Wird der Mensch durch künstliche Intelligenz und Robotik überflüssig? Cukier, Mayer-Schönberger und de Véricourt belegen, warum diese Sorge unbegründet ist. Der menschliche Geist besitzt die einzigartige Fähigkeit, über Framing eigene Deutungsmuster zu erstellen, etwa um Informationen einzuordnen, Vorhersagen über die Zukunft zu treffen und auf ganz neue Lösungswege zu stoßen.
Die Autoren beschreiben, wie Framing funktioniert, warum der Ratschlag, »out of the box« zu denken, nutzlos ist und wieso Spotify und nicht Apple das Musikerlebnis revolutioniert hat. Und warum es ein Framing-Desaster war, COVID-19 mit der saisonalen Grippe gleichzusetzen. Framers zeigt uns nicht nur, wie wir im Zeitalter der Algorithmen bessere Entscheidungen fällen können, sondern auch, wie Framing das menschliche Überleben im Zeitalter der Maschinen und Unruhen sichert.
Die Autoren beschreiben, wie Framing funktioniert, warum der Ratschlag, »out of the box« zu denken, nutzlos ist und wieso Spotify und nicht Apple das Musikerlebnis revolutioniert hat. Und warum es ein Framing-Desaster war, COVID-19 mit der saisonalen Grippe gleichzusetzen. Framers zeigt uns nicht nur, wie wir im Zeitalter der Algorithmen bessere Entscheidungen fällen können, sondern auch, wie Framing das menschliche Überleben im Zeitalter der Maschinen und Unruhen sichert.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.2022Ein Spiel mit Perspektiven
Ein Band über die guten Seiten des Framings
Der Begriff "Framing" hat im politischen Diskurs längst Antonio Gramscis gute alte "Hegemonie" abgelöst. Im internetbasierten Alltag bedeutet er umgangssprachlich meistens, dass die Social-Media- und Influencer-Truppen einer Partei oder Organisation es geschafft haben, eine bestimmte Sicht auf ein neues Phänomen durchzusetzen und diese Perspektive in der Debatte zu verfestigen - oder sie blitzschnell zu ihren Gunsten zu verschieben, wenn sie nicht mehr funktioniert.
Sozialwissenschaftler würden zum Thema Framing auf die Arbeiten von Daniel Kahneman und Amos Twersky verweisen: Setzt man Probanden verschiedenen Darstellungen desselben Gegenstands aus, werden diese bestimmen, wie man sich dem Thema gegenüber verhält. Der Begriff des Framings hat derzeit eher einen schlechten Ruf, er erinnert an Trickstertum und Manipulation. Die Autoren des vorliegenden Buchs, der Journalist Kenneth Cukier, der österreichische Jurist Viktor Mayer-Schönberger und der französische Informatiker Francis de Véricourt, wollen das ändern. "Framing" ist für sie eine kreative Methode zur Problemlösung: "Framing ist nach unserem Verständnis nicht, in welchem Licht etwas erscheint", heißt es mit Blick auf Kahneman und Twersky, "für uns steht 'Framing' vielmehr für die bewusste Verwendung gedanklicher Modelle, um mehr und alternative Entscheidungsmöglichkeiten zu erkennen."
Den Autoren geht es um das Spiel mit Perspektiven. So stellen sie einen Satz von Regeln auf, der allerdings nicht der Kreativität als Selbstzweck verpflichtet ist, wie etwa die scheinbar sinnlosen Handlungsanweisungen von regelbasierten Kunstavantgardegruppen wie Oulipo oder Fluxus. Tatsächliche Probleme in Forschung, Planung und Verwaltung sollen von den "Framern" bewältigt werden können. So gestehen sie dem "kontrafaktischen Denken", also der Phantasie, eine wichtige Rolle in ihrem Prozess zu, aber dieses soll durch Bedingungen wie Konsistenz in Wahrnehmung und Handeln sowie ein genaues Bewusstsein für Kausalitäten ausbalanciert werden.
