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Ob Musik oder Bilder, die heutigen Medien verarbeiten alles in Datenströme. Warum setzen sich bestimmte technische Formate durch und wie beeinflussen sie die Inhalte? Wie gehen wir in Zukunft mit Musik und Bildern um? Und welchen Einfluss hat das auf die Rolle der Künstler, auf die Kriterien für Originalität? Stefan Heidenreich gibt Antworten auf diese Fragen und zeigt, wie die Spielregeln der digitalen Kultur lauten könnten.

Produktbeschreibung
Ob Musik oder Bilder, die heutigen Medien verarbeiten alles in Datenströme. Warum setzen sich bestimmte technische Formate durch und wie beeinflussen sie die Inhalte? Wie gehen wir in Zukunft mit Musik und Bildern um? Und welchen Einfluss hat das auf die Rolle der Künstler, auf die Kriterien für Originalität? Stefan Heidenreich gibt Antworten auf diese Fragen und zeigt, wie die Spielregeln der digitalen Kultur lauten könnten.
Autorenporträt
Stefan Heidenreich, geb. 1965, lebt in Berlin als freier Autor und Berater. Er veröffentlichte "Was verspricht die Kunst?" (Berlin 1998) und "Flipflop. Digitale Datenströme und die Kultur des 21. Jahrhunderts" (München 2004).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Stefan Heidenreich hat mit seiner Studie zur Auswirkung digitaler Datenströme und der wechselseitigen Beeinflussungen von Technik, kultureller Entwicklung und Wirtschaft einen "ehrgeizigen und dankenswerten" Beitrag zur Technik- und Mediengeschichte geleistet, freut sich Florian Coulmas. Der Autor macht in seiner "anschaulichen und sehr lesbaren" Analyse deutlich, dass die Veränderungen und Anwendungen durch neue Technik zumeist gar nicht vorhersehbar sind und liefert dafür gute Beispiele, preist der Rezensent. Er findet deshalb die These Heidenreichs, dass die Technik weniger ein "beherrschbares Werkzeug" als vielmehr eine "unabhängige Kraft" darstellt, die über die Ökonomie zur "kulturellen Anwendung" kommt, alles in allem ziemlich überzeugend. Die Beispiele wie die Entwicklung der Fotografie lobt Coulmas als überwiegend "beachtenswert und instruktiv". Manches dagegen, wie die Anwendung der Terminologie und Theorie von Ferdinand de Saussure auf die Analyse von Bildern und Texten kritisiert der Rezensent als gleichermaßen "gezwungen" und nicht recht schlüssig, und er stellt auch fest, dass alles, was nicht ganz in Heidenreichs These von der Entwicklung der "Speicherung und Übermittlung von Datenströmen" passen will, wie beispielsweise das Radio, vom Autor "unterschätzt" wird. Und manchmal passiert es dem Autor auch, dass er für einfache Phänomene viel zu komplizierte Erklärungen aufbietet, etwas, wenn er den Namen der populären Flipflops aus dem Ingenieurjargon ableitet, kritisiert der Rezensent. Trotzdem eine "insgesamt lehrreiche Studie", die Licht in so manchen "unausgeleuchteten Winkel" wirft, so Coulmas eingenommen.

© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.01.2005

Fluss und Speicher
Stefan Heidenreichs Navigationshilfe im Datenstrom
Im Bewusstsein, eine Medienrevolution miterlebt zu haben, lebt heute jeder, der sich noch an die Schreibmaschine erinnert. Was diese Revolution bewirkt, in welchem historischen Zusammenhang sie steht, wie Produktion, Distribution und Rezeption kultureller Güter von ihr beeinflusst werden, ist aber, gerade weil wir so nah dran und so unmittelbar betroffen sind, nicht leicht zu erklären.
In „FlipFlop” unternimmt Stefan Heidenreich den ehrgeizigen und dankenswerten Versuch einer Technikgeschichte der Medien, in der er viele dieser Zusammenhänge erhellt. Das Zusammenspiel von Datenströmen, Technologie und Wirtschaft zu durchschauen, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, die Dynamik kultureller Entwicklungen zu verstehen. Datenströme sind in Heidenreichs sinnvoller Begrifflichkeit nicht nur Mengen von Bits, die über Netzwerke fließen. Das ist nur die heutige Form. Auch der Buchdruck führte zur tiefgreifenden Veränderung der Texte beinhaltenden Datenströme. Schriftliche und mündliche Kommunikation wurden durch die Erfindung des Telegrafen und des Telefons nachhaltig beeinflusst, wenn auch nicht immer auf die erwartete Weise.
Techniker sind nur Boten
Anschaulich und sehr lesbar schildert Heidenreich anhand vieler Details, dass die Anwendungsmöglichkeiten und Auswirkungen einer neuen Technik häufig weder beabsichtigt noch antizipiert wurden. Beim Telefon dachte man zunächst an die Übertragung von Opernmusik und kaum daran, dass es zu einem unverzichtbaren Gerät für Haushalt und Büro werden sollte. In den ersten bewegten Bildern erkannte niemand die Grundlage einer neuen Kunstform, geschweige denn einer neuen Industrie. Die Ausnutzung des Internets für Computerspiele ahnte noch vor zwei Jahrzehnten keiner.
Für Heidenreich sind solche ungeplanten Anwendungen ein Grund, die Technik nicht als vom Menschen beherrschtes Werkzeug, sondern als eine unabhängige Kraft der geschichtlichen Entwicklung zu behandeln. Er empfiehlt deshalb eine Technikgeschichte ohne Techniker. Neue Techniken kommen; wer sie bringt - Gutenberg, Edison, die Brüder Lumière, oder Tim Berners-Lee, der kaum bekannte Erfinder des World Wide Web - ist nur der ersetzbare Bote.
Das ist eine mögliche Sichtweise, deren Plausibilität in der heutigen Zeit groß ist, weil viele Menschen von Datenströmen, die durch die Computertechnik und die digitalen Netze möglich geworden sind, förmlich überflutet werden. Die Beziehung zwischen Kultur und Technik ist vielschichtig: Die Kultur wird als etwas vom Menschen Geschaffenes begriffen, geschaffen durch den absichtsvollen Einsatz von technischen Hilfsmitteln, die er eigens ersonnen hat - und zugleich wird der Mensch von der Technik, indem er sie vorantreibt, auch getrieben, so dass seine Kultur als Ausfluss der Technik erscheint. Dieser scheinbar paradoxe Charakter kann schwer beseitigt werden.
Der zeitgemäße Ausweg, den Heidenreich in seiner Studie weist, ist die Ökonomie. Märkte treten vermittelnd zwischen Technik und Kultur und bestimmen, welche kulturellen Anwendungen eine neue Technik findet, wie dadurch ihre Weiterentwicklung gelenkt wird, welche Datenströme sich ökonomisch binden lassen und welche als Gemeingut zum Teil des kulturellen Hintergrunds werden.
Manche Beispielanalysen dieser Grundthese sind beachtenswert und instruktiv. Wie sich Sehgewohnheiten seit dem Beginn der Fotografie veränderten und sich auf die Kunst auswirkten, um über Impressionismus und Kubismus zur Trennung der Malerei von der Abbildung zu führen, liest man mit Gewinn, obwohl die gewählte Perspektive, die den Blick auf Richtung, Art und Frequenz von Datenströmen lenkt, origineller ist, als es die dargebotenen Erkenntnisse sind.
Neue Techniken und neue Speichermedien lassen—Marshall McLuhans „magische Kanäle” haben noch viele im Ohr—neue Kunstformen entstehen; ohne Zweifel greift die Digitalisierung, indem sie Text, Bilder und Musik beliebig kopierbar und global zugänglich macht, in kulturelle Prozesse ein. Heidenreich gibt da manch wertvollen Hinweis. Es gelingt ihm zu zeigen, dass die Steigerung der Geschwindigkeit von Datenströmen qualitativ neue Möglichkeiten eröffnet, etwa die Übertragung von Musik in Echtzeit.
Dennoch wirken manche Deutungen gezwungen, etwa wenn Heidenreich, auf die Terminologie des ehrwürdigen Ferdinand de Saussure zurückgreifend, von einem Raster syntagmatischer und paradigmatischer Beziehungen spricht, mit deren Hilfe man gleichermaßen Worte und Bilder analysieren könne. Einmal abgesehen davon, dass er sehr alphabetozentrisch argumentiert, ist die Subsumierung von Text und Bild unter einen Raster fragwürdig. Sie trägt nur unter der Voraussetzung der Digitalisierung von Bildern und ignoriert den Umstand, dass Bilder gewöhnlich weder linear produziert noch „gelesen”, sondern als Gestalt wahrgenommen werden. Die Wirkung mancher Kulturpraktiken, die nicht recht in seine Theorie der technikinduzierten Veränderung der Speicherung und Übermittlung von Datenströmen passen, wie etwa das Radio und die private Fotografie, unterschätzt Heidenreich, obwohl er die Macht der Technik ganz groß schreibt.
Sandalen im Rechner
Heidenreich spürt ihr in vielen bisher unausgeleuchteten Winkeln nach. Nicht immer ist, was er zu Tage fördert, die einfachste Erklärung eines Phänomens. Zu dem Namen „Flipflop” seien die aus Japan stammenden „Zori” dadurch gekommen, will er uns durchaus ohne Augenzwinkern glauben machen, dass die Strandsandalen in Kalifornien von Ingenieuren getragen worden seien, die von der Flipflopschaltung wussten, die in den ersten amerikanischen Digitalrechnern eine wichtige Rolle spielten. Auf den Gedanken, dass Flipflops so heißen, weil sie „flip flop” machen, ist er hinter dem Bildschirm sitzend offenbar nie gekommen. Mit einem Blick ins Wörterbuch hätte er auch feststellen können, dass „flipflop” seit dem siebzehnten Jahrhundert als onomatopoetisches Wort belegt ist. Ein relativ unwichtiges Detail, das freilich störend ist, da es den Titel dieser insgesamt lehrreichen Studie ausmacht.
FLORIAN COULMAS
STEFAN HEIDENREICH: FlipFlop. Digitale Datenströme und die Kultur des 21. Jahrhunderts. Hanser Verlag, München, 2004, 222 Seiten, 17,90 Euro.
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"...ein äußerst lesenswertes Protokoll avancierter Medientheorie." Klaus Lüber, Frankfurter Rundschau, 11.11.2004