Philipp Hübl führt intelligent und unterhaltsam in die moderne Philosophie ein und gibt klare Antworten auf die großen Fragen des Lebens: Gibt es Gott? Kann man ohne Gefühle leben? Sind wir frei in unseren Entscheidungen? Haben Träume eine Funktion? Warum ist uns Schönheit so wichtig? Hat der Tod einen Sinn?
Wer dem weißen Kaninchen folgt, sieht das Wunderland der Wirklichkeit mit neuen Augen. Es ist eine Jagd mit reicher Beute, hin und her, querweltein, durchs ganze Leben und zurück.
"Hübls locker und luzide geschriebene Einführung ist wärmstens zu empfehlen."
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Wer dem weißen Kaninchen folgt, sieht das Wunderland der Wirklichkeit mit neuen Augen. Es ist eine Jagd mit reicher Beute, hin und her, querweltein, durchs ganze Leben und zurück.
"Hübls locker und luzide geschriebene Einführung ist wärmstens zu empfehlen."
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.01.2013Was Schokolade mit Metaphysik zu tun hat
Der eine steuert auf eine Weisheitslehre zu, der andere kartiert Debattenterrain: Gert Scobel und Philipp Hübl führen auf unterschiedlichen Wegen in die Philosophie ein.
Der bekannte Fernsehmoderator und Wissenschaftsjournalist Gert Scobel hat ein Buch über "die Erfahrung des Denkens" geschrieben. Die Reise beginnt im Ohrensessel der Selbstbeobachtung, führt anhand der Theorien António Damásios zu neurowissenschaftlich geprägten Betrachtungen des Verhältnisses von Denken und Fühlen, widmet sich dann philosophischen Überlegungen zu einer Phänomenologie des Denkens, um schließlich nach Ausblicken auf anthropologische (Michael Tomasello) und psychologische (Gerd Gigerenzer) Forschungen in Erfahrungen einer meditativ-buddhistischen Unterschiedslosigkeit und des "Nichtdenkens" zu münden.
Scobel, ahnt man schnell, will nicht nur einen Überblick über ein aktuell vieldiskutiertes Feld geben, sondern will auf etwas hinaus. Und es ist wohl gerade die Mischung aus existentieller Meditation, Präsentation ungezählter philosophischer Gedanken wie wissenschaftlicher Befunde und Scobels Auftreten als Weisheitslehrer, die das Buch zu einer quälenden Lektüre macht.
Introspektionsübungen sollen den Leser auf die Spur des wahrnehmenden Selbst bringen: "Wo ist das Selbst, das Sie sicher auch wahrgenommen haben, das all dieses, was Sie wahrgenommen haben, tatsächlich wahrgenommen hat? Ist Ihnen der Gedanke gekommen, dass am Ende alles, was Sie wahrgenommen haben - ,draußen' und ,drinnen' -, im Grunde aus einer einzigen Quelle, Ihrem Geist, stammt - oder zumindest doch in Ihrem Geist, Ihrem Bewusstsein zusammenlaufen muss, damit Sie es - auch wenn es von ,draußen' kommt - wahrnehmen können?"
Zwei Konzepte führt Scobel so ein: den Bewusstseinsstrom des Psychologen William James sowie Kants "ich denke", das alle meine Vorstellungen begleiten können muss, um eine Einheit der Erfahrung zu begründen. Das Selbst, das der Leser introspektiv wahrgenommen haben soll - was der Rezensent entschieden bestreiten möchte -, macht dabei stark den Eindruck einer sprachlichen Substantialisierung, vor der eigentlich etliche philosophische Gewährsmänner Scobels , etwa der ausgiebig zitierte Wittgenstein, warnen.
Scobel weiß zwar um diese Einwände. Er schreibt das "denken" und "das philosophieren" mit der Begründung klein, dass es "das" Denken eigentlich nicht gebe, es handle sich schließlich um ein Tun, einen Vorgang. Doch bleibt diese Maßnahme völlig folgenlos, indem nun eben unverdrossen Behauptungen über "das denken" aufgestellt werden. Von Anfang an drängt sich so ein Eindruck auf: So genau darf man es mit diesem Text gar nicht nehmen. Für ein Buch über das Denken ist es freilich fatal, wenn der Leser besser nicht mitdenkt.