"Out of the box" zu denken sei nicht genug, so die Autoren, es gelte vielmehr, die real existierenden Beschränkungen produktiv zu machen. Es sei aber ebenso wichtig, die materiellen und politischen Bedingungen für kreative Arbeit zu sichern. Die Arbeit der "Framers" werde derzeit von populistischen "Emotionalisten" der Trump-Schule genauso bedroht wie von Vertretern falsch verstandener "künstlicher Intelligenz", die den Computern die Macht überlassen wollten.
Entscheidungsfähigkeit sei eine grundlegende menschliche Eigenschaft, die durch die Framing-Handlungsvorschläge gestärkt werden solle. Dabei ist Cukier und seinen Kollegen keine Technikfeindlichkeit vorzuwerfen. Viele Beispiele für kompetente Problemlösung durch "Framing" haben eine technische Komponente, ein Fall beschreibt den Einsatz von maschinellem Lernen in der Arzneimittelproduktion. Die Technik ist in "Framers" eher Servolenkung als Autopilot, der Mensch sitzt immer hinterm Steuer und gibt die Richtung vor.
"Framers" ist zuallererst ein Management-Buch, aber auch eine Art Manifest einer bedrohten gesellschaftlichen Mitte und des liberalen Pluralismus. Der letzte Vorschlag der Autoren lautet: "Lehnen Sie alles ab, was sich als einzig gültiger Frame zur Erfassung der gesamten Wirklichkeit geriert." Die Autoren unterstreichen die Nähe ihres Denkens zu dem der amerikanischen Politologin Judith Shklar: Menschen müssten angstfrei entscheiden und handeln können.
Das Problem von "Framers" ist nicht der Inhalt, sondern der Titel und die Terminologie. "Framing" ist in den Sozialwissenschaften schon als Begriff prominent besetzt, und jemand, der nach dem wahrnehmungspsychologischen Konzept von Kahneman und Twersky sucht, wird von dem vorliegenden Werk eher enttäuscht sein. Die Autoren greifen durchaus auf Kahnemans Arbeiten zurück, erweitern aber die Bedeutung des Framing-Begriffs in mehreren Dimensionen, sodass es klüger gewesen wäre, für das neue "Framing" als erweiterte Entscheidungstechnik einen anderen zu erfinden, das Ganze gewissermaßen neu zu framen. GÜNTER HACK
K. Cukier, V. Mayer-Schönberger und F. de Véricourt: "Framers". Wie wir bessere Entscheidungen
treffen und warum uns Maschinen um diese Stärke immer beneiden werden.
Redline Verlag, München 2022. 272 S., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Band über die guten Seiten des Framings
Der Begriff "Framing" hat im politischen Diskurs längst Antonio Gramscis gute alte "Hegemonie" abgelöst. Im internetbasierten Alltag bedeutet er umgangssprachlich meistens, dass die Social-Media- und Influencer-Truppen einer Partei oder Organisation es geschafft haben, eine bestimmte Sicht auf ein neues Phänomen durchzusetzen und diese Perspektive in der Debatte zu verfestigen - oder sie blitzschnell zu ihren Gunsten zu verschieben, wenn sie nicht mehr funktioniert.
Sozialwissenschaftler würden zum Thema Framing auf die Arbeiten von Daniel Kahneman und Amos Twersky verweisen: Setzt man Probanden verschiedenen Darstellungen desselben Gegenstands aus, werden diese bestimmen, wie man sich dem Thema gegenüber verhält. Der Begriff des Framings hat derzeit eher einen schlechten Ruf, er erinnert an Trickstertum und Manipulation. Die Autoren des vorliegenden Buchs, der Journalist Kenneth Cukier, der österreichische Jurist Viktor Mayer-Schönberger und der französische Informatiker Francis de Véricourt, wollen das ändern. "Framing" ist für sie eine kreative Methode zur Problemlösung: "Framing ist nach unserem Verständnis nicht, in welchem Licht etwas erscheint", heißt es mit Blick auf Kahneman und Twersky, "für uns steht 'Framing' vielmehr für die bewusste Verwendung gedanklicher Modelle, um mehr und alternative Entscheidungsmöglichkeiten zu erkennen."
