Das alte und neue Zentrum des Berliner Westens ist der Breitscheidplatz, der frühere Auguste Viktoria Platz. Hier steht die Gedächtniskirche. Sie war der Mittelpunkt des Romanischen Forums, das durch die beiden Romanischen Häuser komplettiert wurde. Im zweiten Romanischen Haus, an dessen Stelle sich heute das Europacenter befindet, lag das "Romanische Cafe".
Nach dem 1. Weltkrieg "traf sich alles, was zwischen Reykjavik und Tahiti von Beruf oder aus Liebhaberei mit den Musen und Grazien in irgend- einer Beziehung stand", in diesem "Wartesaal des Genius". Der Architekt dieses Forums, Franz Heinrich Schwechten (1841-1924) war einer der produktivsten, erfolgreichsten und umstrittensten Architekten der Jahrhundertwende. Mit der Planung und Realisierung des Anhalter Bahnhofs betrat Schwechten, enthusiastisch gefeiert, die Berliner Architekturszene der 70er Jahre.
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Nach dem 1. Weltkrieg "traf sich alles, was zwischen Reykjavik und Tahiti von Beruf oder aus Liebhaberei mit den Musen und Grazien in irgend- einer Beziehung stand", in diesem "Wartesaal des Genius". Der Architekt dieses Forums, Franz Heinrich Schwechten (1841-1924) war einer der produktivsten, erfolgreichsten und umstrittensten Architekten der Jahrhundertwende. Mit der Planung und Realisierung des Anhalter Bahnhofs betrat Schwechten, enthusiastisch gefeiert, die Berliner Architekturszene der 70er Jahre.
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Frankfurter Allgemeine ZeitungUnter des Kaisers Sonne
Wilhelms Neoromaniker: Der Architekt Franz Heinrich Schwechten
"In cerevisia felicitas summa" kündet es ebenso fröhlich wie selbstbewusst von der einstigen Schultheiß-Brauerei in Prenzlauer Berg. Seit Anfang März kann man in der Kulturbrauerei an traditionsreicher Stätte auch ins Kino gehen. Aus den Gär- und Lagerräumen des innerstädtischen Industriedorfes wurde ein Multiplex-Kino mit 1550 Plätzen. Im Einerlei der sich rapide vermehrenden Kinokomplexe bedarf es offensichtlich eines einprägsamen Ortes, um sich wenigstens durch die Architektur von der Konkurrenz zu unterscheiden.
Über den Architekten des zwischen 1887 und 1893 errichteten Brauerei-Komplexes, Franz Heinrich Schwechten (1841 bis 1924), liegt nun eine ansprechende, reich bebilderte Monographie des Kunsthistorikers Peer Zietz vor. Der Untertitel lautet "Architekt zwischen Historismus und Moderne". Die Monographie beginnt mit einem Essay zur Aktualität Schwechtens mit etwas unmotivierten Exkursen zwischen David Gilly und David Bowie. Es folgt ein biographischer Teil mit Bemerkungen zu Städtebau, Außenbau und Grundriss bei Schwechten, ein Auswahlkatalog geplanter und verwirklichter Bauten sowie schließlich ein Tafelteil mit Farbaufnahmen.
Die disparate, gleichwohl durch den zeichnerischen Nachlass von fast 5700 Plänen, Skizzen, Aquarellen und Fotos im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz vergleichsweise üppige Quellenlage erlaubte eine fast lückenlose Rekonstruktion des architektonischen Werkes von Schwechten.
Seine Karriere als Privatarchitekt begann mit einem Donnerschlag, dem 1880 vollendeten Anhalter Bahnhof, dessen Fassadenarchitektur und kühne Hallenkonstruktion seinerzeit Maßstäbe setzte und durchweg lobenden Zuspruch fand. Bei seinen siebzehn Kirchen und Kapellen sah das oftmals anders aus. Zwar hatte Schwechten schon als Schüler Zeichenunterricht bei dem Kölner Dombildhauer Stephan, die Wende zur gebauten Spiritualität vollzog sich aber erst nach Schwechtens fünfzigstem Geburtstag.
Mit dem Bau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche von 1890 an schließlich geriet er in die Nähe des Kaisers und in den Geruch des vorgeblich repräsentationswütigen Historismus. Die Schwierigkeiten, einen Historismus-Begriff zu definieren, plagen auch den Schwechten-Biographen Peer Zietz. Die von ihm festgestellte Ambivalenz zwischen innovativem Zweckbau und historistischer Repräsentationsarchitektur in Schwechtens Werk ist die Frucht einer ausschließlich rückwärts gewandten Betrachtungsweise, die zudem als Messlatte eine ominöse Moderne nutzt, die nur über Bauten wie Peter Behrens Turbinenhalle bestimmt wird.
Derlei Einwände schmälern aber nicht Zietz' Verdienste um eine angemessene und fundierte Darstellung. Seinerzeit hatte Schwechten sicher einen prominenten Platz unter der kaiserlichen Sonne - wie er überhaupt ein beinahe opportunistisch zu nennendes Gespür für Zeitströmungen besaß -, aber er hatte ihn nicht exklusiv. Für Wilhelm II. war Schwechten "nur" der Spezialist für den neoromanischen Stil. Doch im Gegensatz etwa zum wahren Günstling Wilhelms II., dem Hofarchitekten Ernst von Ihne, konnte Schwechten mit seinem Haus Potsdam, dem späteren "Haus Vaterland", 1912 wieder an aktuelle Architekturströmungen anknüpfen.
