Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.01.2008Die Mutige
Ricarda Huch (1864 bis 1947) galt als Grenzgängerin zwischen Historie und Roman, als die Grande Dame der deutschen Literatur. Aber obgleich sie durch Wilhelm Emrichs elfbändige Ausgabe der "Gesammelten Werke" (1966 bis 1974) geehrt wurde, hat sie sich der Nachwelt weniger durch ihre Bücher als durch ihre aufrechte und mutige Haltung im "Dritten Reich" eingeprägt. Sie erklärte 1933 nach dem Ausschluss unliebsamer Schriftsteller ihren Austritt aus der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste und blieb unbeirrbar bei ihrer Ablehnung der judenfeindlichen Politik Hitlers. 1947 kränkte sie der öffentliche Streit um die Schriftsteller der "inneren Emigration". Bis zuletzt arbeitete sie an einer Sammlung von Porträts hingerichteter Widerstandskämpfer. Bei Kriegsende wohnhaft in Jena, glaubte sie zunächst an einen hoffnungsvollen Neuanfang in der Sowjetischen Besatzungszone und übernahm Ehrenämter, floh aber, enttäuscht, einen Monat vor ihrem Tod in die Westzonen. Auf ebendiese Zeit der Standfestigkeit, der Illusionen und der Ernüchterung konzentriert sich die biographische Darstellung der Essayistin, Sachbuch- und Romanautorin Barbara Bronnen, der Tochter Arnolt Bronnens. Nicht nur aus Werken und Briefen, sondern auch aus Befragungen noch lebender Freunde oder Mitarbeiterinnen und des Neffen gewinnt Barbara Bronnen ihr Bild der Autorin. Erinnert ihre Darstellung zunächst an das herkömmliche Genre der "Frauenbilder", so findet sie bald zu spannender Erzählung. Dass das Buch einmal als Roman geplant war, schadet diesem biographischen Porträt nicht: Ihm verdankt es seine Anschaulichkeit und Lesbarkeit. (Barbara Bronnen: "Fliegen mit gestutzten Flügeln". Die letzten Jahre der Ricarda Huch 1933-1947. Arche Verlag, Zürich/Hamburg 2007. 191 S., geb., 19,90 [Euro].) WHi.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ricarda Huch (1864 bis 1947) galt als Grenzgängerin zwischen Historie und Roman, als die Grande Dame der deutschen Literatur. Aber obgleich sie durch Wilhelm Emrichs elfbändige Ausgabe der "Gesammelten Werke" (1966 bis 1974) geehrt wurde, hat sie sich der Nachwelt weniger durch ihre Bücher als durch ihre aufrechte und mutige Haltung im "Dritten Reich" eingeprägt. Sie erklärte 1933 nach dem Ausschluss unliebsamer Schriftsteller ihren Austritt aus der Sektion für Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste und blieb unbeirrbar bei ihrer Ablehnung der judenfeindlichen Politik Hitlers. 1947 kränkte sie der öffentliche Streit um die Schriftsteller der "inneren Emigration". Bis zuletzt arbeitete sie an einer Sammlung von Porträts hingerichteter Widerstandskämpfer. Bei Kriegsende wohnhaft in Jena, glaubte sie zunächst an einen hoffnungsvollen Neuanfang in der Sowjetischen Besatzungszone und übernahm Ehrenämter, floh aber, enttäuscht, einen Monat vor ihrem Tod in die Westzonen. Auf ebendiese Zeit der Standfestigkeit, der Illusionen und der Ernüchterung konzentriert sich die biographische Darstellung der Essayistin, Sachbuch- und Romanautorin Barbara Bronnen, der Tochter Arnolt Bronnens. Nicht nur aus Werken und Briefen, sondern auch aus Befragungen noch lebender Freunde oder Mitarbeiterinnen und des Neffen gewinnt Barbara Bronnen ihr Bild der Autorin. Erinnert ihre Darstellung zunächst an das herkömmliche Genre der "Frauenbilder", so findet sie bald zu spannender Erzählung. Dass das Buch einmal als Roman geplant war, schadet diesem biographischen Porträt nicht: Ihm verdankt es seine Anschaulichkeit und Lesbarkeit. (Barbara Bronnen: "Fliegen mit gestutzten Flügeln". Die letzten Jahre der Ricarda Huch 1933-1947. Arche Verlag, Zürich/Hamburg 2007. 191 S., geb., 19,90 [Euro].) WHi.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Freundlich hat Beatrice Eichmann-Leutenegger dieses Buch Barbara Bronnens über die letzten Lebensjahre Ricarda Huchs aufgenommen. Sie weist darauf hin, dass die Autorin ihre Darstellung als "subjektive Annäherung" an die Schriftstellerin versteht. Bronnen gelingt es ihres Erachtens vorzüglich, voller Empathie die Stimmungen zu evozieren, in denen Huch sich in ihren letzten Jahren in widrigen politischen wie persönlichen Umständen befunden hat. Sie bescheinigt ihr, Huch als "großmütige Frau mit Witz und Charme, Zivilcourage und Freiheitsdurst" zu zeichnen. Allerdings kann sie sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Bronnen bisweilen die "nötige Distanz" fehlt und ihr Porträt Huchs gelegentlich idealisierende Züge trägt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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