Der »Wurstelprater« in Wien gilt als einer der ältesten Vergnügungsparks der Welt und feiert 2016 sein 250. Jubiläum. Der Fotograf Frank Robert zeigt in seiner Publikation Endstation Sehnsucht die vielzähligen Buden und Fahrgeschäfte des Praters als einen sozialen Ort, an dem sich die Besucher in eine Reise durch eine künstliche Welt begeben.Der Prater funktioniert dabei wie eine große Bühne: Die Sonne, das Spiel von Licht und Schatten, wirken wie Spotlights, die für den Fotografen bei jedem Besuch neue Details freilegen. Immer wieder sticht auch am selben Motiv etwas anderes hervor.»Die Praterparzellen sind wie organische Zellen, sie verändernund verschieben sich ständig«, sagt Robert. Und so gibt es in den 78 Aufnahmen auch einiges zu entdecken: Ein Sammelsurium aus exotischen Plastiktieren, verlassenen Fahrgeschäften und bunten Monstern wird von den Besuchern im Sommer wie im Winter erkundet und zeigt den Prater als einen Vergnügunspark,der gerade nicht durch modernen Hightechdefiniert ist. Er hat sich seine Einzigartigkeit vor allem dadurch bewahrt, dass hier viele Attraktionen und Buden einfach länger stehen bleiben dürfen als anderswo. Aber das ist nur eine Erklärung für die besondere Atmosphäre des Wiener Praters!Frank Robert (geb. 1967 in Bensheim/ Deutschland) studierte Kommunikationsdesign/ Fotografie bei Hans Puttnies an der FH für Gestaltung in Darmstadt. Seit 2005 lebt er in Wien und fotografierte in den letzten 10 Jahren ausgiebig den Wiener Prater. Roberts Arbeiten wurden in zahlreichen Ausstellungen gezeigt, er wird in Wien von der AnzenbergerGallery vertreten. Endstation Sehnsucht ist seine erste Publikation im Kehrer Verlag.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.2018Fast schon ein Depot der Psyche
Der Wiener Prater ist ein mythischer Ort. Ein weitläufiger Vergnügungspark für das Volk, das in ihn seine Hoffnungen, Erwartungen, Erinnerungen und Sehnsüchte projiziert. Der Prater ist die große Welt im Kleinen. Alles, was es gibt, kommt dort zusammen, oft freilich in heruntergekommener Form. Nicht "echt", sondern nur gemalt oder gebaut, aus Blech, Pappe oder Plastik. Der Fotograf Frank Robert, könnte man annehmen, ist dem Prater verfallen. Zehn Jahre trieb er sich, zu allen Tages- und Jahreszeiten, dort herum, mit Vorliebe dann, wenn der Prater menschenleer war. Dann waren die Kulissen und Szenerien präsenter als sonst, zeigten sich in ihrer ganzen Schäbigkeit, im Zustand des Verfalls. Erst wenn Träume sie beleben, beginnen sie zu leuchten; ansonsten wirkt das Billig-Bonbonfarbene nur aufdringlich. Frank Robert war mit seiner Analogkamera unterwegs und mit einer begrenzten Zahl von Filmen. Er wartete auf den raren Moment: Das ist für ihn der, der sein Geheimnis nicht sofort preisgibt, der immer wieder eine neue, andere Geschichte erzählt. Der Prater stammt aus dem neunzehnten Jahrhundert. Man spürt das noch immer. Er verdankt seinen Charme den alten Künsten, der Operettenseligkeit, dem Variété, dem Kirmes-Rummel. Alles ist hier "second hand", wurde woanders erfunden, aber hier noch einmal verwendet. Niemanden stört das. Frank Robert durchstreift den Prater mit den Augen Prousts; als wären noch die windigsten Arrangements ein "Depot der Psyche" all derer, die sie einst betreten haben. Mag diese "imitation of life", wie das einst in Hollywood hieß, billig sein; dem Zauber kann das nichts anhaben. Und dieser Zauber verdankt sich der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen: Durch ein riesiges Bergpanorama fährt ein kleiner grüner Zug, in dem, verloren, ein Mann sitzt; rechts ein Holzhaus und eine Kirche, links ein Windrad. Auch der Prater geht mit der Zeit. Aber er verleugnet nicht, woher er kommt. Böse Zungen könnten von einer Resterampe reden. Aber Frank Robert zeigt, dass all diese Dinge es wert sind, bewahrt zu werden; weil so viele Gefühle an ihnen haften. Und weil es eine Lust ist, sich täuschen zu lassen: Auf einer riesigen roten Coca-Cola-Dose prangt als Werbung die altvertraute Cola-Flasche. Der Prater könnte, in jeder Hinsicht, ein Paradies für Messies sein: Doch nichts wird weggeworfen, alles aufbewahrt.
