Die Architektur des in München und Linz arbeitenden Architekten Franz Riepl steht für Zurückhaltung im Entwurf und für Empfindsamkeit im Detail. Die Stimmigkeit, die seine Architektur im Alltag erreicht, basiert auf der Kenntnis von Vorbildlichem. So findet seine Baukunst zu verständlicher Form. Sie entwickelt mit den Jahren Patina, die sinnlich erfahrbare Atmosphäre verbreitet.
Dieser seltenen Qualität spürt das Buch nach: in einem Interview, in dem Riepl über Räume und Möbel spricht; mit einem Fotoessay über 6 Projekte: ein Vierkanthof, eine Wohnung, ein Wohnhaus, ein Fleischerei-Geschäft sowie zwei Gasthäuser. Diese Bilder werden durch Pläne und Zeichnungen ergänzt. Ein Essay untersucht Riepls Umgang mit der Patina und mit der Nutzung neuerer Bauten.
Dieser seltenen Qualität spürt das Buch nach: in einem Interview, in dem Riepl über Räume und Möbel spricht; mit einem Fotoessay über 6 Projekte: ein Vierkanthof, eine Wohnung, ein Wohnhaus, ein Fleischerei-Geschäft sowie zwei Gasthäuser. Diese Bilder werden durch Pläne und Zeichnungen ergänzt. Ein Essay untersucht Riepls Umgang mit der Patina und mit der Nutzung neuerer Bauten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.12.2018Im Haus sind Anfang und Ende vereint
Bauen tut man erst, wenn man genug Geld hat: Der Architekt Franz Riepl erklärt seine Ästhetik
Wer dort, wo Franz Riepl herkommt, einen Architekten beschäftigt, wenn er ein Haus bauen will, wurde lange Zeit als Spinner abgetan. Jahrhunderte haben ortsansässige Zimmerer und Maurer als Baumeister Häuser errichtet. Der 1932 geborene Franz Riepl hat, bis er zum Studium seinen Geburtsort in der oberösterreichischen Provinz verließ, das Wort "Architekt" gar nicht gekannt. Aber gesehen und erlebt hat er, dass die Poliere, die den Bau von Häusern leiteten, als die ranghöchsten Handwerker im Dorf galten. Und dass ihre Scheunen, Ställe und Wohnhäuser Bestand hatten, ohne den Einsatz eines Statikers.
Riepl stammt aus dem Marktflecken Sarleinsbach im Mühlviertel, einem bäuerlich geprägten Hügelland nördlich der Donau zwischen Passau und Linz, das auf den Böhmerwald und damit auf Adalbert Stifter als geistigen Erzieher der Nation zurollt. Die Eltern hatten ein Wirtshaus nebst Metzgerei, der Sohn studierte Architektur in Wien, gründete 1967 sein eigenes Büro in München, war dann von 1980 an zwanzig Jahre Professor für Landwirtschaftliches Bauwesen und ländliches Siedlungswesen an der TU Graz - wo er mit den Protagonisten der "Grazer Schule" Umgang, aber wenig gemein hatte.
Im Herzen ist er wohl Baumeister geblieben, Befeuerer einer einfachen Alltagsarchitektur, die ihre Liebe zum Detail bei den kleinen Leuten abgeschaut hat. Ein Haus, das ist für Riepl ein Gehäuse, das ein ganzes Leben bergen können muss, das Überlegung und Zeit braucht, Tugenden, die der heutige, wegen allgegenwärtigen Wohnungsmangels angezeigte Schnellbau sich gar nicht erst gestattet. Früher haben sich die Menschen ein Haus erst in reiferem Alter bauen können, weiß Riepl, denn man baute erst, wenn man das Geld dafür hatte - und nicht auf Pump. Wer baut, das sollten Bauherren und -damen wissen, macht eine persönliche Entwicklung durch.
Den Kompromiss mag so einer wie Riepl eher nicht, also eckt er an, wird als unzeitgemäß abgestempelt. Begonnen hat seine Laufbahn mit der Umgestaltung des elterlichen Wirtshauses anno 1960. Da geht die Achtung vor dem Bestand so weit, dass Riepl die Eternit-Verkleidung der Fassade beibehält. Alles Modische ist ihm fern, auch wenn er als junger Architekt mit dem Bauernhof Finsterwalder in Hittenkirchen am Chiemsee - Zylinderschalen aus Stahlbeton überwölben mit exaltierter Geste die Wirtschafts- und Wohngebäude - durchaus experimentierfreudig war. Später erprobt er sich im Sakralbau, sozialer Wohnungsbau im größeren Stil und Gemeindebauten folgen, einen Vierseithof komplettiert er so, dass man glaubt, er habe immer schon so ausgesehen. Bekannt wird sein Entwurf für das Lipizzanergestüt in der Steiermark, wo die Hengste für die Hofreitschule gezüchtet werden. Einfamilienhäuser bleiben die Ausnahme, ebenso monumentale Gesten. Stattdessen Arbeit am Detail, an Handläufen, Fenstern, Gartenmöbeln.
