Frankfurt, die Stadt mit den höchsten Schulden und den größten Banken, dem komischsten Wein und der berühmtesten Wurst, den unbekanntesten Prominenten und den populärsten Ganoven, den aufregendsten Frauen und den beliebtesten Nestbeschmutzern, den findigsten Sprücheklopfern und den größten Denkern - das Insider-Lexikon Frankfurt sagt der sympathischen Finanz- und Ebbelwoimetropole vieles nach. Bloß eines nicht: Langweilig oder gar leidenschaftslos zu sein. Entgegen anderslautenden Gerüchten schlägt hinter den kühlen Fassaden nämlich ein überaus 'goldisches' Herz. Und was wahre Größe angeht, so erfüllt Frankfurt den selbstgewählte Metropolenmaßstab XXL nicht nur mit der einzigen deutschen realexistierenden Skyline.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.06.1997Das Wichtige vom Unwichtigen
Hätten Sie's gewußt? Frankfurt ist eine Stadt der Gegensätze. In Frankfurt hatten die Frauen schon immer etwas mehr zu sagen als andernorts. In Frankfurt dominiert das weibliche Geschlecht im Gewühl des Sommerschlußverkaufs. Und wenn dem Frankfurter gerade nichts Besseres einfällt, spricht er besonders gern vom Wetter.
Sie hätten's nicht gewußt, aber dennoch gern wissen wollen? Dann ist dieser Frankfurt-Führer, dem der Verlag aufgrund seiner alphabetisch geordneten Beiträge den Titel Lexikon gegeben hat, genau das richtige. Neben manchem Nützlichen erfährt der Leser hier vor allem Überflüssiges. Der Untertitel "Das Insider-Lexikon" gibt den entscheidenden Hinweis: Dieses Buch kann nur dem noch etwas bieten, der schon alles Wichtige über die Stadt am Main weiß.
Von der Schilderung eines Tages bei der Frankfurter Ausländerbehörde bis zur Milieustudie im Nordend, vom Domina-Studio bis zur Gepäckversteigerung bei der Deutschen Lufthansa, vom "alten Lustgreis" Goethe bis zu Lia Wöhr reicht die Liste der Stichworte. Die Autorin, freie Journalistin in Frankfurt, weiß mit Worten umzugehen, und gelegentlich präsentiert sie sogar ein paar "Geheimtips" - Geschäfte, Restaurants, Bars -, die Lust auf einen Besuch machen. Doch leider erliegt Constanze Kleis allzuoft der Versuchung, allein um der Effekthascherei willen zu fabulieren. Manches Kapitel entwickelt sich so zu einem riesigen Wortschwall, in dem die Informationen untergehen.
Eine Kostprobe gefällig? "Wie sehr sie das Wetter verwirrt, läßt sich am schönsten in den launischen Monaten März, April und Mai beobachten. Dann sind die Frankfurter je nach Mentalität entweder zu dick oder zu dünn, aber selten dem Klima gemäß angezogen." Das mußte wohl mal gesagt werden. Aber ob man es unbedingt lesen will?
Getrübt wird der Genuß außerdem durch ärgerliche Fehler: "Kanonesteppel", Rosemarie Nitribitt, Liesel Christ - im Buch allesamt falsch geschrieben. Solche Fauxpas irritieren, selbst wenn die Autorin an anderer Stelle Wichtiges und Richtiges sagt: zum Beispiel, daß in den Reportagen über die "Hauptstadt des Verbrechens" meist schamlos übertrieben wird und daß die Qualität des kulturellen Angebots in Frankfurt nicht von der Höhe der Subventionen abhängig ist.
Die Anekdoten, mit denen Kleis ihre Beiträge garniert, sind nicht immer so gut wie in den Berichten über das Strip-Lokal "Pik Dame" oder über das Leiden der Pendler in öffentlichen Verkehrsmitteln. Allzu häufig werden anonyme Gesprächspartner als Zeugen herangezogen, wie zum Beispiel jener "Tischnachbar", der zu wissen glaubt, daß sich im Deutschherrnviertel in Sachsenhausen schon "das halbe Westend" eingekauft habe, ohne daß die Autorin dafür irgendwelche Belege präsentiert.