lem
"Endstation Sehnsucht" von Frank Robert. Mit einem Text von Andrea Roedig. Kehrer Verlag, Heidelberg 2017. 128 Seiten, 77 Farbabbildungen. Gebunden, 39,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Wiener Prater ist ein mythischer Ort. Ein weitläufiger Vergnügungspark für das Volk, das in ihn seine Hoffnungen, Erwartungen, Erinnerungen und Sehnsüchte projiziert. Der Prater ist die große Welt im Kleinen. Alles, was es gibt, kommt dort zusammen, oft freilich in heruntergekommener Form. Nicht "echt", sondern nur gemalt oder gebaut, aus Blech, Pappe oder Plastik. Der Fotograf Frank Robert, könnte man annehmen, ist dem Prater verfallen. Zehn Jahre trieb er sich, zu allen Tages- und Jahreszeiten, dort herum, mit Vorliebe dann, wenn der Prater menschenleer war. Dann waren die Kulissen und Szenerien präsenter als sonst, zeigten sich in ihrer ganzen Schäbigkeit, im Zustand des Verfalls. Erst wenn Träume sie beleben, beginnen sie zu leuchten; ansonsten wirkt das Billig-Bonbonfarbene nur aufdringlich. Frank Robert war mit seiner Analogkamera unterwegs und mit einer begrenzten Zahl von Filmen. Er wartete auf den raren Moment: Das ist für ihn der, der sein Geheimnis nicht sofort preisgibt, der immer wieder eine neue, andere Geschichte erzählt. Der Prater stammt aus dem neunzehnten Jahrhundert. Man spürt das noch immer. Er verdankt seinen Charme den alten Künsten, der Operettenseligkeit, dem Variété, dem Kirmes-Rummel. Alles ist hier "second hand", wurde woanders erfunden, aber hier noch einmal verwendet. Niemanden stört das. Frank Robert durchstreift den Prater mit den Augen Prousts; als wären noch die windigsten Arrangements ein "Depot der Psyche" all derer, die sie einst betreten haben. Mag diese "imitation of life", wie das einst in Hollywood hieß, billig sein; dem Zauber kann das nichts anhaben. Und dieser Zauber verdankt sich der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen: Durch ein riesiges Bergpanorama fährt ein kleiner grüner Zug, in dem, verloren, ein Mann sitzt; rechts ein Holzhaus und eine Kirche, links ein Windrad. Auch der Prater geht mit der Zeit. Aber er verleugnet nicht, woher er kommt. Böse Zungen könnten von einer Resterampe reden. Aber Frank Robert zeigt, dass all diese Dinge es wert sind, bewahrt zu werden; weil so viele Gefühle an ihnen haften. Und weil es eine Lust ist, sich täuschen zu lassen: Auf einer riesigen roten Coca-Cola-Dose prangt als Werbung die altvertraute Cola-Flasche. Der Prater könnte, in jeder Hinsicht, ein Paradies für Messies sein: Doch nichts wird weggeworfen, alles aufbewahrt.
lem
"Endstation Sehnsucht" von Frank Robert. Mit einem Text von Andrea Roedig. Kehrer Verlag, Heidelberg 2017. 128 Seiten, 77 Farbabbildungen. Gebunden, 39,90 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main