Das Gebäude am Potsdamer Platz fasste in einer streng gerasterten Hülle mit kühler Eleganz große, stützenlose Räume, die in ihrer Originalität an die Hallenkonstruktion des Anhalter Bahnhofs erinnerten. Das im Krieg beschädigte und 1976 abgebrochene Haus beherbergte Cafés, Büros und ein Kino - ziemlich exakt jene Mischung, die jetzt in die Kulturbrauerei eingepflanzt wurde.
OLIVER SANDER
Peer Zietz, Uwe H. Rüdenburg: "Franz Heinrich Schwechten. Ein Architekt zwischen Historismus und Moderne". Edition Axel Menges, Stuttgart 1999, 133 Mark.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wilhelms Neoromaniker: Der Architekt Franz Heinrich Schwechten
"In cerevisia felicitas summa" kündet es ebenso fröhlich wie selbstbewusst von der einstigen Schultheiß-Brauerei in Prenzlauer Berg. Seit Anfang März kann man in der Kulturbrauerei an traditionsreicher Stätte auch ins Kino gehen. Aus den Gär- und Lagerräumen des innerstädtischen Industriedorfes wurde ein Multiplex-Kino mit 1550 Plätzen. Im Einerlei der sich rapide vermehrenden Kinokomplexe bedarf es offensichtlich eines einprägsamen Ortes, um sich wenigstens durch die Architektur von der Konkurrenz zu unterscheiden.
Über den Architekten des zwischen 1887 und 1893 errichteten Brauerei-Komplexes, Franz Heinrich Schwechten (1841 bis 1924), liegt nun eine ansprechende, reich bebilderte Monographie des Kunsthistorikers Peer Zietz vor. Der Untertitel lautet "Architekt zwischen Historismus und Moderne". Die Monographie beginnt mit einem Essay zur Aktualität Schwechtens mit etwas unmotivierten Exkursen zwischen David Gilly und David Bowie. Es folgt ein biographischer Teil mit Bemerkungen zu Städtebau, Außenbau und Grundriss bei Schwechten, ein Auswahlkatalog geplanter und verwirklichter Bauten sowie schließlich ein Tafelteil mit Farbaufnahmen.
Die disparate, gleichwohl durch den zeichnerischen Nachlass von fast 5700 Plänen, Skizzen, Aquarellen und Fotos im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz vergleichsweise üppige Quellenlage erlaubte eine fast lückenlose Rekonstruktion des architektonischen Werkes von Schwechten.
Seine Karriere als Privatarchitekt begann mit einem Donnerschlag, dem 1880 vollendeten Anhalter Bahnhof, dessen Fassadenarchitektur und kühne Hallenkonstruktion seinerzeit Maßstäbe setzte und durchweg lobenden Zuspruch fand. Bei seinen siebzehn Kirchen und Kapellen sah das oftmals anders aus. Zwar hatte Schwechten schon als Schüler Zeichenunterricht bei dem Kölner Dombildhauer Stephan, die Wende zur gebauten Spiritualität vollzog sich aber erst nach Schwechtens fünfzigstem Geburtstag.
Mit dem Bau der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche von 1890 an schließlich geriet er in die Nähe des Kaisers und in den Geruch des vorgeblich repräsentationswütigen Historismus. Die Schwierigkeiten, einen Historismus-Begriff zu definieren, plagen auch den Schwechten-Biographen Peer Zietz. Die von ihm festgestellte Ambivalenz zwischen innovativem Zweckbau und historistischer Repräsentationsarchitektur in Schwechtens Werk ist die Frucht einer ausschließlich rückwärts gewandten Betrachtungsweise, die zudem als Messlatte eine ominöse Moderne nutzt, die nur über Bauten wie Peter Behrens Turbinenhalle bestimmt wird.
Derlei Einwände schmälern aber nicht Zietz' Verdienste um eine angemessene und fundierte Darstellung. Seinerzeit hatte Schwechten sicher einen prominenten Platz unter der kaiserlichen Sonne - wie er überhaupt ein beinahe opportunistisch zu nennendes Gespür für Zeitströmungen besaß -, aber er hatte ihn nicht exklusiv. Für Wilhelm II. war Schwechten "nur" der Spezialist für den neoromanischen Stil. Doch im Gegensatz etwa zum wahren Günstling Wilhelms II., dem Hofarchitekten Ernst von Ihne, konnte Schwechten mit seinem Haus Potsdam, dem späteren "Haus Vaterland", 1912 wieder an aktuelle Architekturströmungen anknüpfen.
Das Gebäude am Potsdamer Platz fasste in einer streng gerasterten Hülle mit kühler Eleganz große, stützenlose Räume, die in ihrer Originalität an die Hallenkonstruktion des Anhalter Bahnhofs erinnerten. Das im Krieg beschädigte und 1976 abgebrochene Haus beherbergte Cafés, Büros und ein Kino - ziemlich exakt jene Mischung, die jetzt in die Kulturbrauerei eingepflanzt wurde.
OLIVER SANDER
Peer Zietz, Uwe H. Rüdenburg: "Franz Heinrich Schwechten. Ein Architekt zwischen Historismus und Moderne". Edition Axel Menges, Stuttgart 1999, 133 Mark.
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