Den tieferen Sinn des Frankfurter Lebens entdeckt Kleis im "Streuobstchampagner", dem Ebbelwei: aus dem Geringsten das Beste zu machen. Mit ihrem eigenen Buch ist Kleis an diesem Ziel vorbeigeschossen. Daß ihr Stadtführer dennoch Leser finden wird, liegt daran, daß altes Wissen auf den 224 Seiten zumindest stellenweise sehr gut verpackt wird. RALF EULER
Constanze Kleis: Frankfurt. Das Insider-Lexikon. Verlag C. H. Beck, München 1997. 19,80 Mark.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hätten Sie's gewußt? Frankfurt ist eine Stadt der Gegensätze. In Frankfurt hatten die Frauen schon immer etwas mehr zu sagen als andernorts. In Frankfurt dominiert das weibliche Geschlecht im Gewühl des Sommerschlußverkaufs. Und wenn dem Frankfurter gerade nichts Besseres einfällt, spricht er besonders gern vom Wetter.
Sie hätten's nicht gewußt, aber dennoch gern wissen wollen? Dann ist dieser Frankfurt-Führer, dem der Verlag aufgrund seiner alphabetisch geordneten Beiträge den Titel Lexikon gegeben hat, genau das richtige. Neben manchem Nützlichen erfährt der Leser hier vor allem Überflüssiges. Der Untertitel "Das Insider-Lexikon" gibt den entscheidenden Hinweis: Dieses Buch kann nur dem noch etwas bieten, der schon alles Wichtige über die Stadt am Main weiß.
Von der Schilderung eines Tages bei der Frankfurter Ausländerbehörde bis zur Milieustudie im Nordend, vom Domina-Studio bis zur Gepäckversteigerung bei der Deutschen Lufthansa, vom "alten Lustgreis" Goethe bis zu Lia Wöhr reicht die Liste der Stichworte. Die Autorin, freie Journalistin in Frankfurt, weiß mit Worten umzugehen, und gelegentlich präsentiert sie sogar ein paar "Geheimtips" - Geschäfte, Restaurants, Bars -, die Lust auf einen Besuch machen. Doch leider erliegt Constanze Kleis allzuoft der Versuchung, allein um der Effekthascherei willen zu fabulieren. Manches Kapitel entwickelt sich so zu einem riesigen Wortschwall, in dem die Informationen untergehen.
Eine Kostprobe gefällig? "Wie sehr sie das Wetter verwirrt, läßt sich am schönsten in den launischen Monaten März, April und Mai beobachten. Dann sind die Frankfurter je nach Mentalität entweder zu dick oder zu dünn, aber selten dem Klima gemäß angezogen." Das mußte wohl mal gesagt werden. Aber ob man es unbedingt lesen will?
Getrübt wird der Genuß außerdem durch ärgerliche Fehler: "Kanonesteppel", Rosemarie Nitribitt, Liesel Christ - im Buch allesamt falsch geschrieben. Solche Fauxpas irritieren, selbst wenn die Autorin an anderer Stelle Wichtiges und Richtiges sagt: zum Beispiel, daß in den Reportagen über die "Hauptstadt des Verbrechens" meist schamlos übertrieben wird und daß die Qualität des kulturellen Angebots in Frankfurt nicht von der Höhe der Subventionen abhängig ist.
Die Anekdoten, mit denen Kleis ihre Beiträge garniert, sind nicht immer so gut wie in den Berichten über das Strip-Lokal "Pik Dame" oder über das Leiden der Pendler in öffentlichen Verkehrsmitteln. Allzu häufig werden anonyme Gesprächspartner als Zeugen herangezogen, wie zum Beispiel jener "Tischnachbar", der zu wissen glaubt, daß sich im Deutschherrnviertel in Sachsenhausen schon "das halbe Westend" eingekauft habe, ohne daß die Autorin dafür irgendwelche Belege präsentiert.
Den tieferen Sinn des Frankfurter Lebens entdeckt Kleis im "Streuobstchampagner", dem Ebbelwei: aus dem Geringsten das Beste zu machen. Mit ihrem eigenen Buch ist Kleis an diesem Ziel vorbeigeschossen. Daß ihr Stadtführer dennoch Leser finden wird, liegt daran, daß altes Wissen auf den 224 Seiten zumindest stellenweise sehr gut verpackt wird. RALF EULER
Constanze Kleis: Frankfurt. Das Insider-Lexikon. Verlag C. H. Beck, München 1997. 19,80 Mark.
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