Wer bin ich? Diese Frage ist für Anna nicht einfach zu beantworten, denn sie ist ein eineiiger Zwilling. Und eineiige Zwillinge sind eine einzige Zumutung. Sie ist aus dem bündnerischen Bever nach Zürich gezogen, um Biologie zu studieren. Nun arbeitet sie in der Flechtenforschung, ihre Schwester Leta widmet sich der Fotografie. Beide betrachten die Welt durch eine Linse: Anna durch das Mikroskop, während Leta seit der Kindheit obsessiv Anna fotografiert. Als Anna nach Treviso zur Eröffnung von Letas Fotoinstallation »Observing the Self« fährt, fühlt sie sich von ihr verraten, missbraucht und ausgelöscht. Denn Leta hat das einzige Zeichen, das sie beide unterscheidet, wegretuschiert. Barbara Schibli gelingt in ihrem Debütroman ein packend-poetisches Frauenporträt, in dem sie gekonnt Kunst und Wissenschaft mit der Frage nach Identität in der modernen Gesellschaft verwebt.
buecher-magazin.deWie findet man heraus, wer man ist, wenn man immer zu zweit war? Wenn das eigene Sein so eng mit dem eines anderen verbunden ist, dass dieser wie dein Spiegelbild ist? Anna ist ein eineiiger Zwilling und das Verhältnis zu ihrer Schwester Leta ist alles andere als einfach. Während sie ihren Beruf als Flechtenforscherin nutzt, um sich durch ihn in den nüchternen Raum der Wissenschaft zurückzuziehen, forscht Leta auf einem anderen Gebiet. Es scheint seit ihrer Kindheit, die die beiden Schwestern erst in Amerika, dann in einem kleinen Schweizer Dorf miteinander verbracht haben, beinahe eine Obsession für sie zu sein, die eigene Schwester zu fotografieren. Die Schweizer Autorin Barbara Schibli hat in ihrem Debütroman starke Bilder für eine zutiefst symbiotische Beziehung gefunden. Die Verzweiflung der Protagonistin ist greifbar. Man spürt die Enge ihres Lebens, den winzigen Raum, den sie für sich ganz allein hat, und dessen Grenzen die Schwester dennoch zu überschreiten versucht. Man spürt auch ihre Einsamkeit. Weil sie sich so harsch abgrenzt, fällt es ihr schwer, nahe Beziehungen zu anderen Menschen einzugehen. Die Lektüre des Romans ist eine Wanderung durch ihre weitläufigen Innenwelten, angereichert mit atmosphärischen Bildern der Außenwelt. Leise erzählt und abgründig.
© BÜCHERmagazin, Katharina Manzke
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Barbara Schiblis erstaunliches Debüt ist ein stiller Roman, ein Buch, in dem viel geschwiegen wird. "randvoll mit Einsamkeit" und in dem doch, nach und nach, ohne jede Effektheischerei, ohne Gewalt und ohne viel Aufhebens das Wesentliche, das Versteckte und Verschwiegene sichtbar wird, erklärt Rezensentin Beatrice Eichmann-Leutenegger. Was wir dort sehen ist vor allem die unterdrückten Aggressionen, die innere Unordnung und Unsicherheit zweier Schwestern, Zwillinge, die zwischen der Sehnsucht nacheinander, nach Nähe und Verbundenheit und dem Drang nach Individualität gefangen sind, lesen wir. Um mit dieser Zerrissenheit, mit der Enge und all den unterdrückten Gefühlen zu sich selbst und der anderen nicht umgehen zu müssen, haben beide ihre jeweils eigene Obsession entwickelt: Die eine widmet sich der Fotografie über die sie sich die Schwester zu eigen macht und sie doch auf Abstand hält, in dem sie sie in jeder Situation ungefragt und ungeniert fotografiert und ausstellt. Die andere richtet ihre Aufmerksamkeit auf das Mikroskop bzw. die Gewächse, die sie darunter untersucht: Flechten, Symbiosen aus Pilzen und Algen - eine bemerkenswerte Analogie, die die Autorin erkennt und mit viel Feingefühl und Kunstsinnigkeit entwickelt und ausspielt. Es ist ein "komplexes" Buch über eine "komplexe" Beziehung, so die begeisterte Rezensentin, und am Ende steht immerhin die Absicht, das Schweigen zu brechen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Barbara Schibli entwirft in ihrem ersten Roman eine eigenwillige Variante der Identitätssuche. Es gelingt ihr damit die kunstvolle Darstellung einer Selbstbefreiung.« Beatrice Eichmann-Leutenegger / Neue Zürcher Zeitung
»Eine absolute Entdeckung.« Jury des GEDOK-Literaturförderpreises 2017
»... das gesamte Buch gefiel mir überaus gut! Es geht tatsächlich viel um Flechten, man lernt so einiges darüber und das mag ich an Romanen sehr! Es geht aber auch um Familie, um Identität, besonders als Zwilling, und um das Einnehmen verschiedener Perspektiven (Mikroskop, Kamera). Behutsam und literarisch erzählt.« Jule Hoch / Instagram
»Ich fand den Text auf wohltuende Weise entschleunigend, die Worte präzise gewählt und die Szenen detailliert dargestellt. ... Klare Leseempfehlung!« meyer_ela / Instagram
»Wenn man die Worte rieseln hört, den Sätzen folgt und in die Bilder taucht, glaubt man, Barbara Schibli finde ihre Geschichten so leicht wie im Rausch oder Traum.« Ursula Fehr / Zürcher Unterländer
»Der Autorin gelingt in Flechten ein stilles Frauenportrait in subtilen Bildern und schön gesetzten Sätzen.« Esther Schneider / SRF Schweizer Literatur
»Vielmehr stellen zahlreiche moderne Autorinnen und Autoren mit viel Ernsthaftigkeit die Beziehung des modernen Menschen zur Natur - oder die Suche danach - ins Zentrum ... So braucht etwa Barbara Schibli die wuchernde Flechte als Bild, um eine persönliche Geschichte zu erzählen.« Felix Münger / Radio SRF2 Kultur
»Eine absolute Entdeckung.« Jury des GEDOK-Literaturförderpreises 2017
»... das gesamte Buch gefiel mir überaus gut! Es geht tatsächlich viel um Flechten, man lernt so einiges darüber und das mag ich an Romanen sehr! Es geht aber auch um Familie, um Identität, besonders als Zwilling, und um das Einnehmen verschiedener Perspektiven (Mikroskop, Kamera). Behutsam und literarisch erzählt.« Jule Hoch / Instagram
»Ich fand den Text auf wohltuende Weise entschleunigend, die Worte präzise gewählt und die Szenen detailliert dargestellt. ... Klare Leseempfehlung!« meyer_ela / Instagram
»Wenn man die Worte rieseln hört, den Sätzen folgt und in die Bilder taucht, glaubt man, Barbara Schibli finde ihre Geschichten so leicht wie im Rausch oder Traum.« Ursula Fehr / Zürcher Unterländer
»Der Autorin gelingt in Flechten ein stilles Frauenportrait in subtilen Bildern und schön gesetzten Sätzen.« Esther Schneider / SRF Schweizer Literatur
»Vielmehr stellen zahlreiche moderne Autorinnen und Autoren mit viel Ernsthaftigkeit die Beziehung des modernen Menschen zur Natur - oder die Suche danach - ins Zentrum ... So braucht etwa Barbara Schibli die wuchernde Flechte als Bild, um eine persönliche Geschichte zu erzählen.« Felix Münger / Radio SRF2 Kultur