Den Autoren geht es um das Spiel mit Perspektiven. So stellen sie einen Satz von Regeln auf, der allerdings nicht der Kreativität als Selbstzweck verpflichtet ist, wie etwa die scheinbar sinnlosen Handlungsanweisungen von regelbasierten Kunstavantgardegruppen wie Oulipo oder Fluxus. Tatsächliche Probleme in Forschung, Planung und Verwaltung sollen von den "Framern" bewältigt werden können. So gestehen sie dem "kontrafaktischen Denken", also der Phantasie, eine wichtige Rolle in ihrem Prozess zu, aber dieses soll durch Bedingungen wie Konsistenz in Wahrnehmung und Handeln sowie ein genaues Bewusstsein für Kausalitäten ausbalanciert werden.
"Out of the box" zu denken sei nicht genug, so die Autoren, es gelte vielmehr, die real existierenden Beschränkungen produktiv zu machen. Es sei aber ebenso wichtig, die materiellen und politischen Bedingungen für kreative Arbeit zu sichern. Die Arbeit der "Framers" werde derzeit von populistischen "Emotionalisten" der Trump-Schule genauso bedroht wie von Vertretern falsch verstandener "künstlicher Intelligenz", die den Computern die Macht überlassen wollten.
Entscheidungsfähigkeit sei eine grundlegende menschliche Eigenschaft, die durch die Framing-Handlungsvorschläge gestärkt werden solle. Dabei ist Cukier und seinen Kollegen keine Technikfeindlichkeit vorzuwerfen. Viele Beispiele für kompetente Problemlösung durch "Framing" haben eine technische Komponente, ein Fall beschreibt den Einsatz von maschinellem Lernen in der Arzneimittelproduktion. Die Technik ist in "Framers" eher Servolenkung als Autopilot, der Mensch sitzt immer hinterm Steuer und gibt die Richtung vor.
"Framers" ist zuallererst ein Management-Buch, aber auch eine Art Manifest einer bedrohten gesellschaftlichen Mitte und des liberalen Pluralismus. Der letzte Vorschlag der Autoren lautet: "Lehnen Sie alles ab, was sich als einzig gültiger Frame zur Erfassung der gesamten Wirklichkeit geriert." Die Autoren unterstreichen die Nähe ihres Denkens zu dem der amerikanischen Politologin Judith Shklar: Menschen müssten angstfrei entscheiden und handeln können.
Das Problem von "Framers" ist nicht der Inhalt, sondern der Titel und die Terminologie. "Framing" ist in den Sozialwissenschaften schon als Begriff prominent besetzt, und jemand, der nach dem wahrnehmungspsychologischen Konzept von Kahneman und Twersky sucht, wird von dem vorliegenden Werk eher enttäuscht sein. Die Autoren greifen durchaus auf Kahnemans Arbeiten zurück, erweitern aber die Bedeutung des Framing-Begriffs in mehreren Dimensionen, sodass es klüger gewesen wäre, für das neue "Framing" als erweiterte Entscheidungstechnik einen anderen zu erfinden, das Ganze gewissermaßen neu zu framen. GÜNTER HACK
K. Cukier, V. Mayer-Schönberger und F. de Véricourt: "Framers". Wie wir bessere Entscheidungen
treffen und warum uns Maschinen um diese Stärke immer beneiden werden.