Aber was soll man tun, wenn man etwa mit durchaus aufwendigen philosophischen, neurowissenschaftlichen oder zen-buddhistischen Konzeptionen konfrontiert wird, aus denen dann mit Aplomb Schlussfolgerungen gezogen werden wie die, dass das sinnliche Erleben von Schokolade etwas anderes sei als das Denken an Schokolade? Oder wenn eine Liste von "Werkzeugen" des Denkens, mit der ein Teil über Regeln, Logik, Paradoxien, Unterscheidungen und noch manches andere mehr beschlossen wird, kunterbunt nebeneinander Positionen enthält wie: "die Analyse und Produktion von Mustern", "das Vergleichen von Gegenständen, Gedanken, Bildern und Gefühlen" sowie "das Miteinander-Sprechen (Kommunikation)".
Seit Aristoteles, schreibt Scobel, gilt der Satz vom Widerspruch: Eine Aussage kann nicht auf denselben Gegenstand zugleich zutreffen und nicht zutreffen. Das scheint ihm irgendwie nicht zu gefallen, und so setzt er zu einer höchst allgemeinen Eloge auf den Widerspruch an - oder, allen Ernstes, auf "Widersprüche gegen bestehende Theorien". Das ist natürlich schlichtweg eine Sinnverschiebung, denn jetzt meint "Widerspruch" nur noch einen Einwand oder einen Widerspruch zwischen Theorie und Daten, nicht mehr den logischen Selbstwiderspruch, was den Verfasser aber nicht weiter zu stören scheint: Von nun an bilden Widersprüche - nicht, dass man dies einmal am Beispiel vorgeführt bekäme - gleichsam das Ideal, an dem sich das Denken zu bewähren hat.
Irgendwie passt das zu der mystischen Vision, auf die das Buch am Ende hinausläuft: Scobels Darstellungen buddhistischen Denkens vermag der Rezensent nicht auf ihre Triftigkeit zu beurteilen; die Stoßrichtung aber, für die das Ankommen im Hier und Jetzt, die Konzentration auf das Atmen und die Erfahrung des "Nicht-denkens" in Anspruch genommen werden, ist klar: Logik und Rationalität sollen als zu enge und kleinmütige Veranstaltungen überführt werden. Wenn am Ende das "unterscheidende Denken und das gespaltene Bewusstsein in einem erwachten Geist und Körper zur Einheit" finden sollen, fragt sich der erschöpfte Leser allerdings, welche Einheit das denn sein könnte, wenn nicht die eines konturlosen Breis.
In Stil und Substanz geradezu das genaue Gegenteil hierzu bietet Philipp Hübl. Der in der analytischen Philosophie geschulte Stuttgarter Juniorprofessor gibt einen Überblick über die aktuellen Problemstellungen der theoretischen Philosophie zumal nordamerikanischer Provenienz, die sich eng an den Erkenntnissen der Naturwissenschaften entlangzutasten pflegt. Fühlen, Sprechen, Glauben, Träumen, Handeln, Wissen, Genießen, Denken, Berühren und Leben heißen die Komplexe, in die jeweils ein Kapitel anhand der derzeit diskutierten Argumentationsstränge einführt. Unter der Überschrift "Denken" behandelt Hübl die umstrittene Frage, worin denn das Bewusstsein bestehen könnte, wenn es einerseits konsequent durch die Maschen der neurowissenschaftlichen Versuche zu schlüpfen scheint, wir es uns andererseits aber auch nicht mehr einfach als immateriellen "Geist" vorstellen wollen - da sich dann die unbeantwortbare Frage auftäte, wie diese nichtkörperliche Substanz unser Verhalten beeinflussen, also körperliche Wirkungen hervorzubringen vermöchte. Der Autor klärt zunächst das Feld der Bedeutungen, die wir mit dem Ausdruck "Bewusstsein" verbinden - vom bloßen Wissen um einen Sachverhalt über die bewusste Absicht bis zu jener Erlebnisqualität, die darin besteht, wie sich etwas für uns "anfühlt". Darauf aufbauend, kann er dann die Bewusstseinsfrage in unterschiedlich schwerwiegende Problematiken zerlegen: die prinzipiell als lösbar zu denkende Aufgabe, informationsverarbeitende Systeme von menschlicher Komplexität zu entwickeln, und jene andere, die darin bestünde, das zu modellieren und nachzubauen, was wir meinen, wenn wir sagen, dass wir ein Bewusstsein von etwas haben.