Im vorliegenden Band, den Albert Kirchengast und Hans Kolb herausgegeben haben, folgt den Fotografien von Alexander Krischner ein Gespräch, das Riepl mit den Herausgebern sowie mit Florian Aicher geführt hat. Es wirft in seiner passageren Art eher mehr Fragen auf, als Antworten zu geben. Deswegen sei zur Vertiefung der vor drei Jahren erschienene Band "Franz Riepl über Architektur" (Müry Salzmann Verlag, Salzburg/Wien. 128 S., geb., 28,- [Euro]) von den gleichen Herausgebern empfohlen.
Ursprünglich als Interviewband geplant, gibt Riepl hier in einem Monolog Auskunft über sein Berufsleben, was er etwa seiner Herkunft verdankt und auf welche Widerstände er in Universität und Bauverwaltung stieß. Und er verrät vorsichtig, welche Kollegen er schätzt - Sigurd Lewerentz, ? lvaro Siza Vieira, Arno Lederer und (mit Einschränkungen) Peter Zumthor.
Der Abrissmentalität erteilt der Baumeister eine scharfe Absage: "Ein Haus, das eine gute Lage hat, vernünftig gebaut ist und auch einen gewissen Reiz hat, Stimmung bietet, wird eben nicht verlassen. Und wenn es doch verkommt, wird es aufgrund der guten Lage irgendwann wieder ,lebendig'." Riepl ist überzeugt, dass uns der Begriff "Haus" verlorengegangen ist. "Wir bauen Wohnanlagen, Zentren - Gebäude. ,Haus' war ein verständlicher Begriff für Lebensvorgänge, während wir die Architektur heute nach ,technoiden Einzelelementen' benennen."
Ob er sich selbst dem kritischen Regionalismus zurechnet, bleibt offen. Er habe sich vielleicht ein bisschen zu stark zurückgenommen, räsoniert Riepl, und dadurch die "Übung in Spitzenleistungen" eingebüßt. Überhaupt sei er oft falsch verstanden worden: Er habe nicht querdenken, sondern nachdenken wollen. Die Bewohner seiner gebauten Lebensräume werden es ihm danken.
HANNES HINTERMEIER
"Franz Riepl baut auf dem Land". Eine
Ästhetik des Selbstverständlichen.
Hrsg. von Albert Kirchengast und Hans Kolb.
Birkhäuser Verlag,
Basel 2018.
112 S., Abb., geb. 34,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bauen tut man erst, wenn man genug Geld hat: Der Architekt Franz Riepl erklärt seine Ästhetik
Wer dort, wo Franz Riepl herkommt, einen Architekten beschäftigt, wenn er ein Haus bauen will, wurde lange Zeit als Spinner abgetan. Jahrhunderte haben ortsansässige Zimmerer und Maurer als Baumeister Häuser errichtet. Der 1932 geborene Franz Riepl hat, bis er zum Studium seinen Geburtsort in der oberösterreichischen Provinz verließ, das Wort "Architekt" gar nicht gekannt. Aber gesehen und erlebt hat er, dass die Poliere, die den Bau von Häusern leiteten, als die ranghöchsten Handwerker im Dorf galten. Und dass ihre Scheunen, Ställe und Wohnhäuser Bestand hatten, ohne den Einsatz eines Statikers.
Riepl stammt aus dem Marktflecken Sarleinsbach im Mühlviertel, einem bäuerlich geprägten Hügelland nördlich der Donau zwischen Passau und Linz, das auf den Böhmerwald und damit auf Adalbert Stifter als geistigen Erzieher der Nation zurollt. Die Eltern hatten ein Wirtshaus nebst Metzgerei, der Sohn studierte Architektur in Wien, gründete 1967 sein eigenes Büro in München, war dann von 1980 an zwanzig Jahre Professor für Landwirtschaftliches Bauwesen und ländliches Siedlungswesen an der TU Graz - wo er mit den Protagonisten der "Grazer Schule" Umgang, aber wenig gemein hatte.
