben davor", zitiert Lewis Katsuyama.
Katsuyama ist einer der "Flash Boys" - so lautet der Titel von Lewis' Buch -, die sich erfolgreich gegen die bösen Programmierer wehren, die an der Wall Street mit hochleistungsfähigen Computern und millisekundenschnellen Auftragswellen andere Investoren abzocken: Kleinanleger sowieso, aber auch Profis bei Fondsgesellschaften. "Flash Boys - Blitzjungs" ist ein mehrdeutiger Titel. Er suggeriert das extreme Tempo des Wertpapierhandels, in dem Aktienaufträge über Glasfaserkabel in Sekundenbruchteilen an die Börsen gejagt werden. Und er erinnert an den "Flash Crash", den kurzzeitigen Kurseinbruch an den amerikanischen Börsen vor fast vier Jahren. Das hatte eine Debatte über den Hochfrequenzhandel und die Stabilität der stark fragmentierten amerikanischen Börsenlandschaft ausgelöst.
Katsuyama bemerkt im Frühjahr 2007 seltsame Entwicklungen im Aktienmarkt. Früher konnte er 10 000 Aktien von Intel, die auf seinen Computerterminals für 22 Dollar angeboten wurden, auf einmal per Knopfdruck kaufen. Jetzt erhält er nur noch einen Teil der Aktien. Der Rest der Offerte verschwand, und der Kurs der Aktien stieg. Katsuyama und seine anderen blitzgescheiten Kollegen fanden heraus, dass das mit der unterschiedlichen Dauer zu tun hatte, die Aktienaufträge benötigen, bis sie an verschiedenen Börsen eintreffen. Ein Teil des Auftrags für 22 Dollar wurde bei der Börse ausgeführt, die die kürzeste Verbindung zu seinen Computern hatte. Die Computerprogramme der Hochfrequenzhändler merkten das offenbar, stornierten an den anderen Börsen ihre Angebote für den Verkauf von 22 Dollar - und boten sie teurer feil. Katsuyama und seine Leute finden eine Lösung für ihr Problem. Sie kreierten selbst ein Programm mit eingebauten Verzögerungen, so dass die Aufträge zur gleichen Zeit an den Börsen ankamen - die Hochfrequenzhändler hatten so keinen Zeitvorsprung mehr, um ihre Kenntnis der anstehenden Aufträge auszunutzen.
Katsuyama ging allerdings noch weiter. Er gründete mit den anderen Flash Boys im vergangenen Jahr den neuen Handelsplatz IEX Group, der einen fairen Handel gewährleisten soll. Um Hochfrequenzhändler auszubremsen, werden dort Aufträge mit einer Verzögerung von 350 Mikrosekunden ausgeführt. IEX hat bisher zwar nur einen minimalen Anteil am gesamten Aktienhandel an der Wall Street. Aber bekannte Hedgefondsmanager wie David Einhorn gehören zu den Investoren. Zudem hat sich eine der einflussreichsten Banken an der Wall Street für den Erfolg von IEX starkgemacht: Goldman Sachs. "Wir glauben, dass es für den gesamten Markt am besten wäre, wenn IEX einen kritische Größe erreichen würde", hieß es in einer internen Mitteilung der Bank - selbst wenn es das Handelsvolumen der eigenen Handelsplattform von Goldman schmälern würde. Gary Cohn, die Nummer zwei von Goldman, sprach sich kürzlich in einem Meinungsbeitrag im "Wall Street Journal" zudem für eine Reform des Hochfrequenzhandels aus - man solle unter anderem erwägen, Gebühren für eine hohe Zahl an stornierten Aufträgen zu verhängen. Goldman schlägt sich offenbar auf die Seite der Guten. Aber Geschäft mit Hochfrequenzhändlern macht Goldman weiter. Die Bank leitet das Konsortium für den geplanten Börsengang des Hochfrequenzhändlers Virtu.
Veränderungen in der Branche zeichnen sich ab. Die Debatte wurde mit "Flash Boys" befeuert. Lewis unterstellte den Hochfrequenzhändlern, die amerikanischen Aktienmärkte auf gleichwohl legale Weise zu "manipulieren". Am Tag der Buchveröffentlichung wurde bekannt, dass die Bundespolizei FBI wegen des Verdachts auf Insiderhandel mit breitangelegten Ermittlungen gegen Wertpapierhäuser begonnen hat. "Es gibt die große Sorge, dass Hochfrequenzhändler relevante, nichtöffentliche Informationen vor anderen Leuten erhalten und sie für Geschäfte nutzen", sagte ein Sprecher des FBI. Auch mehrere Aufsichtsbehörden ermitteln wegen möglicherweise unfairer Praktiken gegen Hochfrequenzhändler.
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