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Florenz ist um 1900 die "Hauptstadt der Renaissance" und eine der schönsten Städte der Welt: mondänes Reiseziel, Fluchtburg und ästhetisches Utopia für Kunstsinnige aller Art. 'Führer' durch diese alteuropäische Stadt, die es mit diesem Buch neu zu entdecken gilt, ist einer jener Reisenden " zur Schönheit" : der Hamburger Kunsthistoriker Aby Warburg. Aus seinen Briefen und Tagebüchern sowie zahlreichen anderen Quellen zeichnet Bernd Roeck das intellektuelle Portrait und das arkadische Bild des alten Florenz im Umbruch zur Moderne. Sehnsuchtsort - das ist Florenz für viele bis heute.…mehr

Produktbeschreibung
Florenz ist um 1900 die "Hauptstadt der Renaissance" und eine der schönsten Städte der Welt: mondänes Reiseziel, Fluchtburg und ästhetisches Utopia für Kunstsinnige aller Art. 'Führer' durch diese alteuropäische Stadt, die es mit diesem Buch neu zu entdecken gilt, ist einer jener Reisenden " zur Schönheit" : der Hamburger Kunsthistoriker Aby Warburg. Aus seinen Briefen und Tagebüchern sowie zahlreichen anderen Quellen zeichnet Bernd Roeck das intellektuelle Portrait und das arkadische Bild des alten Florenz im Umbruch zur Moderne.
Sehnsuchtsort - das ist Florenz für viele bis heute. Seelenführer durch dieses Arkadien des 19. Jahrhunderts sind Aby Warburg und seine Frau Mary, deren umfangreiche Tagebücher und wechselseitige Korrespondenz diesem Buch zugrundeliegen: beginnend mit ihrer Liebesgeschichte vor der Kulisse der Stadt sowie Warburgs Renaissance-Studien, die seinen Weltruhm begründen. Zunächst werden wir Zeugen einer Reise in die Vergangenheit - in die Welt der Medici, Leonardo da Vincis und Botticellis. Daneben erleben wir das Florenz der Jahrhundertwende: Reiseziel der amerikanischen Hochfinanz, steinreicher Russen und skurriler Engländer, inspirierender Ort für Maler und Schriftsteller von Degas bis Klee, von Oscar Wilde bis zu Rilke, Isolde Kurz oder Thomas Mann. Der Leser wird in die Läden der Florentiner Kunstsammler und Antiquare geführt, erlebt leuchtende toskanische Abende auf den Terrassen der Villen von Fiesole und Bellosguardo, Theateraufführungen mit der Duse und Isadora Duncan, erhält Zugang zu den eleganten Salons und mondänen Parties der internationalen High Society. Und er sieht eine Stadt, die von den Umbrüchen der Moderne erfaßt und grundlegend verändert wird.
Für Italienliebhaber und Italienreisende entwirft dieses souverän erzählte Buch das Florenz-Portrait der letzten Romantiker und die Vorgeschichte der gegenwärtigen Stadt.
Autorenporträt
Bernd Roeck, geboren 1953, ist seit 1999 Professor für Allgemeine und Schweizer Geschichte der Neueren und Neuesten Zeit an der Universität Zürich. Von 1991 bis 1999 war er Professor für Mittlere und Neuere Geschichte an der Universität Bonn und von 1996 bis 1999 zugleich Generalsekretär des deutsch-italienischen Kulturzentrums Villa Vigoni.
Zahlreiche Veröffentlichungen zur Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte. 2001 erhielt er den Philip Morris Forschungspreis für Geisteswissenschaften.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2001

Et in Arcadia Aby
Bernd Roeck lustwandelt mit den Warburgs in allen Gassen von Florenz / Von Wilfried Wiegand

Spät erst, im neunzehnten Jahrhundert, wurde Florenz ein Sehnsuchtsort, ein Mythos, eine "city of the soul", wie Byron einstmals Rom bezeichnet hatte. In Florenz war die kurze Episode als Hauptstadt Italiens 1871 zu Ende, der Rausch der Vereinigung verflogen, die politische Rolle ausgespielt. Die Stadt zog sich zurück in den Schmollwinkel der Geschichte, konzentrierte sich auf ihre Vergangenheit und wurde gerade durch den Mangel an Modernität ein Wallfahrtsort. Während die Geschichte der Rom-Reisen oft geschrieben wurde, ist die Faszination, die Florenz auf Künstler und Intellektuelle übte, wohl noch nie so gründlich dargestellt worden wie jetzt von Bernd Roeck. Der Zürcher Historiker konzentriert sich, wie der Titel "Florenz 1900" andeutet, auf die relativ kurze Epoche des Fin de siècle, wobei die letzten Jahrzehnte vor der Jahrhundertwende großzügig berücksichtigt werden und auch ein Ausblick bis zum Ersten Weltkrieg nicht fehlt.

