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Der erste Ergänzungsband zur Bargfelder Ausgabe versammelt die Fragmente aus dem Nachlaß Arno Schmidts. Unabgeschlossenes und Ideenskizzen, teils mit zugehörigem Zettelmaterial, machen den Hauptteil dieses Bandes aus; aber auch erst kurz vor der letzten Überarbeitung abgebrochene Texte wie der Radiodialog über Ludvig Holberg oder der Essay über Karl Philipp Moritz werden hier erstmals veröffentlicht.
Kühe in Halbtrauer, eine der bekanntesten Erzählungen Schmidts, die Titelgeberin für die 1964 erstmals erschiene ländliche Geschichte, wurde von ihm erst in der dritten Fassung zur
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Produktbeschreibung
Der erste Ergänzungsband zur Bargfelder Ausgabe versammelt die Fragmente aus dem Nachlaß Arno Schmidts. Unabgeschlossenes und Ideenskizzen, teils mit zugehörigem Zettelmaterial, machen den Hauptteil dieses Bandes aus; aber auch erst kurz vor der letzten Überarbeitung abgebrochene Texte wie der Radiodialog über Ludvig Holberg oder der Essay über Karl Philipp Moritz werden hier erstmals veröffentlicht.

Kühe in Halbtrauer, eine der bekanntesten Erzählungen Schmidts, die Titelgeberin für die 1964 erstmals erschiene ländliche Geschichte, wurde von ihm erst in der dritten Fassung zur Veröffentlichung vorgesehen. Die ersten beiden Entwürfe, in denen sich die Erzählperspektive auf das Thema, den deutschen Widerstand, herauskristallisiert, liegen hier zum ersten Mal in Buchform vor, ebenso die fragmentarische Urfassung des Joyce-Dialogs Der Meister des Odysseus, in der Schmidt sich erstmals ausführlich mit Finnegans Wake auseinandersetzte - eine Beschäftigung, die fast sein ganzes Leben lang anhalten sollte.

Ein ausführlicher editorischer Anhang erläutert die Entstehung der Texte und gibt die wichtigsten Varianten wieder.
Autorenporträt
Arno Schmidt wurde am 18. Januar 1914 in Hamburg geboren. Nachdem er kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs aus englischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden war, arbeitete er zunächst als Dolmetscher, von 1947 an als freier Schriftsteller. Nach Stationen in Cordingen, Kastel an der Saar und Darmstadt zog er 1958 mit seiner Frau Alice nach Bargfeld (Kreis Celle), wo er bis zu seinem Tod zurückgezogen lebte. Von 1949 an, als seine Erzählung Leviathan in Buchform erschien, entstanden Romane, Dialoge zur Literatur für den Rundfunk, Essays und biographische Arbeiten, darunter sein Hauptwerk Zettel's Traum, 1334 DIN-A3-Seiten stark und über zehn Kilo schwer. Aufgrund des komplexen Layouts konnte es 1970 nur als Faksimile des Typoskripts erscheinen; erst seit 2010 liegt es in gesetzter Form vor. Arno Schmidt starb am 3. Juni 1979 in Celle. Zwei Jahre nach seinem Tod gründeten seine Frau Alice und Jan Philipp Reemtsma die Arno Schmidt Stiftung.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Zahlreiche frappierende Funde hat Rezensent Tilman Spreckelsen innerhalb dieses überaus heterogenen Materials aus dem Nachlass Arno Schmidts gemacht. Der mehr als vierhundert Seiten starke Band enthält seinen Informationen zufolge "Notizzettel und halbfertige Funkessays‚ Bilder, Exzerpte, eine Reihe autobiografischer Texte und kleine Ansprachen", meist aus den fünfziger Jahren. Nicht alles sei neu, es erscheine beispielsweise das "Lilienthal"-Konvolut hier ein weiteres Mal, was der Rezensent zum Anlass nimmt, den unvollständigen Verweis auf Erstdrucke in dieser Edition zu bemängeln. Seiner Freude an den Texten tat dies jedoch keinen Abbruch, gibt Spreckelsen zu Protokoll, der sich immer wieder festgelesen hat - wie etwa in den ganz unterschiedlichen Frühformen der Erzählung "Kühe in Halbtrauer" oder dem "großartigen, überaus szenisch gehaltenen Radiodialog" über den mittelhochdeutschen "Ruodlieb"-Roman. In vielen Skizzen Schmidts erkennt er außerdem "ein faszinierendes und ausgefeiltes Gedankenspiel".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.01.2004

Bei sich selbst hat er immer gern geklaut
Lauter verlorene Fäden: Nachgelassene Prosaskizzen, Pläne und Skizzen erhellen Werk und Arbeitsweisen von Arno Schmidt

Als die letzte Frau den letzten Mann verläßt, acht Jahre nach der atomaren Apokalypse, fällt die Trennung beiden schwer. "In 8 Tagen bereu ichs schon", ahnt Lisa, läßt dem Verlassenen aber noch eine vage Hoffnung auf ein Wiedersehen: "Du bleibst ja hier, und ich weiß immer, wo meine letzte Zuflucht sein kann: -?!" Die keineswegs kitschfreie Liebesgeschichte in Arno Schmidts Roman "Schwarze Spiegel" von 1951 ist damit an ein Ende gekommen - ein vorläufiges, wie sich jetzt zeigt. Denn aus dem Nachlaß Arno Schmidts ist nun der Plan für einen Text "Schwarze Spiegel II" aufgetaucht, in dem der Autor sechs Jahre nach dem ersten Teil ruppig mit der früheren Romantik aufräumen wollte. Über den Ich-Erzähler heißt es in der Skizze: "Er hat jetzt 40 Jahre einsam gelebt und ist 80: da kommt Lisa zurück! Schrecklich, 90jährig, zaundürr. / Sie sitzen ein paar Herbsttage zankend beisammen. / Strenger Winter / Sie besaufen sich, zünden das Haus an; und legen sich - einige 30 Meter weg voneinander in den Schnee: es fängt ganz fein & trocken an zu schneien."

