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Ernst-Willner-Preis in Klagenfurt 2007
In der Ortlosigkeit eines Flughafens kreuzen sich die Lebenslinien dreier Menschen. Eine müde Magazinfotografin gerät vor dem Riffaquarium der Transithalle in den Schwindel fragmentierter Reisebilder aus Afrika und Asien. Sie findet eine seltsame Nähe zu dem Mann, der hier die stillen Tiere pflegt wie seine Kinder. Während sich zwischen den beiden eine verschwiegene Liebe entwickelt, geht nebenan im Raucherfoyer eine Ehe zu Ende. Variiert werden im Wendekreis der Fische die Muster von Sehnsucht, Einsamkeit und Paarungen.
Es hatte keinen
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Produktbeschreibung
Ernst-Willner-Preis in Klagenfurt 2007

In der Ortlosigkeit eines Flughafens kreuzen sich die Lebenslinien dreier Menschen. Eine müde Magazinfotografin gerät vor dem Riffaquarium der Transithalle in den Schwindel fragmentierter Reisebilder aus Afrika und Asien. Sie findet eine seltsame Nähe zu dem Mann, der hier die stillen Tiere pflegt wie seine Kinder. Während sich zwischen den beiden eine verschwiegene Liebe entwickelt, geht nebenan im Raucherfoyer eine Ehe zu Ende. Variiert werden im Wendekreis der Fische die Muster von Sehnsucht, Einsamkeit und Paarungen.

Es hatte keinen Anschlussflug gegeben; Elis streift durch den Transit. Sie zweifelt an ihrem Leben als Magazinfotografin. Auf einmal stockt sie vor einem riesigen Aquarium. Fische aus allen tropischen Meeren ziehen über Korallenbänke und Anemonenwiesen, während der Strom der Passanten den Glaskörper umfließt. Als sie Tobias entdeckt, der die Scheiben reinigt, beginnt sie, sich für diesen Mann zu interessieren. Auch er hat sie beobachtet, aus einem Grund, den sie nicht ahnt. Sie spricht ihn an. Er gibt Auskunft über Fischsymbiosen, Seepferdchenväter, die Fortpflanzung von Korallen; sie erzählt von Reisen, einer unglücklichen Liebe. Die beiden sprechen aneinander vorbei und geraten doch in eine vorsichtige Vertrautheit, die alles ändern kann. Im Raucherfoyer trinkt sich unterdessen ein alternder Biochemiker in einen finalen Ehemonolog. 'Flughafenfische' variiert im Transit eines futuristischen Airports die uralten Themen Liebe und Tod.Angelika Overath schreibt Romane als 'Reportagen aus der Intimität'. Wo scheinbar nichts geschieht, öffnet sie irritierende und berührende Innenräume.
Autorenporträt
Angelika Overath, geb. 1957 in Karlsruhe, studierte und promovierte in Tübingen. Sie arbeitet als Reporterin, Essayistin und Literaturkritikerin u. a. für die NZZ und ist Autorin mehrerer Romane. 1996 erhielt sie den Egon-Erwin-Kisch-Preis für literarische Reportagen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.08.2009

Wunder der Sichtbarkeit
Transit: Angelika Overaths schöne Artenvielfalt

Von Friedmar Apel

In Arthur Haileys Roman "Airport" (1968) erschien der Flughafen so klischeehaft wie eindrucksvoll als Allegorie der globalisierten Welt, in welcher der beschleunigte Mensch permanent am Rande der Katastrophe existiert. Seither ist der Ort in Literatur, Film und Werbung bis zur Abstumpfung der Wahrnehmung bebildert worden. Umso erstaunlicher, wie es Angelika Overath in ihrem zweiten Roman nach "Nahe Tage" (2005) in kunstvoller Reduktion gelingt, die abgebrauchte Allegorie in die Sichtbarkeit zurückzuholen.

Hier gleicht der Transitraum dem Palast, den Kubla Khan in Xanadu erbaut haben soll, nur dass sich nunmehr die unermessliche Wunderlichkeit der modernen Welt darin auftut. "Vor ihr lag nun ein weiter, unabsehbarer Raum aus Glas, Metall, schwarzglitzerndem Marmor. Da wo die Deckenlichter auf die silbernen Einsprengsel im Stein trafen, leuchteten sie momenthaft auf wie bunte Sterne, und der Boden kippte ins Firmament."

Im Zentrum dieser Wunderwelt befindet sich ein riesiges Riffaquarium mit Korallen, Anemonen, Schwämmen, Algen, Muscheln, Krebsen und Fischen, allen voran ein gewaltiger Rochen. Tobias, der Aquarist, ist der stille Herrscher dieses Unterreichs, in seinem Blick werden alle zu Fischen. Im Glaskasten des Raucherfoyers schnappt ein alternder Professor der Biochemie nach Luft und denkt über seine gescheiterte Ehe nach. Die Dritte in einem Bund, den der Text in Anspielung auf T. S. Eliots "The Waste Land" mit "memory and desire" besiegelt, ist Elis, eine vielfliegende Fotoreporterin, deren müder Blick die Unglaublichkeit des Sichtbaren synästhetisch überschreitet.