Redline Verlag, München 2022. 272 S., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Günter Hack begrüßt den Versuch des Journalisten Kenneth Cukier, des Juristen Viktor Mayer-Schönberger und des Informatikers Francis de Vericourt den Begriff des "Framings" von seinem schlechten Ruf zu befreien. Framing ist für die Autoren nicht nur Manipulation durch Populisten und KI-Fanatiker, sondern das "Spiel mit Perspektiven", erklärt der Kritiker, der hier auch einige kreativitätsfördernde Handlungsanweisungen entdeckt. Das Anliegen der Autoren, in ihrem Mix aus "Management-Buch und Manifest" für den liberalen Pluralismus einzutreten, ist für den Rezensenten unverkennbar. Mit Titel und Terminologie wird er allerdings nicht ganz glücklich: Der Begriff "Framing" sei bereits durch die Sozialwissenschaftler Daniel Kahneman und Amos Twersky besetzt, für dessen Erweiterung hätte sich Hack deshalb einen neuen Begriff gewünscht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Dieses scharfsinnige Buch [...] ist eine Pflichtlektüre - eine ruhige Hand für unsere turbulenten Zeiten." -Adam Grant, Bestsellerautor von Think Again "Ein großartiges Buch voller neuer Perspektiven, die uns beim Aufstieg künstlicher Intelligenz helfen, damit wir das Zeitalter der Menschlichkeit einläuten können." -will.i.am, Musiker und Entrepreneur "Ein faszinierender Blick darauf, was den Menschen im Zeitalter der Algorithmen auszeichnet - und wie Menschen ihre Denkweise verbessern können, um der Maschine voraus zu sein." -Mustafa Suleyman, Mitgründer von DeepMind und Vizepräsident bei Google "Ein gut geschriebenes Rezept für intelligentes Denken [...]. Ein mutiger Aufruf Pluralismus und fortschrittliche menschliche Werte wieder in einen Entscheidungsprozess einzubringen, der von Algorithmen oder einem Bauchgefühl dominiert wird." -The Financial Times "Ein Loblied auf die kognitive Beweglichkeit und die Elastizität der Vorstellungskraft [...]. Framers ist ein überzeugendes Plädoyer für Vielfalt in all ihren Formen. Es plädiert für die Bedeutung eines 'Frame-Pluralismus', in dem Ideen heftig miteinander konkurrieren und sich dennoch einen Raum teilen können." -The Economist ""Framers" ist zuallererst ein Management-Buch, aber auch eine Art Manifest einer bedrohten gesellschaftlichen Mitte und des liberalen Pluralismus." - Frankfurter Allgemeine Zeitung (04.06.2022)
Ein Spiel mit Perspektiven
Ein Band über die guten Seiten des Framings
Der Begriff "Framing" hat im politischen Diskurs längst Antonio Gramscis gute alte "Hegemonie" abgelöst. Im internetbasierten Alltag bedeutet er umgangssprachlich meistens, dass die Social-Media- und Influencer-Truppen einer Partei oder Organisation es geschafft haben, eine bestimmte Sicht auf ein neues Phänomen durchzusetzen und diese Perspektive in der Debatte zu verfestigen - oder sie blitzschnell zu ihren Gunsten zu verschieben, wenn sie nicht mehr funktioniert.
Sozialwissenschaftler würden zum Thema Framing auf die Arbeiten von Daniel Kahneman und Amos Twersky verweisen: Setzt man Probanden verschiedenen Darstellungen desselben Gegenstands aus, werden diese bestimmen, wie man sich dem Thema gegenüber verhält. Der Begriff des Framings hat derzeit eher einen schlechten Ruf, er erinnert an Trickstertum und Manipulation. Die Autoren des vorliegenden Buchs, der Journalist Kenneth Cukier, der österreichische Jurist Viktor Mayer-Schönberger und der französische Informatiker Francis de Véricourt, wollen das ändern. "Framing" ist für sie eine kreative Methode zur Problemlösung: "Framing ist nach unserem Verständnis nicht, in welchem Licht etwas erscheint", heißt es mit Blick auf Kahneman und Twersky, "für uns steht 'Framing' vielmehr für die bewusste Verwendung gedanklicher Modelle, um mehr und alternative Entscheidungsmöglichkeiten zu erkennen."