Der mehr als vierhundert Seiten starke Band mit Fragmenten Arno Schmidts, der jetzt als erstes Supplement zur großen Werkausgabe erschienen ist, wartet mit zahlreichen frappierenden Funden innerhalb eines überaus heterogenem Materials auf, das der Autor, der an diesem Sonntag neunzig Jahre alt geworden wäre, hinterlassen hat. Da sind Notizzettel und halbfertige Funkessays, Bilder, Exzerpte, eine Reihe autobiographischer Texte und kleine Ansprachen - etwa die Reden, die er 1955 und 1956 für Eberhard Schlotter schrieb, als der sich verzweifelt an den Freund wandte, weil er als Präsident der Darmstädter Sezession Laudationes zu halten und Ausstellungen zu eröffnen hatte. Schlotters Dankbarkeit überliefert das Tagebuch Alice Schmidts.

Nicht alles ist neu - enthalten sind auch jene mittlerweile bekannten Stücke wie die Fragmente "Brüssel" oder "Die Feuerstellung" (F.A.Z. vom 16. März 2002), ebenso ein Teil des ebenfalls schon separat publizierten "Lilienthal"-Konvoluts erscheint hier ein weiteres Mal. Es ist ein kleines Manko dieser sonst ansprechenden Edition, daß bei den bereits erschienenen Texten nur unvollständig auf die Erstdrucke verwiesen wird. Und natürlich wird man viel von dem wiedererkennen, was Schmidt später in anderer Form veröffentlicht hat - "an sich selbst" begehe man schließlich "kein Plagiat" heißt es oft genug im Werk und in den Briefen des Autors, und so hat vieles des hier Gebotenen als Steinbruch gedient, einzelne Formulierungen oder ganze Absätze, und der Reiz dieser Nebenstücke zum bereits Publizierten ist naturgemäß von Fall zu Fall sehr unterschiedlich.

Der Freude an den Texten tut dies jedoch keinen Abbruch. Immer wieder liest man sich fest in den Prosaskizzen und Plänen, in den tatsächlich ganz unterschiedlichen Frühformen der Erzählung "Kühe in Halbtrauer" etwa, der knappen Rundfunkfassung des "Gadir" mit einem erhellenden eingeschriebenen Kommentar, der das Stück einleitet, vor allem aber dem großartigen, überaus szenisch gehaltenen Radiodialog über den mittelhochdeutschen "Ruodlieb"-Roman. Den stuft Schmidt als Vorläufer eines realistischen Literaturkonzepts ein und wirbt so warm und kenntnisreich für das fragmentarisch überlieferte Werk, daß man sich von Herzen über Schmidts Unlust grämen kann, diesen Dialog mit dem Titel "So fing es an" auch zu einem Ende zu bringen. An den Rand des 1957 begonnenen Textes schreibt er vier Jahre später die Bemerkung: "an sich ganz lustig - aber ich finde den Faden nicht mehr".

Diese geringe Freude am begonnenen, liegengelassenen und irgendwann wieder hervorgezogenen Text hegt Schmidt nicht nur dem Ruodlieb-Essay gegenüber. Auch einen im ersten Entwurf ausgeführten (und heute leider seines Anfangs beraubten) Radiodialog zu Holberg kommentiert Schmidt 1957 im Tagebuch nach neuerlicher Lektüre: "recht, recht mäßig geworden! (nochmal umarbeiten?)".

Die meisten dieser Fragmente stammen aus den fünfziger Jahren. Neben den Varianten zu später gedruckten Texten sind vor allem die aufgegebenen Pläne von Interesse. Daß einige von ihnen nicht ausgeführt wurden, wird man nicht allzu sehr bedauern, etwa im Fall der für einen literarischen Wettbewerb entworfenen Geschichte "Dichter machen", deren Skizze tatsächlich ganz uninspiriert wirkt. Andere lassen in dem wenigen, was Schmidt notierte, ein faszinierendes und ausgefeiltes Gedankenspiel erkennen, etwa im rätselhaften Stück "Birdo's Wald oder Das Reich des Übergangs", das offenbar am Hadrianswall in der Spätantike spielen sollte, mit sanften Anklängen an die Artusepik, und die Herausgeber vermerken dazu, "im Archiv der Arno Schmidt Stiftung" gebe es "noch eine Mappe mit Materialien zu ,Birdo's Wald' (Fotos, Karten, Exzerpte und Broschüren)." Darüber wüßte man gerne mehr.

Arno Schmidt: "Fragmente". Bargfelder Ausgabe, Supplemente Bd. 1. Herausgegeben von Susanne Fischer und Bernd Rauschenbach. Eine Edition der Arno Schmidt Stiftung im Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2003. 432 S., geb., 49,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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