Von neurologischen Befunden wie der Blindsicht (bei der die visuellen Signale empfangen, im Gehirn jedoch nicht zu Seheindrücken verarbeitet werden) über den Turing-Test bis zu John Searles Gedankenexperiment des chinesischen Zimmers stellt der Autor zentrale Argumente gut nachvollziehbar dar, so dass auch der nicht vorgebildete Leser problemlos sollte mitdenken können. Wenn Hübl das Bewusstsein am Ende als das in den Augen vieler Zunftvertreter derzeit größte philosophische Rätsel ausweist - weil es an das Gehirn gebunden, aber nicht auf es reduzierbar zu sein scheint -, wird nebenbei deutlich, dass der Autor bei aller Wissenschaftsnähe seines Philosophieverständnisses mitnichten zu jenen Naturalisten zählt, die alles auf Neuronen reduzieren wollen. Eher macht er sich lustig über die Mode, aus der unverzichtbaren neuronalen Grundlage aller menschlichen Aktivitäten flugs neue Disziplinen wie die Neuro-Ethik und das Neuro-Marketing zusammenzimmern zu wollen.
Ein gewisser Szientismus besteht allerdings in der Beschränkung der "guten" Philosophen auf solche, die "zum wissenschaftlichen Fortschritt beitragen" wollen - womit im Kontext der analytischen Philosophie die Naturwissenschaften gemeint sein dürften. So ist in diesem Buch zur theoretischen Philosophie von Sozial- und Kultur-, von praktischer und politischer Philosophie, von Hermeneutik und Gesellschaftskritik naturgemäß nicht die Rede, und die wenigen Bemerkungen zu europäischen Denkschulen zeugen von einer zuweilen schon skurrilen Abwehrhaltung. Wer sich bewusstmacht, dass das hier vorgestellte analytische Feld nur eine kleine Parzelle des philosophischen Ackers bildet, dem allerdings ist Hübls locker und luzide geschriebene Einführung wärmstens zu empfehlen.
MICHAEL ADRIAN
Gert Scobel: "Warum wir philosophieren müssen". Die Erfahrung des Denkens.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012. 586 S., geb., 24,99 [Euro].
Philipp Hübl: "Folge dem weißen Kaninchen ... in die Welt der Philosophie".
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2012. 346 S., br., 11,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der eine steuert auf eine Weisheitslehre zu, der andere kartiert Debattenterrain: Gert Scobel und Philipp Hübl führen auf unterschiedlichen Wegen in die Philosophie ein.
Der bekannte Fernsehmoderator und Wissenschaftsjournalist Gert Scobel hat ein Buch über "die Erfahrung des Denkens" geschrieben. Die Reise beginnt im Ohrensessel der Selbstbeobachtung, führt anhand der Theorien António Damásios zu neurowissenschaftlich geprägten Betrachtungen des Verhältnisses von Denken und Fühlen, widmet sich dann philosophischen Überlegungen zu einer Phänomenologie des Denkens, um schließlich nach Ausblicken auf anthropologische (Michael Tomasello) und psychologische (Gerd Gigerenzer) Forschungen in Erfahrungen einer meditativ-buddhistischen Unterschiedslosigkeit und des "Nichtdenkens" zu münden.
Scobel, ahnt man schnell, will nicht nur einen Überblick über ein aktuell vieldiskutiertes Feld geben, sondern will auf etwas hinaus. Und es ist wohl gerade die Mischung aus existentieller Meditation, Präsentation ungezählter philosophischer Gedanken wie wissenschaftlicher Befunde und Scobels Auftreten als Weisheitslehrer, die das Buch zu einer quälenden Lektüre macht.
Introspektionsübungen sollen den Leser auf die Spur des wahrnehmenden Selbst bringen: "Wo ist das Selbst, das Sie sicher auch wahrgenommen haben, das all dieses, was Sie wahrgenommen haben, tatsächlich wahrgenommen hat? Ist Ihnen der Gedanke gekommen, dass am Ende alles, was Sie wahrgenommen haben - ,draußen' und ,drinnen' -, im Grunde aus einer einzigen Quelle, Ihrem Geist, stammt - oder zumindest doch in Ihrem Geist, Ihrem Bewusstsein zusammenlaufen muss, damit Sie es - auch wenn es von ,draußen' kommt - wahrnehmen können?"
