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Leos Eltern haben eine Wirtschaft in Kall in der Eifel betrieben, die sich nicht rechnete. Um die Schulden zu bezahlen, arbeitet die Mutter jetzt in einer Kantine am Ort und kellnert im Gasthaus, das ihnen einmal gehörte. Der Vater ist auf Montage. Leo hat die Schule verlassen und arbeitet als Hilfsarbeiter im Zementwerk, er hat ein Verhältnis mit Ingrid, die verheiratet ist und ihn hinter den Müllcontainern liebt. Leo ist ständig müde. Er sieht Lia, die früher in der Wirtschaft der Mutter half. Lia, die er liebt, die mit einem Verkäufer wegging und sich ein Kind machen ließ. Er sieht, wie sie…mehr

Produktbeschreibung
Leos Eltern haben eine Wirtschaft in Kall in der Eifel betrieben, die sich nicht rechnete. Um die Schulden zu bezahlen, arbeitet die Mutter jetzt in einer Kantine am Ort und kellnert im Gasthaus, das ihnen einmal gehörte. Der Vater ist auf Montage. Leo hat die Schule verlassen und arbeitet als Hilfsarbeiter im Zementwerk, er hat ein Verhältnis mit Ingrid, die verheiratet ist und ihn hinter den Müllcontainern liebt. Leo ist ständig müde. Er sieht Lia, die früher in der Wirtschaft der Mutter half. Lia, die er liebt, die mit einem Verkäufer wegging und sich ein Kind machen ließ. Er sieht, wie sie mit der kleinen Clara zurückkommt und Hilbert heiratet, wie diese Ehe scheitert und Lia andere Männer hat, Clara eines Tages etwas zustößt und Lias Hut im Fluß treibt, neben dem die Jungs Fußball spielen. Genau und lakonisch, mit einem feinen Gespür für Stimmungen und Landschaften und mit dem Erbarmen des geborenen Erzählers beschreibt Norbert Scheuer eine Welt, deren herbe Schönheit zuviel Unglück anzieht und der man doch standhalten muß.
Autorenporträt
Norbert Scheuer, 1951 geboren, studierte physikalische Technik und Philosophie. Er erhielt mehrere Literaturpreise und arbeitet als Sytemprogrammierer. 2010 wurde Norbert Scheuer mit dem "d.lit.-Literaturpreis" ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2002

Gesetz der schiefen Ebene
Katastrophenheimatfilm: Norbert Scheuers Initiationsroman

Es gibt menschliche Welten, in denen nichts als Kreisläufe des Elends ablaufen: Ihre Elemente mögen den Aggregatzustand wechseln - der Misere entkommen sie nicht. Norbert Scheuers Fiktionen beschreiben solche "Elemente", Menschen, die in kleinen Städten der Eifel einen grauen und latent gewalttätigen Alltag zu überleben suchen, sich an das bißchen Glück klammern, was sie erhaschen können, und dabei einander verraten und betrügen. So äußert sich Leo, der Held von Scheuers neuem Roman "Flußabwärts", über den Mann, mit dem seine Mutter den Vater hintergeht: "Ich nahm ihm nicht übel, daß er sich an Mutter heranmachte. Ich dachte, es sei das gute Recht von jedem, sich von dem Liebe zu nehmen, der bereit war, sie zu geben."

Der Roman erzählt die Geschichte der Jugend Leos in einer desillusionierten Rückschau des gealterten Erzählers: "Heute scheint mir, als hätte alles, was ich damals erträumt und gewollt hatte, keine Bedeutung mehr". Und Träume waren in dieser Kindheit notwendige Fluchtpunkte: Leos Familie lebt in dem Weiler Kall in finanzieller Not, seit der Versuch, einen Gasthof zu betreiben, fehlgeschlagen ist. Die Mutter arbeitet weiter im Gasthof unter fremder Regie, der Vater malocht auf fernen Baustellen. Leo selbst bricht die Schule ab, arbeitet hart, macht schließlich Abitur. Er lernt die Liebe mit der verheirateten Ingrid als kurze und sehr vergängliche Angelegenheit kennen.

Seine Geschichte ist auf geheimnisvolle Weise mit derjenigen Lias verwoben, einer jungen Frau, mit der Leo eine unerklärliche Intimität teilt. Sie bewegt sich auf abschüssiger Bahn, hat mehrere Beziehungen, bekommt von einem windigen Rheumadeckenverkäufer ein Kind. Einer ihrer Partner, der psychisch labile Hilbert, verkraftet die Trennung nicht; er kündigt, zieht im Wohnmobil durch die tristen Lande, betäubt sich mit Drogen, verwahrlost. Schließlich hat Lias Tochter einen Unfall, der Verdacht fällt auf Hilbert - die schiefe Ebene wird immer steiler. Als die Katastrophe geschehen ist, erfährt Leo, daß er mit Lia mehr gemein hat, als ein gemeinsames Stück Lebensweg.

Scheuer gelingt es, seine Charaktere und ihre Welt in düsteren Grauschattierungen glaubwürdig zu zeichnen. Um so bedauerlicher sind deplazierte psychologisierende Kommentare und ungenaue Bilder. "Es war das letzte Jahr meiner Kindheit, danach war alles ganz anders" - eine Platitüde des Initiationsromans. Auch Leos Schwestern zu "kleinen schlafenden Engeln" zu machen, ist ein mißlungener Vergleich. Zwar ist die Passage aus Sicht des jungen Leo geschrieben, der diesen Ausdruck vielleicht benutzt hätte. Trotzdem gilt die Maxime Flauberts: "Das Mittelmäßige gut schreiben." Das ist auch dann richtig, wenn die Augen, durch die der Leser blickt, nicht die eines Dichters sind; auch der schäbigste Alltag will mit sprachlicher Kraft dargestellt sein. Eine striktere Befolgung dieses Satzes hätte Scheuers fiktiven Kosmos den letzten Schliff gegeben. Ein gründlicheres Lektorat wäre dem Text gut bekommen.

NIKLAS BENDER

Norbert Scheuer: "Flußabwärts". Verlag C. H. Beck, München 2002. 152 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kein Glück, nirgends, in Norbert Scheuers Roman einer Jugend. Erzählt wird er als Rückschau des gealterten Leo, der von seiner Mutter erzählt und dem Mann, mit dem sie seinen Vater betrügt. Von Lia, der geheimnisvollen Freundin, deren Tochter einen Unfall hat. Und von der Katastrophe, über deren genaue Gestalt der Rezensent Niklas Bender nichts weiter verrät. Gefallen hat ihm das Buch, wenn auch mehr im Ganzen als in manchem Detail. Bei aller Glaubwürdigkeit, die Schilderung der Charaktere und ihrer Welt betreffend, geraten nämlich, bemängelt Bender, gelegentlich "psychologisierende Kommentare und ungenaue Bilder" in den Text, die den positiven Gesamteindruck trüben. Der Rezensent hält es nämlich, ganz apodiktisch, mit Flaubert: an keiner Stelle darf es der Autor, aus wessen Perspektive auch immer erzählt wird, an der "sprachlichen Kraft" der Beschreibung fehlen lassen. Ein besserer Lektor, meint Bender, wäre hier hilfreich gewesen.

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