Produktdetails
- Verlag: Kramer, Frankfurt
- Seitenzahl: 272
- Deutsch, Latein
- Abmessung: 245mm
- Gewicht: 722g
- ISBN-13: 9783782905411
- ISBN-10: 3782905415
- Artikelnr.: 12288827
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2003Ein König verzichtet auf die Zwangsehe
Wo fängt die Geschichte der Stadt Frankfurt an? Zur Zeit der ersten Erwähnung 794 ist von einer "villa regia" die Rede, einem Königshof also, nicht aber von einer Stadt. Verbriefte Stadtrechte, auf die sich so viele Orte in Deutschland berufen können, sind der Siedlung am Main nie verliehen worden. Eine "Geburtsurkunde" gibt es also nicht. Es war vielmehr ein weiter Weg von der königlichen Pfalz zur politisch selbständigen bürgerlichen Reichsstadt. Schritt für Schritt gelang es den Frankfurtern, sich von Verpflichtungen gegenüber dem königlichen Grundherrn zu lösen und damit allmählich Freiheits- und Herrschaftsrechte zu erwerben. Diesen Prozeß zu verfolgen ist Zweck des 50. Bandes der "Studien zur Frankfurter Geschichte", in dem Ingrid Bartholomäi die 35 erhaltenen "Frankfurter Urkunden der staufischen Herrscher" präsentiert. In den gut hundert Jahren von 1138 bis 1254 wurden Münze, Stadtmauer, Messe und Brücke eingerichtet oder gefördert, Grundlagen für die Wirtschaftskraft der Stadt, die es den Bürgern wiederum ermöglichten, sich Zug um Zug eigene Rechte zu erkaufen.
Bartholomäi, Altphilologin und Historikerin, hat die heute nur zum Teil im Frankfurter Stadtarchiv verwahrten Urkunden in fast zehnjähriger, ehrenamtlicher Arbeit nahezu alle erstmals vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt, kommentiert und in das historische Umfeld eingeordnet. Herausgekommen ist dabei nicht etwa staubtrockene Archivarbeit, sondern eine spannende, manchmal verblüffend aktuell anmutende Lektüre.
Von "Bürgern" ist zum ersten Mal die Rede, als Kaiser Friedrich II. am 15. August 1219 "auf Ersuchen aller Unserer treuen Bürger von Frankfurt" ein Grundstück am Kornmarkt aus Reichsbesitz schenkt, auf dem die heutige Leonhardskirche entsteht. Zu den wichtigsten schriftlichen Zeugnissen der Stauferzeit gehört zweifellos das Messe-Privileg, eine äußerlich unscheinbare Urkunde, die Kaiser Friedrich II. am 11. Juli 1240 im Lager bei Ascoli ausgefertigt hat. In dem Viereinhalbzeiler wird mitgeteilt, "daß Wir alle, die zur Messe nach Frankfurt kommen, auch Einzelpersonen, in Unseren und des Reiches besonderen Schutz nehmen". Das Blühen der Messe bedeutete nicht nur Gedeihen der Stadt, sondern vor allem auch hohe Steuereinnahmen, die nicht zuletzt dem Kaiser zugute kamen. Die Rechnung ging schon damals auf: Die Steuerliste von 1241 nennt Frankfurt mit der höchsten Steuersumme von 250 Mark Feinsilber vor allen anderen Städten des Reichs.
Nachgerade ein Akt der Emanzipation ist jene Urkunde vom 15. Januar 1232, in der Friedrichs Sohn, König Heinrich (VII.), dem Schultheiß und allen Bürgern von Frankfurt, Wetzlar, Friedberg und Gelnhausen zusagt, sie nicht mehr zwingen zu wollen, eine Tochter oder Enkelin einem Angehörigen des königlichen Hofgesindes zur Ehe zu geben. Die Aufhebung der als Belohnung für geleistete Dienste üblichen "Zwangsehe", die 1240 von Heinrichs Bruder Konrad IV. urkundlich bestätigt wurde, hatte der Frankfurter Schöffe und Handelsherr Johann Goldstein erwirkt, eine der herausragenden Gestalten des Frankfurter Patriziats im 13. Jahrhundert. Durch den Verzicht des Königs auf die Durchsetzung seiner Rechte bei der wahrscheinlich einzigen Tochter Goldsteins, Gertrud, verhinderte der Vater dessen Zugriff auf das wohl nicht unbeträchtliche Vermögen.
Wie hoch die Frankfurter einst ihre Privilegien schätzten, deren Summe die eigentliche "Verfassung" der Reichsstadt darstellte, zeigen deren Sammlung im Privilegienbuch 1398 und die bis 1470 bezeugte alljährliche Verlesung vor der versammelten Bürgerschaft von der heute verschwundenen Außenkanzel der Leonhardskirche. Als sich der Rat dann später weigerte, die inzwischen geheimgehaltenen Privilegien wieder öffentlich zu machen, war dies das Signal für den Fettmilch-Aufstand von 1612.