Der Untertitel "Die Suche nach Arkadien" deutet an, daß sich vor allem die schönheitsdurstigen Jünger eines präraffaelitischen Ästhetentums in Florenz versammelten. In der englischen und amerikanischen Kolonie war diese Tradition selbstverständlich ausgeprägter als bei den Deutschen, aber das sehnsüchtig um Botticelli kreisende Schönheitsideal hatten alle gemeinsam. Neu war die Faszination durch das Sichtbare, die Romantiker hatten Florenz noch als Stadt der "Göttlichen Komödie" erlebt. Die Hautperson des Buches ist denn auch ein Kunsthistoriker: der Hamburger Aby Warburg.

Warburg kommt 1888 als Student nach Florenz, spielt gelegentlich den Cicerone für gebildete Deutsche und lernt so die Hamburger Reederstochter Mary Hertz kennen, die er 1897 in Hamburg heiraten wird. Das Paar beschließt, möglichst umgehend nach Florenz zu ziehen. Warburgs wissenschaftliches Interesse an der Florentiner Renaissance, das er mit seiner Dissertation über Botticelli glanzvoll demonstriert hatte, legt diesen Umzug nahe. Hinzu kommt der Wunsch, familiären Spannungen zu entfliehen, denn Warburgs Vater hatte der jüdisch-protestantischen Mischehe nur zähneknirschend zugestimmt. Um den Verlauf dieser Ehe zu rekonstruieren, zitiert Roeck ausführlich aus Briefen und anderen privaten Aufzeichnungen der jungen Eheleute. Solche Quellen, wie belanglos sie sein mögen, verführen durch die Eigenschaft, unpubliziert zu sein. Und dieser Verführung ist Roeck erlegen. Die Dürftigkeit des hier erschlossenen Materials ist geradezu erschreckend, wir erfahren von den beiden Warburgs Nichtigkeiten ohne Ende. Das meiste davon wäre in einer Biographie durchaus sinnvoll, hier aber geht es erklärtermaßen um ein Kapitel europäischer "Psychohistorie", um die Mentalität einer intellektuellen Elite der Jahrhundertwende.

Zudem sprudeln die Warburg-Quellen, selbst wenn die Tagebücher und Briefe seiner Ehefrau unterstützend herangezogen werden, nicht unentwegt, sondern tröpfeln zeitweise vor sich hin, so daß es dem Autor nur mit Verrenkungen gelingt, irgendeine Beziehung zu Warburg herzustellen. So muß Roeck, wenn er moderne Kunst in Florenz behandelt, nicht nur einräumen, daß die Stadt eine Statistenrolle spielte, sondern darüber hinaus, daß Warburg an dem wenigen, was dennoch dort passierte, kaum Interesse zeigte. Ein anderes Kapitel schildert den Kunsthandel, aber der Autor muß schon auf der dritten Seite zugeben, Warburg sei "die Welt der kommerziellen Kunsthändler eigentlich suspekt" gewesen. Und im spannendsten Kapitel des ganzen Buches, das die Rettung der Florentiner Altstadt vor einer drohenden "Haussmannisierung" beschreibt, lesen wir, zumindest "einige Worte" in Warburgs Tagebuch deuteten an, "daß der Streit um die Stadtsanierung in Gesprächen mit Brockhaus eine Rolle spielte". Das ist ein bißchen wenig. Warburg, so begreift der Leser spätestens hier, war gar keine Hauptfigur im damaligen Florenz, und warum er in diesem Buch trotzdem dazu gemacht wird, bleibt ein Rätsel.

"Dieses Buch berichtet von Menschen, die ihre Gegenwart bewältigen, indem sie ihr zu entrinnen versuchen." So lautet der programmatische erste Satz. Die ausländischen Florenz-Bewohner, mögen sie aus Deutschland, England oder Amerika stammen, gelten dem Autor allesamt als Flüchtlinge vor der Moderne. Nun ist es ein gängiges Klischee, daß im neunzehnten Jahrhundert die religiösen Bindungen durch eine "Kunstreligion" ersetzt wurden und deren Anhänger der Gegenwart zu entfliehen suchten. Zweifellos gab es gegen Ende des Jahrhunderts ein dekadentes Ästhetentum, das sich so aufführte, wie das Klischee es suggeriert. Warum aber fühlten diese Menschen sich von Florenz angezogen? Englische Schriftsteller wie John Ruskin und Walter Pater hatten die Stadt zum Wallfahrtsort eines präraffaelitischen Schönheitskults erklärt, aber die entscheidende Frage bleibt, warum diese Autoren ausgerechnet auf Florenz verfielen. Der entscheidende Grund für die Attraktivität der Stadt war vielleicht gar nicht ihr Mangel an Modernität, sondernihre Rolle als Ursprungsort einer psychologischen Moderne.

