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Ein Mann, der sich, wie es heißt, alle paar Wochen sechzehn Fünf-Liter-Kanister Ölfarbe ins Atelier in Camden Town im Norden Londons liefern lässt, und das bis heute, seit über 60 Jahren: Was hat er daraus geschaffen? Frank Auerbach gilt neben Francis Bacon und Lucian Freud als einer der wichtigsten britischen Maler seiner Generation. Geboren 1931 in Berlin, kann er, im Gegensatz zu seinen Eltern, den Nazis entkommen und in England eine neue Heimat finden. Entstanden ist seither ein äußerst eigenwilliges Werk, das über sperrige Qualitäten verfügt. Auerbach steht in der Tradition Cézannes. Wie…mehr

Produktbeschreibung
Ein Mann, der sich, wie es heißt, alle paar Wochen sechzehn Fünf-Liter-Kanister Ölfarbe ins Atelier in Camden Town im Norden Londons liefern lässt, und das bis heute, seit über 60 Jahren: Was hat er daraus geschaffen?
Frank Auerbach gilt neben Francis Bacon und Lucian Freud als einer der wichtigsten britischen Maler seiner Generation. Geboren 1931 in Berlin, kann er, im Gegensatz zu seinen Eltern, den Nazis entkommen und in England eine neue Heimat finden. Entstanden ist seither ein äußerst eigenwilliges Werk, das über sperrige Qualitäten verfügt.
Auerbach steht in der Tradition Cézannes. Wie dieser vor den Äpfel Stillleben oder dem Montagne Sainte Victoire, ist er an der Wahrheit des Gesehenen interessiert. Hier bietet Invar-Torre Hollaus mit seiner Arbeit eine kluge, sensible und sehr inspirierte Seh-Anleitung. Er kennt sich in bildtheoretisch-philosophischen Fragen exzellent aus, transzendiert diese jedoch, weil er - wie der Künstler - hauptsächlich am SEHEN interessiertist.
Frank Auerbach wird in angelsächsischen Ländern sehr geschätzt. Die Londoner
Times bezeichnete ihn jüngst "als unseren größten lebenden Maler". Im deutschsprachigen Raum dagegen ist er ver hältnismäßig unbekannt, sein Werk harrt hier noch der Entdeckung, so wie das vor Jahren mit Lucian Freud und Francis Bacon der Fall war. Die Monografie von Invar-Torre Hollaus schließt da eine zentrale Lücke.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Invar-Torre Hollaus (geb. 1973) ist Kunsthistoriker mit deutsch-österreichischen Wurzeln. Er hat bei Gottfried Boehm promoviert, lebt in Basel und unterrichtet Bildgeschichte, -theorie und -gattungsfragen am Institut Visuelle Kommunikation der dortigen Hochschule für Gestaltung und Kunst. Er ist auch als Buchautor, Kunstvermittler, Kurator und Kunstkritiker tätig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Der Sitzungsweltmeister
Tag für Tag: Invar-Torre Hollaus umkreist das Werk des Malers Frank Auerbach

Künstler kennen kein Weekend, mancher denkt sogar rund um die Uhr an die nächste Ausstellung, Biennale, Messe. Und doch ist die Zeiteinteilung im Künstlerleben von Frank Auerbach erstaunlich. Seit Jahrzehnten nimmt der Londoner Maler seine Arbeit morgens in aller Frühe um sieben Uhr auf und beendet sie abends gegen neun; so hält er es ziemlich genau 365 Tage im Jahr. Reisen, noch dazu ins Ausland, passen nicht in sein Regelmaß, und so begrenzt er sie, wenn sie sich denn überhaupt nicht vermeiden lassen, auf ein absolutes Minimum. Ein Eremit in seinem Londoner Studio ist dieser Künstler gleichwohl nicht, er weilt dort sogar selten allein.

Nach einem feststehenden Stundenplan empfängt der Porträtist seit einem halben Jahrhundert zu ganz bestimmten Terminen seine Modelle. Wie gegenwärtig jeweils am Montagnachmittag den Kritiker William Feaver, der sich seit 2003 zu regelmäßigen Sitzungen im Stadtteil Camden Town im Atelier einfindet; dienstagabends kommt Auerbachs Sohn Jake (seit 1976), mittwochabends, donnerstagmorgens und an den Wochenenden Auerbachs Ehefrau Julia, die er zum ersten Mal 1959 auf die Leinwand brachte; freitagmorgens empfängt er den befreundeten Geschäftsmann David Landau und am Nachmittag schließlich die Kuratorin Catherine Lampert.

Zwischendurch geht der Künstler schon mal vor die Tür und sammelt Eindrücke rund um die U-Bahn-Station Mornington Crescent, um auch diese in der für ihn typischen Abbreviatur ins Bild zu setzen.