ULRICH ADOLPHS
"Frankfurter Urkunden staufischer Herrscher". Studien zur Frankfurter Geschichte, Band 50. Von Ingrid Bartholomäi. Im Auftrag der Gesellschaft für Frankfurter Geschichte in Verbindung mit der Frankfurter Historischen Kommission herausgegeben von Dieter Rebentisch. 272 Seiten mit 27 einfarbigen und 21 farbigen Abbildungen. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt 2003. 29,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wo fängt die Geschichte der Stadt Frankfurt an? Zur Zeit der ersten Erwähnung 794 ist von einer "villa regia" die Rede, einem Königshof also, nicht aber von einer Stadt. Verbriefte Stadtrechte, auf die sich so viele Orte in Deutschland berufen können, sind der Siedlung am Main nie verliehen worden. Eine "Geburtsurkunde" gibt es also nicht. Es war vielmehr ein weiter Weg von der königlichen Pfalz zur politisch selbständigen bürgerlichen Reichsstadt. Schritt für Schritt gelang es den Frankfurtern, sich von Verpflichtungen gegenüber dem königlichen Grundherrn zu lösen und damit allmählich Freiheits- und Herrschaftsrechte zu erwerben. Diesen Prozeß zu verfolgen ist Zweck des 50. Bandes der "Studien zur Frankfurter Geschichte", in dem Ingrid Bartholomäi die 35 erhaltenen "Frankfurter Urkunden der staufischen Herrscher" präsentiert. In den gut hundert Jahren von 1138 bis 1254 wurden Münze, Stadtmauer, Messe und Brücke eingerichtet oder gefördert, Grundlagen für die Wirtschaftskraft der Stadt, die es den Bürgern wiederum ermöglichten, sich Zug um Zug eigene Rechte zu erkaufen.
Bartholomäi, Altphilologin und Historikerin, hat die heute nur zum Teil im Frankfurter Stadtarchiv verwahrten Urkunden in fast zehnjähriger, ehrenamtlicher Arbeit nahezu alle erstmals vom Lateinischen ins Deutsche übersetzt, kommentiert und in das historische Umfeld eingeordnet. Herausgekommen ist dabei nicht etwa staubtrockene Archivarbeit, sondern eine spannende, manchmal verblüffend aktuell anmutende Lektüre.
Von "Bürgern" ist zum ersten Mal die Rede, als Kaiser Friedrich II. am 15. August 1219 "auf Ersuchen aller Unserer treuen Bürger von Frankfurt" ein Grundstück am Kornmarkt aus Reichsbesitz schenkt, auf dem die heutige Leonhardskirche entsteht. Zu den wichtigsten schriftlichen Zeugnissen der Stauferzeit gehört zweifellos das Messe-Privileg, eine äußerlich unscheinbare Urkunde, die Kaiser Friedrich II. am 11. Juli 1240 im Lager bei Ascoli ausgefertigt hat. In dem Viereinhalbzeiler wird mitgeteilt, "daß Wir alle, die zur Messe nach Frankfurt kommen, auch Einzelpersonen, in Unseren und des Reiches besonderen Schutz nehmen". Das Blühen der Messe bedeutete nicht nur Gedeihen der Stadt, sondern vor allem auch hohe Steuereinnahmen, die nicht zuletzt dem Kaiser zugute kamen. Die Rechnung ging schon damals auf: Die Steuerliste von 1241 nennt Frankfurt mit der höchsten Steuersumme von 250 Mark Feinsilber vor allen anderen Städten des Reichs.
Nachgerade ein Akt der Emanzipation ist jene Urkunde vom 15. Januar 1232, in der Friedrichs Sohn, König Heinrich (VII.), dem Schultheiß und allen Bürgern von Frankfurt, Wetzlar, Friedberg und Gelnhausen zusagt, sie nicht mehr zwingen zu wollen, eine Tochter oder Enkelin einem Angehörigen des königlichen Hofgesindes zur Ehe zu geben. Die Aufhebung der als Belohnung für geleistete Dienste üblichen "Zwangsehe", die 1240 von Heinrichs Bruder Konrad IV. urkundlich bestätigt wurde, hatte der Frankfurter Schöffe und Handelsherr Johann Goldstein erwirkt, eine der herausragenden Gestalten des Frankfurter Patriziats im 13. Jahrhundert. Durch den Verzicht des Königs auf die Durchsetzung seiner Rechte bei der wahrscheinlich einzigen Tochter Goldsteins, Gertrud, verhinderte der Vater dessen Zugriff auf das wohl nicht unbeträchtliche Vermögen.
Wie hoch die Frankfurter einst ihre Privilegien schätzten, deren Summe die eigentliche "Verfassung" der Reichsstadt darstellte, zeigen deren Sammlung im Privilegienbuch 1398 und die bis 1470 bezeugte alljährliche Verlesung vor der versammelten Bürgerschaft von der heute verschwundenen Außenkanzel der Leonhardskirche. Als sich der Rat dann später weigerte, die inzwischen geheimgehaltenen Privilegien wieder öffentlich zu machen, war dies das Signal für den Fettmilch-Aufstand von 1612.
ULRICH ADOLPHS
"Frankfurter Urkunden staufischer Herrscher". Studien zur Frankfurter Geschichte, Band 50. Von Ingrid Bartholomäi. Im Auftrag der Gesellschaft für Frankfurter Geschichte in Verbindung mit der Frankfurter Historischen Kommission herausgegeben von Dieter Rebentisch. 272 Seiten mit 27 einfarbigen und 21 farbigen Abbildungen. Verlag Waldemar Kramer, Frankfurt 2003. 29,80 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main