Den Autoren geht es um das Spiel mit Perspektiven. So stellen sie einen Satz von Regeln auf, der allerdings nicht der Kreativität als Selbstzweck verpflichtet ist, wie etwa die scheinbar sinnlosen Handlungsanweisungen von regelbasierten Kunstavantgardegruppen wie Oulipo oder Fluxus. Tatsächliche Probleme in Forschung, Planung und Verwaltung sollen von den "Framern" bewältigt werden können. So gestehen sie dem "kontrafaktischen Denken", also der Phantasie, eine wichtige Rolle in ihrem Prozess zu, aber dieses soll durch Bedingungen wie Konsistenz in Wahrnehmung und Handeln sowie ein genaues Bewusstsein für Kausalitäten ausbalanciert werden.
"Out of the box" zu denken sei nicht genug, so die Autoren, es gelte vielmehr, die real existierenden Beschränkungen produktiv zu machen. Es sei aber ebenso wichtig, die materiellen und politischen Bedingungen für kreative Arbeit zu sichern. Die Arbeit der "Framers" werde derzeit von populistischen "Emotionalisten" der Trump-Schule genauso bedroht wie von Vertretern falsch verstandener "künstlicher Intelligenz", die den Computern die Macht überlassen wollten.
Entscheidungsfähigkeit sei eine grundlegende menschliche Eigenschaft, die durch die Framing-Handlungsvorschläge gestärkt werden solle. Dabei ist Cukier und seinen Kollegen keine Technikfeindlichkeit vorzuwerfen. Viele Beispiele für kompetente Problemlösung durch "Framing" haben eine technische Komponente, ein Fall beschreibt den Einsatz von maschinellem Lernen in der Arzneimittelproduktion. Die Technik ist in "Framers" eher Servolenkung als Autopilot, der Mensch sitzt immer hinterm Steuer und gibt die Richtung vor.
"Framers" ist zuallererst ein Management-Buch, aber auch eine Art Manifest einer bedrohten gesellschaftlichen Mitte und des liberalen Pluralismus. Der letzte Vorschlag der Autoren lautet: "Lehnen Sie alles ab, was sich als einzig gültiger Frame zur Erfassung der gesamten Wirklichkeit geriert." Die Autoren unterstreichen die Nähe ihres Denkens zu dem der amerikanischen Politologin Judith Shklar: Menschen müssten angstfrei entscheiden und handeln können.
Das Problem von "Framers" ist nicht der Inhalt, sondern der Titel und die Terminologie. "Framing" ist in den Sozialwissenschaften schon als Begriff prominent besetzt, und jemand, der nach dem wahrnehmungspsychologischen Konzept von Kahneman und Twersky sucht, wird von dem vorliegenden Werk eher enttäuscht sein. Die Autoren greifen durchaus auf Kahnemans Arbeiten zurück, erweitern aber die Bedeutung des Framing-Begriffs in mehreren Dimensionen, sodass es klüger gewesen wäre, für das neue "Framing" als erweiterte Entscheidungstechnik einen anderen zu erfinden, das Ganze gewissermaßen neu zu framen. GÜNTER HACK
K. Cukier, V. Mayer-Schönberger und F. de Véricourt: "Framers". Wie wir bessere Entscheidungen
treffen und warum uns Maschinen um diese Stärke immer beneiden werden.
Redline Verlag, München 2022. 272 S., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Band über die guten Seiten des Framings
Der Begriff "Framing" hat im politischen Diskurs längst Antonio Gramscis gute alte "Hegemonie" abgelöst. Im internetbasierten Alltag bedeutet er umgangssprachlich meistens, dass die Social-Media- und Influencer-Truppen einer Partei oder Organisation es geschafft haben, eine bestimmte Sicht auf ein neues Phänomen durchzusetzen und diese Perspektive in der Debatte zu verfestigen - oder sie blitzschnell zu ihren Gunsten zu verschieben, wenn sie nicht mehr funktioniert.