"Versunkene Musik. Chöre aus Atlantis, unhörbar. Und indem sie nun in die Bewegung der Fische sah, schien ihr auf einmal der ganze Raum langsam zur Ruhe zu kommen." Für einen Moment erscheint da wie schreckhaft der Reflex jener Faszination am Ungesehenen, welche die ersten großen öffentlichen Aquarien seit der Londoner Weltausstellung von 1851 vermittelten.

Tobias dagegen, der nie reist, vermag Bewegung gleichsam mit Darwins Augen stillzustellen: im aufmerksam klassifizierenden Blick des Sammlers, für den das Sichtbare der Evolution Vorrang hat. Für ihn haben auch Abstraktionen ein Gesicht und ein Geheimnis. Er sammelt Müdigkeiten und verwebt sie zu einem Stoff "für einen heiligen Mantel, der all jene umschloß, die müde waren und nicht schliefen". Die großen Augen von Elis und ihre Schönheit bemerkt er aber erst später.

"Schauen Sie, Elis", sagt er, nachdem ihm einige Verse von Eliot wieder eingefallen sind, aber so leise, "daß sie es unmöglich hören konnte". Die Augenarbeiterin kann ohnehin nicht anders. Gerade in der Müdigkeit sieht sie schmerzhaft genau, und sie übersieht auch die Blicke der anderen nicht. In ihrer Perspektive gelingen Angelika Overath die schönsten Bilder. Die Beschreibung einer Austernöffnerin mit wartendem Kunden gerät zur poetischen Ikone, in der die glühende Sinnlichkeit menschlicher Blickwechsel wie altmeisterlich ins Gegenständliche gebannt wird.

Am Ende ist Tobias gefragt, ob man sein Leben ändern kann. Und wenn ja, ob man dann anfangen oder aufhören müsste zu lieben. Da bekommt er, vermutlich jedenfalls, ein wenig Angst. Denn wie bei Rilke ist die Aussicht des Anderen auch in Angelika Overaths bewunderungswürdiger Beschreibungskunst, die das Archaische an der modernen Verdinglichung aufscheinen lässt, an die Koexistenz mit dem Sichtbaren gebunden. Ein anderes Leben ist nicht zu haben, wohl aber dessen Veränderung, die freilich als Öffnung der Wahrnehmung je das Risiko birgt, dass mehr vom Vertrauten verschwindet als das, was als Schwere des Lebens langweilt oder bedrückt.

Der Professor, sich fern gerückt im gesprungenen Spiegel, "Schmerz jetzt in der Brust", weiß nun erst und wohl zu spät, dass alles "auch anders möglich" gewesen wäre. Was Elis und Tobias ändern werden, darüber wird in diesem schönen Text diskret ein Mantel gebreitet.

Angelika Overath: "Flughafenfische". Roman. Luchterhand Literaturverlag, München 2009. 174 S., geb., 17,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.08.2009

