„Carson McCullers erkundete das menschliche Herz“, schrieb einst Tennessee Williams. In ihrem Roman „Frankie“ erkundete sie die Gefühlswelt einer Zwölfjährigen. Die frühreife Frankie langweilt sich daheim. Meist ist sie allein, sie hat keine Freunde - sie gehört einfach zu niemandem. Ihre einzige
Abwechslung ist das Herumlungern in der Stadt.
Die Mutter ist bei ihrer Geburt gestorben, so lebt…mehr„Carson McCullers erkundete das menschliche Herz“, schrieb einst Tennessee Williams. In ihrem Roman „Frankie“ erkundete sie die Gefühlswelt einer Zwölfjährigen. Die frühreife Frankie langweilt sich daheim. Meist ist sie allein, sie hat keine Freunde - sie gehört einfach zu niemandem. Ihre einzige Abwechslung ist das Herumlungern in der Stadt.
Die Mutter ist bei ihrer Geburt gestorben, so lebt Frankie bei ihrem Vater, der Juwelier und Uhrmacher in einer verschlafenen Kleinstadt im Südstaat Georgia ist. Ihre einzige Kontaktperson ist die schwarze Köchin Berenice. Ihr Bruder Jarvis ist im Krieg - seit zwei Jahren in Alaska stationiert, denn wir schreiben das Jahr 1943.
Da will Jarvis für wenige Tage nach Hause zurückkehren - er hat eine Braut, die hübsche Janice, gefunden und die beiden wollen heiraten. Die Hochzeit ist in Winter Hill geplant. Frankie und ihr Vater sollen auch dorthin kommen. Frankie freut sich so sehr darauf, dass sie schon vorher ihren Koffer packt. Das wäre für sie der willkommene Anlass, das ver-hasste Provinznest zu verlassen.
Frankie möchte wie Jarvis und Janice sein, daher gibt sie sich den Namen „F. Jasmine“. Sie beschließt, nach der Hochzeit nicht wieder mit dem Vater in ihre Stadt zurückzukehren. Sie ist von der Idee besessen, dass sie dann zur Welt der Erwachsenen gehört. Ihre Gefühle sind ein geheimnisvolles Zusammenspiel von Wirklichkeit und Einbildung.
Und dann die Hochzeit, die für die Halbwüchsige wie ein Traum vorbeigeht. Die Feier ist für sie eine fremde Welt … doch dieser Traum endet mit einer großen Ernüchterung: das Brautpaar reist ohne Frankie ab, die ihnen verzweifelt nachruft: „Nehmt mich mit, nehmt mich mit!“
Eindrucksvoll gestaltet Carson McCullers in „Frankie“ die Einsamkeit und die Sehnsucht einer Pubertierenden. Der Roman erschien 1946 unter dem Originaltitel „The Member of the Wedding“. In deutscher Sprache wurde er 1951 unter dem Titel „Das Mädchen Frankie“ erstmals veröffentlicht. Im Diogenes Verlag erschien er 1965 unter dem Titel „Frankie“ und diese Übersetzung wurde für die vorliegende Neuausgabe noch einmal überarbeitet.
Manfred Orlick