Wir müssen uns nur von der allzu simplen Vorstellung verabschieden, daß Modernität einzig in Straßenpflasterung und Gasbeleuchtung, Republikanertum, Sozialversicherung und Industriearbeit zum Ausdruck kommt. Auch Wagners Musik war Ausdruck einer radikalen Modernität. Wiewohl sie vorwiegend als Narkotikum genossen wurde, galt sie zugleich doch als Beweis einer neuartigen seelischen Verfeinerung. Bei Wagner erlebt die Melodie ein romanhaftes Schicksal und nobilitiert noch die geringsten Regungen der Psyche. Eine Vorform solch seelischer Melodik vermuteten die Zeitgenossen in Botticellis und Ghirlandaios linearer Eleganz. Die Florenz-Liebhaber pilgerten zum mentalitätsgeschichtlichen Tatort, um sich der Wurzeln ihrer seelischen Modernität zu vergewissern. Es fällt auf, daß Roeck die Franzosen dabei kaum zu Wort kommen läßt. Sie hätten seine Theorie der Florentiner Zivilisationsflüchtlinge vielleicht etwas in Unordnung gebracht, denn Frankreich mit seiner ungebrochen klassischen Tradition blieb dem Rom von David und Ingres naturgemäß treuer als Deutsche und Angelsachsen. Zum Sehnsuchtsort der Pariser décadents wurde zudem weniger Florenz als vielmehr Brügge, das "Florenz des Nordens".

Roeck gehört zu den erzählenden Historikern, er hat Sinn für Anekdoten und farbige Zitate. Der angenehm plaudernde Tonfall verdankt sich vor allem einer Art intellektueller Galanterie, die höflich darauf achtet, auch Unbedeutendes so zu behandeln, als wäre es bedeutend. Das hat leider zur Folge, daß redselige Autoren wie Isolde Kurz sich ungebremst in den Vordergrund drängeln dürfen, während der Leser eher knapp bedient wird, wenn es um wirklich bedeutende Figuren geht. Das betrifft sogar Warburg. Zwar wird er als Held der Wissenschaft gefeiert, weil er die Kunst des Quattrocento auf die Quellen zurückzuführen suchte, aber was er eigentlich geschrieben hat, erfahren wir kaum. Auch über Walter Pater und John Ruskin erführe man gern mehr, da sie doch zu den Erfindern des Florenz-Mythos gehören. Die oft etwas kuriosen Zitate ihrer Jünger können den Mangel nicht ersetzen. Aber Roecks Buch ist eben weitgehend die Geschichte eines falschen Bewußtseins, eine Geschichte von Irrtümern. Dabei würde es den Leser viel mehr interessieren, mit Wahrheiten bekannt gemacht zu werden. Das Schönste an diesem Buch sind seine Akteure. Der gelehrte Sammler Herbert Horne, der mit Kunst handelnde Connaisseur Bernard Berenson, der bibliophile Antiquar Leo Olschki, der raffinierte Kunstgroßhändler Stefano Bardini und der glücklose Maler Karl Stauffer-Bern sind nur einige der Figuren, die hier plastisch geschildert werden und die allesamt so interessant sind, daß man sie nicht vergessen kann.

Bernd Roeck: "Florenz 1900". Die Suche nach Arkadien. Verlag C.H. Beck, München 2001. 336 S., 28 Abb., geb., 58,90 DM.

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Bernd Roeck entwirft nicht ein Bild des Florenz der Reisenden, sondern der "ausländischen Künstler und Schriftsteller, Kunsthistoriker, -kenner und -händler", die sich während kürzerer oder längerer Zeit in der Stadt oder deren Umgebung aufhielten, so Rezensent Hanno Helbling. Im Zentrum der Darstellung stehen Wahrnehmungen und Stimmungsbilder der Stadt von den Kultur- und Kunsthistorikern Aby und Mary Warburg, von Robert Davidson, der 1896 eine Geschichte von Florenz publizierte, von Bernard Berenson, einem Florentiner Kunsthändler, von dem Schweizer Maler Arnold Böcklin, von dem deutschen Bildhauer Adolf von Hildebrand und von der Trivialautorin Isolde Kurz, berichtet Helbling. Dass der Autor trotz der subjektiven Wahrnehmung dieser Personen nicht den sozialen und wirtschaftlich-politischen Kontext der Zeit um 1900 aus den Augen verliert, lobt Helbling. Er verweist auf das "intensiv-analytische Quellenstudium" des Autors, das sich dem Leser aber nicht aufdränge, sondern diskret im Hintergrund bleibe. Die "klar und sensibel durchformulierte Darstellung" bezeichnet Helbling begeistert als "stilistisches Arkadien".

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