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Im vorliegenden Band wird der höchst interessante Werdegang dieses amerikanischen Architekten nachvollzogen, angefangen von seinen ersten Projekten in den frühen sechziger Jahren bis zu den Entwürfen, die ihn in aller Welt berühmt gemacht haben wie die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles, die Loyola Law School, das California Aerospace Museum und Theater, das Design Museum der Firma Vitra in Weil am Rhein und das bereits vor seiner Eröffnung im Oktober 1997 vielbesprochene Guggenheim Museum in Bilbao. Gehrys Gebäude sind als eine Art Improvisation entstanden, in einem Prozeß…mehr

Produktbeschreibung
Im vorliegenden Band wird der höchst interessante Werdegang dieses amerikanischen Architekten nachvollzogen, angefangen von seinen ersten Projekten in den frühen sechziger Jahren bis zu den Entwürfen, die ihn in aller Welt berühmt gemacht haben wie die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles, die Loyola Law School, das California Aerospace Museum und Theater, das Design Museum der Firma Vitra in Weil am Rhein und das bereits vor seiner Eröffnung im Oktober 1997 vielbesprochene Guggenheim Museum in Bilbao. Gehrys Gebäude sind als eine Art Improvisation entstanden, in einem Prozeß außerordentlicher kreativer Freiheit, die es ihm erlaubt, mit einer außergewöhnlich aufgeschlossenen Haltung ohne jeden vorgefaßten Gedanken zu arbeiten. Für Gehry ist Architektur ein Werkzeug, mit dessen Hilfe man die Realität erforschen und verstehen kann.
Autorenporträt
Francesco Dal Co ist Architekt und Autor, er ist im Institut für Architektur in Venedig als Professor für Architekturgeschichte tätig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.1999

Wo ist der Fisch?
Er ist überall dort hingegangen, wo auch Frank O. Gehry hingegangen ist / Von Wolfgang Pehnt

Der Blick ins Atelier, im kalifornischen Santa Monica, Cloverfield Boulevard, zeigt relativ geordnete Verhältnisse. Vielleicht hat Frank O. Gehrys Team auch nur für den Fotografen aufgeräumt? Vorn erkennt man ein großes Modell mit dem Guggenheim Museum in Bilbao, das sich wie ein zerstückelter Fischleib unter der Brücke, der Puente de la Salve, windet. An den Wänden des langgestreckten Büros hängen verbeulte Kartons, Serien von Fotos, ausgeschnittene Blechproben. Der Meister selbst residiert in einem abgetrennten Verschlag.

Bei Le Corbusier sah es in der Pariser Rue de Sèvres seinerzeit ähnlich aus. Auch LC war in seiner 2,26 mal 2,26 Meter kleinen Zelle - den Maßen des von ihm erfundenen Proportionssystems Modulor! - der mühsam gebändigten Unordnung seiner Angestellten nahe. In jenen Monaten, als Le Corbusier und der Architekten-Komponist Iannis Xenakis den Philips-Pavillon für die Brüsseler Weltausstellung von 1958 entwarfen, stand im "Atelier des geduldigen Suchens" sogar eine Architekturplastik, die Gehry als Anregung gedient haben mag: das Modell dieses atemberaubenden Gebildes mit seinen verwundenen und scheinbar instabilen Flächen.

Gehry befand sich damals am Anfang seiner Karriere. Daß sie ihn zu einem der Leitwölfe des internationalen Architektenrudels machen würde, war keineswegs abzusehen. Manche frühen Bungalows, die in der neuen Monographie veröffentlicht sind, sehen nach Richard Neutra oder Rudolph Schindler aus. Das eine oder andere Mehrfamilienhaus könnte in Sindelfingen oder Opladen stehen und ein fünfzehnstöckiges Betonhochhaus in München-Perlach. Im Gegensatz zum Image des nur von seinen Visionen besessenen Künstlers hat Gehry, Sohn jüdischer Einwanderer aus Kanada, eine ganz normale Architektenausbildung an der Universität von Kalifornien absolviert und dazu ein Semester an der Harvard Graduate School of Design. Auch seine Tätigkeit bei dem Propagandisten des nordamerikanischen Einkaufszentrums, Victor Gruen, spricht für realitätszugewandte Ausgangspositionen.

Es war ein Einkaufszentrum, Santa Monica Place, bei dem Gehry ab 1972 seine neue Katastrophenästhetik entwickelte, vergleichbar den Zerstörungsritualen, die der Kollege James Wines zu gleicher Zeit bei den Kaufhäusern der Best-Kette einsetzte: angenagte Ecken, kollabierende Mauern, sich abschälende Wandfurniere. Bei Gehry lag die Provokation im Verzicht auf die Einheitlichkeit der Anlage und in der Zersplitterung der Traggerüste bei der zentralen Partie des Zentrums. Die Geburt der freien Form fand aus dem Geist des Kommerzialismus statt.