Sozialwissenschaftler würden zum Thema Framing auf die Arbeiten von Daniel Kahneman und Amos Twersky verweisen: Setzt man Probanden verschiedenen Darstellungen desselben Gegenstands aus, werden diese bestimmen, wie man sich dem Thema gegenüber verhält. Der Begriff des Framings hat derzeit eher einen schlechten Ruf, er erinnert an Trickstertum und Manipulation. Die Autoren des vorliegenden Buchs, der Journalist Kenneth Cukier, der österreichische Jurist Viktor Mayer-Schönberger und der französische Informatiker Francis de Véricourt, wollen das ändern. "Framing" ist für sie eine kreative Methode zur Problemlösung: "Framing ist nach unserem Verständnis nicht, in welchem Licht etwas erscheint", heißt es mit Blick auf Kahneman und Twersky, "für uns steht 'Framing' vielmehr für die bewusste Verwendung gedanklicher Modelle, um mehr und alternative Entscheidungsmöglichkeiten zu erkennen."
Den Autoren geht es um das Spiel mit Perspektiven. So stellen sie einen Satz von Regeln auf, der allerdings nicht der Kreativität als Selbstzweck verpflichtet ist, wie etwa die scheinbar sinnlosen Handlungsanweisungen von regelbasierten Kunstavantgardegruppen wie Oulipo oder Fluxus. Tatsächliche Probleme in Forschung, Planung und Verwaltung sollen von den "Framern" bewältigt werden können. So gestehen sie dem "kontrafaktischen Denken", also der Phantasie, eine wichtige Rolle in ihrem Prozess zu, aber dieses soll durch Bedingungen wie Konsistenz in Wahrnehmung und Handeln sowie ein genaues Bewusstsein für Kausalitäten ausbalanciert werden.
"Out of the box" zu denken sei nicht genug, so die Autoren, es gelte vielmehr, die real existierenden Beschränkungen produktiv zu machen. Es sei aber ebenso wichtig, die materiellen und politischen Bedingungen für kreative Arbeit zu sichern. Die Arbeit der "Framers" werde derzeit von populistischen "Emotionalisten" der Trump-Schule genauso bedroht wie von Vertretern falsch verstandener "künstlicher Intelligenz", die den Computern die Macht überlassen wollten.
Entscheidungsfähigkeit sei eine grundlegende menschliche Eigenschaft, die durch die Framing-Handlungsvorschläge gestärkt werden solle. Dabei ist Cukier und seinen Kollegen keine Technikfeindlichkeit vorzuwerfen. Viele Beispiele für kompetente Problemlösung durch "Framing" haben eine technische Komponente, ein Fall beschreibt den Einsatz von maschinellem Lernen in der Arzneimittelproduktion. Die Technik ist in "Framers" eher Servolenkung als Autopilot, der Mensch sitzt immer hinterm Steuer und gibt die Richtung vor.
"Framers" ist zuallererst ein Management-Buch, aber auch eine Art Manifest einer bedrohten gesellschaftlichen Mitte und des liberalen Pluralismus. Der letzte Vorschlag der Autoren lautet: "Lehnen Sie alles ab, was sich als einzig gültiger Frame zur Erfassung der gesamten Wirklichkeit geriert." Die Autoren unterstreichen die Nähe ihres Denkens zu dem der amerikanischen Politologin Judith Shklar: Menschen müssten angstfrei entscheiden und handeln können.
Das Problem von "Framers" ist nicht der Inhalt, sondern der Titel und die Terminologie. "Framing" ist in den Sozialwissenschaften schon als Begriff prominent besetzt, und jemand, der nach dem wahrnehmungspsychologischen Konzept von Kahneman und Twersky sucht, wird von dem vorliegenden Werk eher enttäuscht sein. Die Autoren greifen durchaus auf Kahnemans Arbeiten zurück, erweitern aber die Bedeutung des Framing-Begriffs in mehreren Dimensionen, sodass es klüger gewesen wäre, für das neue "Framing" als erweiterte Entscheidungstechnik einen anderen zu erfinden, das Ganze gewissermaßen neu zu framen. GÜNTER HACK
K. Cukier, V. Mayer-Schönberger und F. de Véricourt: "Framers". Wie wir bessere Entscheidungen
treffen und warum uns Maschinen um diese Stärke immer beneiden werden.
Redline Verlag, München 2022. 272 S., geb., 25,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main