Die Stille zwischen den Sätzen
Wahrnehmungsverdichtung im Transitraum der Gegenwart: Angelika Overaths Roman „Flughafenfische”
Ein Flughafen ist streng genommen ein Unort, Materie gewordener Transit. Was hier zählt, ist das Vorankommen, das Wegkommen, die Schnelligkeit, keineswegs aber das Bleiben, das Innehalten. Und schon gar nicht das, was man als Behaglichkeit bezeichnen könnte, es sei denn, es ließe sich in irgendeiner Form in einen ökonomischen Zusammenhang stellen.
So wie auch das Aquarium, das Angelika Overath in ihrem Roman in der Wartehalle eines internationalen Flughafens platziert hat. Offiziell, also laut Airport Guide, wie so etwas wohl heißt, ist das 200 000 Liter fassende Meerwasserbecken eine visuelle Attraktion, die das lästige Warten auf das Weiterkommen verkürzen soll. Für den verantwortlichen Aquaristen Tobias Winter hingegen spielt sich im Becken die ganze Welt ab.
Winter ist der Gegenmensch zu dem wimmelnden Treiben um ihn herum: „Unter den Reisenden aus allen Kontinenten, die an ihm vorbeikamen, war Tobias Winter ein Hindernis. Ein Widerstand in den Wogen der Weltenfahrer. Er gehörte nicht zu ihnen; er reiste ja nicht.” „Flughafenfische” ist aus drei kapitelweise wechselnden Perspektiven erzählt. Die des Aquaristen ist eine davon; eine andere gehört einer Frau namens Elis, von Beruf Fotografin, die soeben in Asien einen Job erledigt hat und nun auf ihren Anschlussflug wartet. Elis ist im Zwischenzustand von Überreiztheit und Müdigkeit auf der einen und hochgradiger Sinnesgeschärftheit auf der anderen Seite. Sie streift durch den Flughafen, beobachtet die Menschen in den Restaurants, imaginiert Dialoge, die sie nicht hören kann, fühlt sich verloren, ist durstig; die Gedanken an eine kürzlich beendete Affäre (mit einem Piloten, ausgerechnet) drängen immer wieder in ihr Bewusstsein.
„Flughafenfische” – der Roman wurde in der vergangenen Woche in die Longlist zum Deutschen Buchpreis 2009 aufgenommen – zeichnet sich szenenweise durch ein hohes Maß an Wahrnehmungsstärke aus. Wenn Elis die Frau an der „Seafood”-Theke beobachtet, die einen harten Kampf mit den verschlossenen Austern führt, gewinnt der Text Präzision und auch eine Elis’ nervöser Anspannung geschuldete Überempfindlichkeit, die nahe an der Hysterie ist. Tobias Winter hingegen, zurückgezogen im Technikraum hinter dem Aquarium, durch das Treiben der Fische hindurch auf die Welt blickend, entwickelt in seinen Gedankengängen eine Art aquaristischer Philosophie, die sich in einer misanthropischen Gegenbewegung Bahn bricht. Über eine junge Mutter heißt es: „Sie hatte ihr Glück aus dem Körper gestülpt, ein Glück mit Glatze und hartem Gaumen, das sie fleißig dokumentiert sehen wollte, als bestätige sein Jauchzen ihre Leistung.”
Die Eleganz von „Flughafenfische” besteht in der Darstellung eines Nebeneinandergleitens all dessen, was den Kosmos des Flughafens ausmacht, und darin, sich immer wieder blitzartig an einzelne Phänomene heranzuzoomen. Über diese Kunstfertigkeit bemerkt man eines beinahe nicht: Es wird in diesem Roman nicht kommuniziert. Mehr als 100 Seiten braucht er, bis es zu einem ersten Wort zwischen Tobias (der mittlerweile mit Hilfe eines Magneten die Scheiben des Aquariums von innen putzt) und Elis kommt, und es verwundert nicht, dass das Gespräch sich nur schwerfällig anbahnt. Smalltalker sind sie beide nicht, und wenn sie sprechen, dann nicht miteinander, sondern nebeneinander her, des Redens Willen und um die Peinlichkeit zu überspielen. Nichts ist stiller als die ungelenke Stille zwischen zwei Sätzen.
Die feine Balance des Romans von Einsamkeit und Massenbewegungen bekommt nun plötzlich etwas metaphysisch Drängendes und die Fischmetaphorik leider auch etwas leicht Aufdringliches. Das assoziativ gelenkte Gespräch dreht sich um jüdische Totenstädte, über Orte des Sterbens und Frösche, die angeblich aus dem Mund gebären. Die erzählerische Leichtigkeit, mit der zwei Nomaden der Zivilisation aufeinander zugesteuert wurden, verpufft rätselhafterweise im Augenblick ihres Zusammentreffens.
Ein erzählerisches Rätsel ist auch die überflüssige dritte Perspektive, die Angelika Overath einführt: Ein Biochemiker in Chefposition, der von seiner Ehefrau nur für ihn überraschend verlassen wurde und sich nun im Raucherraum mit teurem Whisky betrinkt. Er steht unmotiviert im Gefüge des Romans und fällt am Ende auch so unvermittelt wie endgültig daraus heraus, wie überhaupt sich all die kurzfristigen Verbindungslinien schließlich wieder auflösen in die Unverbindlichkeit des Unterwegsseins, des Weitermüssens. Es ist „Flughafenfische” zugute zu halten, sich in intime Nähe des modernen Zustandes von Beziehungslosigkeit und Selbstverausgabung zu begeben und dafür eine Sprache und Bilder zu finden.
CHRISTOPH SCHRÖDER
ANGELIKA OVERATH: Flughafenfische. Roman. Luchterhand Verlag, München 2009. 174 Seiten, 17,95 Euro.
Angelika Overath Foto: Isolde Ohlbaum
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Dass die Autorin sich dem "modernen Zustand von Beziehungslosigkeit und Selbstverausgabung" vermittels eigener Sprache und Bilder annähert, hält Christoph Schröder ihr zugute. Präzise, wahrnehmungsstark findet er den in die Longlist zum Deutschen Buchpreis aufgenommenen Text, wenn Angelika Overath einen bodenständigen Flughafenaquaristen und eine globetrottende Fotografin mit (gelegentlich aufdringlicher) Fischmetaphorik und viel Eleganz vor dem Setting eines internationalen Flughafens miteinander bekannt macht. Staunend konstatiert Schröder Overaths Fähigkeit, den Airport-Kosmos immer wieder auf Einzelphänomene hin transparent zu machen, und das weitgehend dialogfrei. Rätselhaft erscheint Schröder nur, dass die Eleganz ausgerechnet im Moment des Zusammentreffens der beiden Hauptfiguren nachlässt und dass die Autorin eine dritte Figur einführt, die "unmotiviert" im Romangefüge steht. Ein bisschen so, als wäre ihr Flug gerade gestrichen worden.

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"Eine Erzählung mit starker Nachwirkung ... Da ist kein Wort zuviel. Jeder Satz sitzt". Ruth Klüger, Die Literarische Welt