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Diese Biographie beleuchtete alle Facetten des Politikers, Staatsmannes und Populisten Franz Josef Strauß. Der Autor beschreibt die Widersprüche des" bayerischen Titanen", der so unbeherrscht wie erfolgreich, so machtbewußt wie zögerlich und zugleich von ungewöhnlichem Intellekt war. Die Spiegel-Affäre erscheint dabei in neuem Licht. Vier Jahrzehnte deutsche Nachkriegsgeschichte hat Franz Josef Strauß wesentlich mitbestimmt und sich in dieser Zeit vom Nationalisten zum Atlantiker, vom Kommunistenfresser zum deutsch-deutschen Unterhändler gewandelt.

Produktbeschreibung
Diese Biographie beleuchtete alle Facetten des Politikers, Staatsmannes und Populisten Franz Josef Strauß. Der Autor beschreibt die Widersprüche des" bayerischen Titanen", der so unbeherrscht wie erfolgreich, so machtbewußt wie zögerlich und zugleich von ungewöhnlichem Intellekt war. Die Spiegel-Affäre erscheint dabei in neuem Licht. Vier Jahrzehnte deutsche Nachkriegsgeschichte hat Franz Josef Strauß wesentlich mitbestimmt und sich in dieser Zeit vom Nationalisten zum Atlantiker, vom Kommunistenfresser zum deutsch-deutschen Unterhändler gewandelt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.05.1996

Weder Krankenpfleger noch Straßenbahnschaffner
Strauß Strauß fliehend, Strauß Strauß suchend: der bestgehaßte deutsche Demokrat

Wolfram Bickerich: Franz Josef Strauß. Die Biographie. ECON Verlag, Düsseldorf 1996. 376 Seiten, 44,- Mark.

Zu biographischen Zwecken eignet sich das Leben des Franz Josef Strauß vorzüglich. Es bietet Höhen und Tiefen, Überraschungserfolge und Karriereknicke, Dramatik und Komik, dazu etliche Affären, tatsächliche und vermeintliche. Es gestattet Ausblicke auf die gesamte Geschichte der alten, der westdeutschen Bundesrepublik, deren höchste Repräsentanten fast allesamt dem Bundesverteidigungminister, dem Bundesfinanzminister, dem CSU-Vorsitzenden oder dem bayerischen Ministerpräsidenten mehrmals über den Weg gelaufen sind. Und im Mittelpunkt eine an Farbigkeit kaum zu überbietende Figur, charakterlich schillernd und geistig anspruchsvoll, oft genug aufreizend, aber nie langweilig.

Wolfram Bickerich, der im Grunde sein Sujet nicht mag, will doch den Fehler vieler einstiger Strauß-Gegner vermeiden, jede Seelenregung auf eine manchmal amüsante, dem politischen Geschäft jedoch stets abträgliche Grobschlächtigkeit zurückzuführen. Dabei verfällt er ins andere Extrem, hält die zu schildernde Psyche für äußerst kompliziert und glaubt seinem Helden, der sich gern als "Mensch mit seinem Widerspruch" ausgab, ausnahmsweise aufs Wort. In Wirklichkeit diente die Conrad-Ferdinand-Meyer-Formel nur der Beruhigung von Anhängern, die strikte Linientreue erwarteten und durch die politische Flexibilität ihres Idols verwirrt wurden. Der Autor pflichtet zwar nicht einem Zeitgenossen bei, der den Bayern schlankweg mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde verglich, hält aber immerhin den abstrusen Vergleich für erwähnenswert und formuliert auf eigene Gefahr: "Strauß führte ein Leben als Raubtier und zugleich als Beute." Dazu paßt das Märchen vom "Zerrissenen", der einmal "auf der Suche nach sich selbst", ein andermal "auf der Flucht vor sich selbst" gewesen sein soll. Der 1915 geborene Strauß starb 1988. Die Erzählung schließt mit dem Psycho-Kitsch: "Ein Fürst, der einen Bußgeldbescheid mißachtet. Er suchte etwas anderes, ein ganzes Leben lang."

Der Autor verdient Beifall, weil er die Straußsche Selbsteinschätzung, "weder Heiliger noch Dämon" zu sein, für aufschlußreich hält. Allerdings nur knappen Beifall, weil in besagter Äußerung nicht das Musterbeispiel eines rhetorischen Tricks, sondern eine Tatsachenbehauptung gesehen wird. Als solche aber ist das Zitat so wertlos, wie es der Satz wäre: "Ich bin weder Krankenpfleger noch Straßenbahnschaffner." Das mit dem Heiligen und dem Dämon belegt in Wahrheit die Vorliebe des sprachbewußten Logikers Strauß für Negativwendungen, die den Vorzug der Mehrdeutigkeit besitzen. Er sagte, was nicht sei, sagte das aber so wortgewaltig und einprägsam, daß die Zuhörer eine Eindeutigkeit heraushörten, die ihnen vorenthalten wurde. Tausende sind ihm da schon auf den Leim gegangen und als vorerst letzter sein Biograph. Jahrelang hatte der CSU-Vorsitzende sich nach einer Einladung in den Kreml gesehnt, gleichzeitig aber diese Sehnsucht mit den Worten dementiert, es solle doch niemand glauben, er sitze jede Nacht aufrecht im Bett, um den Anruf aus Moskau entgegenzunehmen. Die das hörten, folgerten fälschlicherweise, er pfeife auf eine Einladung. Tatsächlich hatte er nur geleugnet, nachts aufrecht im Bett zu sitzen.