Der 1931 in Berlin geborene Maler hat sich nie von irgendeiner Spektakelkultur vereinnahmen oder gar vorschreiben lassen, wie moderne Kunst auszusehen habe. Da sich eine an spontanem Erfolg orientierte zeitgenössische Kunst heute auf allen Ebenen des kulturellen, medialen und ökonomischen Lebens ausbreitet, tritt nur umso deutlicher vor Augen, wie konsequent Auerbach in den Dutzenden, manchmal Hunderten Sitzungen für ein einziges Bildnis seine eigenen Kriterien von künstlerischer Ökonomie entwickelt und über eine lange Laufbahn hinweg behauptet hat.

Invar-Torre Hollaus sucht dieses unbeirrbare OEuvre eingangs von diversen Klischees zu befreien, wie dem angeblich "expressionistischen" Gestus in den Farbmassen, die Auerbach wieder und wieder auf die Leinwand bringt, um sie abzuschaben und abermals aufzutragen, bis Geste und Antlitz der Modelle seinen Erfahrungen mit dem Gegenüber entsprechen. Tatsächlich lässt sich solche Materialdichte nicht vom Expressionismus herleiten. Die verführerische Tuchfühlung mit dem Pastosen unterbindet Auerbach ausdrücklich, indem er seine Bilder in tiefes Rahmenwerk einlässt und dieses verglast, um zu verhindern, wie Hollaus erhellend darlegt, dass sich die Betrachtung in Materialästhetik ergeht. Auch die vielfach behauptete Allianz einer "School of London" weist der Basler Kunsthistoriker, etwas langatmig, zurück, schert diese doch unterschiedliche Temperamente wie Ronald B. Kitaj, Lucian Freud, Leon Kossoff, Howard Hodgkin, Francis Bacon oder eben Auerbach über einen Kamm, was die Individualität dieser Charaktere unbotmäßig relativiert.

Da Auerbachs Porträtmalerei alles andere als naturalistisch ausfällt, liegt die Frage nahe, worin sich Ähnlichkeit mit den dargestellten Figuren eigentlich bekundet - für das Bildnis doch fraglos eine unverzichtbare Qualität.

Hollaus' Antwort lautet, dass sich über den langen Entstehungsprozess hinweg deren Dauer im Werk sedimentiere, in einem "endlosen Werden", bei dem die Pinselstriche als "Erkundungszeichen im Prozess des Hinarbeitens zum Wesen des Gegenübers lesbar" würden. Die Figuren seien somit "auf rudimentärste Zeichen verkürzt". Die Einfühlung in sie gehe über rein visuelle Merkmale hinaus. Auch die Frage, wann ein Bild vollendet sei, wenn eine einzige Zeichnung wie das "Portrait of Sandra" (1973/74) zweiundvierzig - jeweils durch Fotos dokumentierte - Sitzungen und Stadien beansprucht hat, kann auf eine eindeutige Antwort nicht hoffen. Diese bleibt, gerade bei einem Maler wie Auerbach, nicht zuletzt der künstlerischen Intuition überlassen.

Hollaus umkreist das OEuvre Auerbachs in Hinsicht auf Produktion und Rezeption. Einfach lüften lassen sich deren Geheimnisse nicht, sind die richtigen Fragen aufschlussreicher als einfache Antworten. Was bei der Lektüre aber aufstößt, ist eine Pose der Eigentlichkeit, in der Hollaus ein ständig bemühtes "Ringen" um Form zum Ideal erhebt und mitunter gegen einen "schrillen Kunstbetrieb" in Stellung bringt. Damit verfällt der Autor seinerseits in ein Klischee: Es ist ja nicht so, als ob eine kurzatmige zeitgenössische Kunst nun gar nichts zu bieten hätte. Vom Parnass blickt Hollaus bisweilen auf den "gängigen Feuilleton-Journalismus" hinab, doch würde man seinem eher soliden als mitreißenden Beschreibungsgestus mehr Eloquenz und Esprit wünschen.

GEORG IMDAHL

Invar-Tolle Hollaus: "Frank Auerbach". Piet Meyer Verlag, Bern/Wien 2016. 388 S., Abb., geb., 34,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Georg Imdahl scheint beeindruckt. Aber mehr von Frank Auerbach und seiner Kunst, als von Invar-Tolle Hollaus' Umkreisung dieses einzigartigen Werkes. Die große Konsequenz des geduldigen Porträtkünstlers kann ihm der Autor zwar vermitteln, bei der Beschreibung der Werke aber verfällt Hollaus laut Rezensent in einen etwas raunenden Ton. Schade, findet Imdahl, denn Auerbachs Befreiung von diversen Klischees gelingt dem Autor zunächst, genau wie die Darlegung produktions- und rezeptionsästhetischer Fragen. Das Instellungbringen seines Formideals gegen einen schnellebigen Kunstbetrieb durch den Autor hat der Maler ja vielleicht nicht nötig, mutmaßt Imdahl. Und so eloquent findet er Hollau auch gar nicht.

© Perlentaucher Medien GmbH