Zwei Konzepte führt Scobel so ein: den Bewusstseinsstrom des Psychologen William James sowie Kants "ich denke", das alle meine Vorstellungen begleiten können muss, um eine Einheit der Erfahrung zu begründen. Das Selbst, das der Leser introspektiv wahrgenommen haben soll - was der Rezensent entschieden bestreiten möchte -, macht dabei stark den Eindruck einer sprachlichen Substantialisierung, vor der eigentlich etliche philosophische Gewährsmänner Scobels , etwa der ausgiebig zitierte Wittgenstein, warnen.
Scobel weiß zwar um diese Einwände. Er schreibt das "denken" und "das philosophieren" mit der Begründung klein, dass es "das" Denken eigentlich nicht gebe, es handle sich schließlich um ein Tun, einen Vorgang. Doch bleibt diese Maßnahme völlig folgenlos, indem nun eben unverdrossen Behauptungen über "das denken" aufgestellt werden. Von Anfang an drängt sich so ein Eindruck auf: So genau darf man es mit diesem Text gar nicht nehmen. Für ein Buch über das Denken ist es freilich fatal, wenn der Leser besser nicht mitdenkt.
Aber was soll man tun, wenn man etwa mit durchaus aufwendigen philosophischen, neurowissenschaftlichen oder zen-buddhistischen Konzeptionen konfrontiert wird, aus denen dann mit Aplomb Schlussfolgerungen gezogen werden wie die, dass das sinnliche Erleben von Schokolade etwas anderes sei als das Denken an Schokolade? Oder wenn eine Liste von "Werkzeugen" des Denkens, mit der ein Teil über Regeln, Logik, Paradoxien, Unterscheidungen und noch manches andere mehr beschlossen wird, kunterbunt nebeneinander Positionen enthält wie: "die Analyse und Produktion von Mustern", "das Vergleichen von Gegenständen, Gedanken, Bildern und Gefühlen" sowie "das Miteinander-Sprechen (Kommunikation)".
Seit Aristoteles, schreibt Scobel, gilt der Satz vom Widerspruch: Eine Aussage kann nicht auf denselben Gegenstand zugleich zutreffen und nicht zutreffen. Das scheint ihm irgendwie nicht zu gefallen, und so setzt er zu einer höchst allgemeinen Eloge auf den Widerspruch an - oder, allen Ernstes, auf "Widersprüche gegen bestehende Theorien". Das ist natürlich schlichtweg eine Sinnverschiebung, denn jetzt meint "Widerspruch" nur noch einen Einwand oder einen Widerspruch zwischen Theorie und Daten, nicht mehr den logischen Selbstwiderspruch, was den Verfasser aber nicht weiter zu stören scheint: Von nun an bilden Widersprüche - nicht, dass man dies einmal am Beispiel vorgeführt bekäme - gleichsam das Ideal, an dem sich das Denken zu bewähren hat.
Irgendwie passt das zu der mystischen Vision, auf die das Buch am Ende hinausläuft: Scobels Darstellungen buddhistischen Denkens vermag der Rezensent nicht auf ihre Triftigkeit zu beurteilen; die Stoßrichtung aber, für die das Ankommen im Hier und Jetzt, die Konzentration auf das Atmen und die Erfahrung des "Nicht-denkens" in Anspruch genommen werden, ist klar: Logik und Rationalität sollen als zu enge und kleinmütige Veranstaltungen überführt werden. Wenn am Ende das "unterscheidende Denken und das gespaltene Bewusstsein in einem erwachten Geist und Körper zur Einheit" finden sollen, fragt sich der erschöpfte Leser allerdings, welche Einheit das denn sein könnte, wenn nicht die eines konturlosen Breis.