Die Arglosigkeit, mit der Bickerich etliche "Nicht"-Bonmots zitiert, erstaunt insofern, als er in Strauß mit Recht einen ausgezeichneten Redner sieht und mit der Schilderung verschiedener rhetorischer Kunstgriffe sein bestes Kapitel zuwege bringt. Dieses wäre etwas schwächer ausgefallen, wenn der Autor sich nur auf seine Bosheit und seine Beobachtungsgabe verlassen und nicht in den verbalen Sturzfluten, sogar in der Massensuggestion, auch eine geistige Leistung erblickt hätte. Leider verfährt Bickerich nicht immer so. Die Verstandesarbeit, mit der Strauß in verschiedenen Ämtern auffiel, kommt vor lauter Willensanstrengungen und Temperamentsausbrüchen in der Darstellung zu kurz. Wohl wird dem rastlosen Mann ein gerüttelt Maß an Intelligenz attestiert, ihm sogar nachträglich das Recht zugebilligt, sich einen Intellektuellen zu nennen. Doch wenn es ans Erzählen geht, sind Skandale und Affären, wirkliche und scheinbare, dem Autor in der Regel lieber als alle Regierungstätigkeit.

Damit kein Mißverständnis aufkomme: Ein Narr wäre, wer des langen und breiten über FJS schriebe und dabei an dessen Eskapaden nicht genüßlich seine Feder wetzte. Gerade Franz Josef Strauß hätte, wenn er Journalist oder politischer Schriftsteller geworden wäre, sich mit Wonne auf Vorkommnisse wie die Spiegel-Affäre gestürzt. Bei aller Lust am Lesestoff müßte jedoch klarwerden, wieso aus dem Sohn eines Metzgers mehr wurde als ein aufgeweckter, Tacitus im Original lesender, unter die Jäger und die Schürzenjäger sich mischender bayerischer Landrat. Kein Leser wird verstehen, wieso Adenauer auf die Idee kam, einen unbeherrschten jungen Mann nur seiner Strebsamkeit wegen zum Verteidigungsminister zu ernennen, und wieso einem altphilologisch geschulten Hallodri der Aufbau der Bundeswehr gelang. Bei Bickerich erledigt Strauß später die Sanierung des Staatshaushalts offenbar mit der linken Hand. Zum Schluß wird ein selbstgefälliger bayerischer Ministerpräsident vorgeführt, der in Saus und Braus lebt, den "Filz" pflegt und sich um die Verwandlung eines Agrarlandes in einen Industriestaat allenfalls nebenher kümmert. Natürlich erwähnt Bickerich diese strukturpolitische Meisterleistung, aber nur beiläufig, gerade so, daß niemand behaupten kann, er verschweige sie.

Indes weidet sich der Biograph an einer weiteren Verwandlung, an der eines Kommunistenfressers in einen Kommunistenfreund. Für den Autor ist die legendäre Gewährung des ersten Milliardenkredits an die DDR ein Zeichen der Einsicht und der Reife dessen, der sich damals als "Einfädler" betätigte. Daß wie die meisten deutschen so auch die bayerischen Wähler der Ansicht waren, es sei höchste Zeit, der DDR schönzutun, daß deshalb sogar die CSU begann, den Widerwillen gegen eine Diktatur für einen Spleen anzusehen, und Strauß aus Populismus klein beigab - diese spannende und beschämende Geschichte kommt nicht vor. Was sich fast ebensowenig einer Beschreibung erfreuen darf, ist die Conditio sine qua non aller Persönlichkeitsentfaltung, nämlich die funktionierende Partei, die CSU, verstanden nicht als Selbstverständlichkeit oder Folklorevereinigung, sondern als durchaus problematische, immer in Schuß zu haltende Machtbasis. Vor allem aber fehlen über weite Strecken die Widersacher in der Fülle ihrer Macht, die politischen Gegner auf der Lauer und in Aktion, kurzum das Standardpersonal einer jeden ordentlichen politischen Biographie. Spiegel-Redakteur Bickerich kennt gerade einmal einen Gegner: Rudolf Augstein. Deshalb wirkt Strauß zeitweise wie ein Alleinunterhalter und nicht wie der am meisten angegriffene, der trotz aller bayerischen Wahlerfolge bestgehaßte deutsche Demokrat, der 1980 als Kanzlerkandidat scheiterte, weil ihm Helmut Schmidt und die Mehrzahl der deutschen Wähler im Wege standen und nicht etwa er sich selbst. "Die" Biographie? Zu sagen, es sei "eine", wäre schon genug des Lobes. ROSWIN FINKENZELLER

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