Es spricht für Gehry und seine engen Verbindungen zur Künstlerszene, zu Donald Judd, Richard Serra und vor allem zu Claes Oldenburg und dessen Frau Coosje von Bruggen, daß er seine Erfindungen aus der engen Umklammerung durch merkantile Kampagnen befreien konnte. Zur Experimentierwerkstatt wurde sein eigenes Haus in Santa Monica. Den bescheidenen, rosafarbenen Altbau im Kolonialstil unterwarf er immer neuen Prozeduren des Umhüllens, Freilegens, Einschneidens und Aufschluchtens. Schließlich sah das Gebilde aus, als wäre es unmittelbar auf der erdbebenträchtigen San-Andreas-Spalte errichtet worden.

Durchdringungen, Deformationen und Stauchungen in der Architektur sind viel später, bei einer Ausstellung im New Yorker Museum of Art 1988, auf den Namen Dekonstruktivismus getauft worden. Bei Gehry machen sie nur einen Teil des Repertoires aus. Monströse biomorphe Formen, maßlos vergrößert, nisteten sich in die Bauten ein und veränderten sie: der Pferdeschädel, der Fisch, der eine private Obsession in Gehrys Biographie darstellt. Seit der Arbeit an der Konzerthalle in Los Angeles, seit 1989 also, sind bei Gehry flatternde Dachgewänder aktuell. Diese lose zugeschnittenen Kleider verbergen manchmal auch konventionelle Raumschachteln. Dem Temperament ihrer Hüllformen widersetzen sie sich offenbar noch.

Die Erzeugnisse aus Gehrys Hand - manche davon auf deutschem Boden - eignen sich für die gehobenen Strategien, für Marketing auf dem oberen Niveau. Die Städte werden zur Bühne, ihre Baustellen zu Orten der Inszenierung. Ihren Auftraggebern verschafft der Zauberer aus Santa Monica das Wohlgefühl, bisher nie gesehene Strukturen zu bewohnen. Vieles ist faktisch billig, macht aber Spaß. In Zeiten, wo jeder Begriff von Avantgarde fragwürdig geworden ist, gibt Gehry den Bauherren das angenehme Bewußtsein, trotzdem der äußersten Vorhut anzugehören. Vor allem seine Kulturbauten setzen Signale, daß es in heruntergekommenen Kommunen wie Bilbao oder Los Angeles wieder aufwärtsgeht.

In der neuen Monographie sind zwei renommierte Autoren, Kurt W. Forster und Francesco Dal Co, als Kommentatoren aufgeboten. Gebildete Historiker, die sie sind, schütten sie zum Assoziationsreich- tum, der Gehrys Werk ohnedies eigen ist, ein zusätzliches Füllhorn von Analogien und möglichen Anregungen aus. Von spätptolemäischen Votivfiguren und hochbarocken Borromini-Entwürfen reicht die Liste bis zu Kurt Schwitters' Merz-Bauten und der Ballettchoreographie Merce Cunninghams. Im einzelnen wüßte man gern, wie weit es Vergleiche auf eigene Faust oder durch Gehry autorisierte sind.

Eine kritische Auseinandersetzung über Grenzen und Angemessenheit dieser spektakulären Solistenarchitektur ist in einer solchen vom Urheber unterstützten Monographie nicht zu erwarten. Daß Gehry mit jüngsten Techniken des Computer Aided Design und des Computer Aided Manufacturing eine Schwelle überschritten hat, die bisher der Phantasie Grenzen auferlegte, wird kaum herausgearbeitet. Seit der riesigen Fischskulptur zur Olympiade in Barcelona, die mit Hilfe solcher Programme errechnet und produziert wurde, läßt sich technisch fast jede Caprice Gehryscher Vorstellungskraft in nutzbare Architektur umsetzen. Das große Halali zur Jagd nach nie gesehenen Sensationen wird geblasen.

Was physisches Gewicht und Umfang angeht, ist das Buch geeignet, jeden Leser zu erschlagen. Das gleiche gilt für den Inhalt, die schiere Opulenz und frei schweifende Beweglichkeit von Gehrys Einfällen, ihre Faszination und ihren Unterhaltungswert. Was darf die Satire? hat Kurt Tucholsky gefragt und geantwortet: alles. Was darf die Architektur? Gehrys Antwort ist dieselbe: alles.

Francesco Dal Co, Kurt Forster, Hadley Soutter Arnold: "Frank O. Gehry". Das Gesamtwerk. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1998. 612 S., 1300 Farb- u. Schwarzweißabb., geb., 180,- DM.

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