In Stil und Substanz geradezu das genaue Gegenteil hierzu bietet Philipp Hübl. Der in der analytischen Philosophie geschulte Stuttgarter Juniorprofessor gibt einen Überblick über die aktuellen Problemstellungen der theoretischen Philosophie zumal nordamerikanischer Provenienz, die sich eng an den Erkenntnissen der Naturwissenschaften entlangzutasten pflegt. Fühlen, Sprechen, Glauben, Träumen, Handeln, Wissen, Genießen, Denken, Berühren und Leben heißen die Komplexe, in die jeweils ein Kapitel anhand der derzeit diskutierten Argumentationsstränge einführt. Unter der Überschrift "Denken" behandelt Hübl die umstrittene Frage, worin denn das Bewusstsein bestehen könnte, wenn es einerseits konsequent durch die Maschen der neurowissenschaftlichen Versuche zu schlüpfen scheint, wir es uns andererseits aber auch nicht mehr einfach als immateriellen "Geist" vorstellen wollen - da sich dann die unbeantwortbare Frage auftäte, wie diese nichtkörperliche Substanz unser Verhalten beeinflussen, also körperliche Wirkungen hervorzubringen vermöchte. Der Autor klärt zunächst das Feld der Bedeutungen, die wir mit dem Ausdruck "Bewusstsein" verbinden - vom bloßen Wissen um einen Sachverhalt über die bewusste Absicht bis zu jener Erlebnisqualität, die darin besteht, wie sich etwas für uns "anfühlt". Darauf aufbauend, kann er dann die Bewusstseinsfrage in unterschiedlich schwerwiegende Problematiken zerlegen: die prinzipiell als lösbar zu denkende Aufgabe, informationsverarbeitende Systeme von menschlicher Komplexität zu entwickeln, und jene andere, die darin bestünde, das zu modellieren und nachzubauen, was wir meinen, wenn wir sagen, dass wir ein Bewusstsein von etwas haben.
Von neurologischen Befunden wie der Blindsicht (bei der die visuellen Signale empfangen, im Gehirn jedoch nicht zu Seheindrücken verarbeitet werden) über den Turing-Test bis zu John Searles Gedankenexperiment des chinesischen Zimmers stellt der Autor zentrale Argumente gut nachvollziehbar dar, so dass auch der nicht vorgebildete Leser problemlos sollte mitdenken können. Wenn Hübl das Bewusstsein am Ende als das in den Augen vieler Zunftvertreter derzeit größte philosophische Rätsel ausweist - weil es an das Gehirn gebunden, aber nicht auf es reduzierbar zu sein scheint -, wird nebenbei deutlich, dass der Autor bei aller Wissenschaftsnähe seines Philosophieverständnisses mitnichten zu jenen Naturalisten zählt, die alles auf Neuronen reduzieren wollen. Eher macht er sich lustig über die Mode, aus der unverzichtbaren neuronalen Grundlage aller menschlichen Aktivitäten flugs neue Disziplinen wie die Neuro-Ethik und das Neuro-Marketing zusammenzimmern zu wollen.
Ein gewisser Szientismus besteht allerdings in der Beschränkung der "guten" Philosophen auf solche, die "zum wissenschaftlichen Fortschritt beitragen" wollen - womit im Kontext der analytischen Philosophie die Naturwissenschaften gemeint sein dürften. So ist in diesem Buch zur theoretischen Philosophie von Sozial- und Kultur-, von praktischer und politischer Philosophie, von Hermeneutik und Gesellschaftskritik naturgemäß nicht die Rede, und die wenigen Bemerkungen zu europäischen Denkschulen zeugen von einer zuweilen schon skurrilen Abwehrhaltung. Wer sich bewusstmacht, dass das hier vorgestellte analytische Feld nur eine kleine Parzelle des philosophischen Ackers bildet, dem allerdings ist Hübls locker und luzide geschriebene Einführung wärmstens zu empfehlen.
MICHAEL ADRIAN
Gert Scobel: "Warum wir philosophieren müssen". Die Erfahrung des Denkens.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012. 586 S., geb., 24,99 [Euro].
Philipp Hübl: "Folge dem weißen Kaninchen ... in die Welt der Philosophie".
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2012. 346 S., br., 11,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Sehr klar und eingängig findet Rezensent Michael Adrian vom Stuttgarter Juniorphilosophen Philipp Hübl die aktuellen Probleme der analytischen Philosophie aufbereitet. Hier fühlt er sich kundig aufgeklärt über Fragen des Bewusstseins, der Wahrnehmung und des Erlebens und lernt die zentralen Argumente und die einschlägigen Experimenten kennen. Allerdings bemerkt Adrian auch einen szentistische Ausrichtung, die sich auf eine gute Philosophie kapriziert, die dem wissenschaftlichen Fortschritt dient. Und in Hinsicht auf europäische Denkschulen erkennt der Rezensent bei dem nordamerikanisch ausgerichteten Autor gar eine "schon skurrile Abwehrhaltung".
© Perlentaucher Medien GmbH
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