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Graeme Obree ist vielleicht der ungewöhnlichste, der unglaublichste Star, den der internationale Radsport jemals hervorgebracht hat. Der Held einer Saga vom völlig unbekannten Amateur, der über Nacht zum Stundenweltrekordler aufsteigt. Auf einem Rad, das er aus Waschmaschinenteilen zusammengeschweißt hat, reiht sich Obree am 17. Juli 1993 in die Ahnengalerie des Velosports ein - als Nachfolger von Legenden wie Coppi, Anquetil, Merckx und Moser. Die Welt staunt über einen brillanten Konstrukteur im Rennsattel, der den Radsport um völlig neues, radikales Denken bereichert. Über einen…mehr

Produktbeschreibung
Graeme Obree ist vielleicht der ungewöhnlichste, der unglaublichste Star, den der internationale Radsport jemals hervorgebracht hat. Der Held einer Saga vom völlig unbekannten Amateur, der über Nacht zum Stundenweltrekordler aufsteigt. Auf einem Rad, das er aus Waschmaschinenteilen zusammengeschweißt hat, reiht sich Obree am 17. Juli 1993 in die Ahnengalerie des Velosports ein - als Nachfolger von Legenden wie Coppi, Anquetil, Merckx und Moser.
Die Welt staunt über einen brillanten Konstrukteur im Rennsattel, der den Radsport um völlig neues, radikales Denken bereichert. Über einen weitsichtigen, unbequemen, inspirierenden Freigeist, der sich auch von Willkür und Schikanen nicht ausbremsen lässt und zweimal zum Unmut des Weltverbandes UCI ins Regenbogentrikot des Verfolgungsweltmeisters fährt.
Was wie im Märchen klingen mag, liest sich in der Autobiografie des Graeme Obree aber eher wie ein Albtraum. Denn in "Flying Scotsman" erzählt dieser große schottische Zeitfahrer von seinemLeben als vorbestrafter Außenseiter, der glaubt, seine Existenz nur auf dem Rad und in der Hatz nach immer neuen Großtaten rechtfertigen zu können. Obree berichtet vom verzweifelten Kampf gegen den Alkoholismus und tiefe Depressionen, die in drei Selbstmordversuchen gipfeln.
Dieses Buch zu schreiben, war ihmvielleicht die beste Therapie. Der Autor Obree brilliert mit leisem Humor und einer brutalen, schonungslosen Offenheit, die nicht nur in der Welt des Sports ihresgleichen sucht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.03.2007

"Je größer der Exzess, desto größer die Hingabe"

Am 17. Dezember 2001 machte sich Graeme Obree auf den Weg zu einer Farm, um das Pferd seiner Frau zu füttern. In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages erwachte er in einem weißen Raum. "Die Krankenschwester fragte mich, ob ich wisse, warum ich hier sei." Er verneinte. Seine Frau war bei ihm. Sie erzählte ihm, er habe sich auf der Farm aufgehängt. Ein Mädchen hatte ihn rechtzeitig gefunden.

Graeme Obree? Der Name des heute 41 Jahre alten Schotten war in den neunziger Jahren in der Radsportwelt wohlbekannt. Man sprach von ihm in einer Mischung aus Respekt und Genervtheit. Einerseits hatte sein Stundenweltrekord, den er im Juli 1993 in Hamar in Norwegen aufstellte - er legte 51,596 Kilometer zurück -, eine enorme Öffentlichkeitswirkung. Andererseits gab es viele, die glaubten, er habe sich die Leistung durch unheldenhafte Tüftelei erschlichen und stehe nun zu Unrecht auf derselben Rekordliste wie Fausto Coppi, Jacques Anquetil, Roger Rivière oder Eddy Merckx. Man warf ihm vor, er verdanke seine Vorteile lediglich einer unnatürlich zusammengekauerten, eigentlich den Atem hemmenden Körperhaltung, welche die Aerodynamik stark verbesserte, und einer extremen Radkonstruktion. Sein selbstgebautes Rad enthielt angeblich sogar Teile einer Waschmaschine.

Viel Glück hat Obree der Rekord nicht gebracht. Eine Woche später verlor er ihn an den Briten Chris Boardman. Zudem wurde er ihm im Nachhinein auch noch aberkannt, weil man sein Rad rückwirkend für regelwidrig erklärte. 1994 holte er sich die Bestleistung zwar zurück, doch wieder wurde sie durch den Weltverband annulliert. Das Verbot seiner Räder zerstörte nicht nur Obrees sportliche Laufbahn, sondern auch seine Pläne für das Leben danach - er hatte mit den Spezialrädern Geld verdienen wollen. Der Familienvater hätte dringend eine gesicherte Zukunft gebraucht, denn sein Leben bestand schon seit seiner Kindheit aus Problemen. In seiner Autobiographie "Flying Scotsman" berichtet Obree zwar auch in langatmigen Passagen über unzählige Rennen und deren Verläufe. Doch immer wieder scheint etwas anderes durch: seine psychischen Schwierigkeiten - viel zu spät wird festgestellt, dass er manisch-depressiv ist -, sein belastetes Privatleben, seine Alkoholsucht, seine Selbstmordversuche und der Zwang, durch sportliche Höchstleistungen seine Minderwertigkeitsgefühle zu kompensieren. "Für mich gab es kein olympisches Ideal", schreibt er. "Ich hatte nur zwei Optionen. Entweder Sieg und Überleben. Oder Scheitern, emotionalen Tod und Selbstzerstörung." Der Druck, die anderen nicht zu enttäuschen, war so groß, dass er sich in Hamar zwang, einen Tag nach einem gescheiterten Weltrekordversuch noch einmal anzutreten - diesmal mit Erfolg. Eine übermenschliche Leistung, denn sein Körper hätte mindestens vier Tage Pause gebraucht. Weil seine Muskeln in der Nacht steif zu werden drohten, trank Obree Unmengen Wasser, so dass er immer wieder von selbst aufwachte. Dann ging er zur Toilette, machte Lockerungsübungen, aß Cornflakes und trank Wasser nach. "So setzte ich den Kreislauf fort."

Um trotz seiner Alkoholsucht Leistungssport treiben zu können, entwarf Obree ein passendes Lebenskonzept. Er nannte es in Anlehnung an die chinesische Philosophie Yin und Yang. "Je maßloser der Exzess, so meine Deutung, desto stärker wäre hinterher meine Hingabe bei der WM." Er zechte ein ganzes Wochenende, rauchte wie ein Schlot. "Ein schockierender Zustand für einen Athleten. Aber schließlich war dies das Yin und diente einem guten Zweck, nämlich das Yang zu stärken."

Leistungssportler, das zeigt auch die Biographie Graeme Obrees, schöpfen ihre Motivation nicht immer aus der reinen Lebensfreude. Die extremen Situationen im Spitzensport, hohes Risiko oder völlige körperliche Erschöpfung, werden manchmal auch gesucht, um eine problematische Psyche zu betäuben. Hinter jedem gefeierten Star kann eine leidende Persönlichkeit stehen, hinter jedem Triumph ein übermächtiger Zwang. Obree hat schließlich professionelle Hilfe gefunden und seinem Leben einen Inhalt geben können. "Von nun an", beschloss er, "werde ich versuchen, das Leben um meiner selbst willen zu leben."

EVI SIMEONI

Besprochenes Buch: Graeme Obree: Flying Scotsman, übersetzt von Olaf Bentkämper, Covadonga Verlag, Bielefeld, 330 Seiten, 19,80 Euro.

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