Im Herzen ist er wohl Baumeister geblieben, Befeuerer einer einfachen Alltagsarchitektur, die ihre Liebe zum Detail bei den kleinen Leuten abgeschaut hat. Ein Haus, das ist für Riepl ein Gehäuse, das ein ganzes Leben bergen können muss, das Überlegung und Zeit braucht, Tugenden, die der heutige, wegen allgegenwärtigen Wohnungsmangels angezeigte Schnellbau sich gar nicht erst gestattet. Früher haben sich die Menschen ein Haus erst in reiferem Alter bauen können, weiß Riepl, denn man baute erst, wenn man das Geld dafür hatte - und nicht auf Pump. Wer baut, das sollten Bauherren und -damen wissen, macht eine persönliche Entwicklung durch.
Den Kompromiss mag so einer wie Riepl eher nicht, also eckt er an, wird als unzeitgemäß abgestempelt. Begonnen hat seine Laufbahn mit der Umgestaltung des elterlichen Wirtshauses anno 1960. Da geht die Achtung vor dem Bestand so weit, dass Riepl die Eternit-Verkleidung der Fassade beibehält. Alles Modische ist ihm fern, auch wenn er als junger Architekt mit dem Bauernhof Finsterwalder in Hittenkirchen am Chiemsee - Zylinderschalen aus Stahlbeton überwölben mit exaltierter Geste die Wirtschafts- und Wohngebäude - durchaus experimentierfreudig war. Später erprobt er sich im Sakralbau, sozialer Wohnungsbau im größeren Stil und Gemeindebauten folgen, einen Vierseithof komplettiert er so, dass man glaubt, er habe immer schon so ausgesehen. Bekannt wird sein Entwurf für das Lipizzanergestüt in der Steiermark, wo die Hengste für die Hofreitschule gezüchtet werden. Einfamilienhäuser bleiben die Ausnahme, ebenso monumentale Gesten. Stattdessen Arbeit am Detail, an Handläufen, Fenstern, Gartenmöbeln.
Im vorliegenden Band, den Albert Kirchengast und Hans Kolb herausgegeben haben, folgt den Fotografien von Alexander Krischner ein Gespräch, das Riepl mit den Herausgebern sowie mit Florian Aicher geführt hat. Es wirft in seiner passageren Art eher mehr Fragen auf, als Antworten zu geben. Deswegen sei zur Vertiefung der vor drei Jahren erschienene Band "Franz Riepl über Architektur" (Müry Salzmann Verlag, Salzburg/Wien. 128 S., geb., 28,- [Euro]) von den gleichen Herausgebern empfohlen.
Ursprünglich als Interviewband geplant, gibt Riepl hier in einem Monolog Auskunft über sein Berufsleben, was er etwa seiner Herkunft verdankt und auf welche Widerstände er in Universität und Bauverwaltung stieß. Und er verrät vorsichtig, welche Kollegen er schätzt - Sigurd Lewerentz, ? lvaro Siza Vieira, Arno Lederer und (mit Einschränkungen) Peter Zumthor.
Der Abrissmentalität erteilt der Baumeister eine scharfe Absage: "Ein Haus, das eine gute Lage hat, vernünftig gebaut ist und auch einen gewissen Reiz hat, Stimmung bietet, wird eben nicht verlassen. Und wenn es doch verkommt, wird es aufgrund der guten Lage irgendwann wieder ,lebendig'." Riepl ist überzeugt, dass uns der Begriff "Haus" verlorengegangen ist. "Wir bauen Wohnanlagen, Zentren - Gebäude. ,Haus' war ein verständlicher Begriff für Lebensvorgänge, während wir die Architektur heute nach ,technoiden Einzelelementen' benennen."
Ob er sich selbst dem kritischen Regionalismus zurechnet, bleibt offen. Er habe sich vielleicht ein bisschen zu stark zurückgenommen, räsoniert Riepl, und dadurch die "Übung in Spitzenleistungen" eingebüßt. Überhaupt sei er oft falsch verstanden worden: Er habe nicht querdenken, sondern nachdenken wollen. Die Bewohner seiner gebauten Lebensräume werden es ihm danken.
HANNES HINTERMEIER
"Franz Riepl baut auf dem Land". Eine
Ästhetik des Selbstverständlichen.
Hrsg. von Albert Kirchengast und Hans Kolb.
Birkhäuser Verlag,
Basel 2018.
112 S., Abb., geb. 34,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Der Fotoessay von Alexander Krischner, mit analoger Kamera geschossen, bringt diese Praxis im wahrsten Sinne des Wortes "anschaulich" zum Ausdruck."
In: architektur aktuell 9 (2018), 188
In: architektur aktuell 9 (2018), 188