Herz und Hoffnung der SPD
Wohin steuert die SPD nach der Bundestagswahl? Welche Perspektiven kann sozialdemokratische Politik den Menschen anbieten? Andrea Nahles blickt kritisch auf die Politik der Neuen Mitte zurück und entwirft das Bild einer Guten Gesellschaft , in der soziale Verantwortung selbstverständlich und demokratische Teilhabe unverzichtbar ist. Sie tut dies auf ihre Art und gewährt Einblicke in den Alltag einer Politikerin, die sich in vielfacher Weise für andere Menschen engagiert und nichts so sehr liebt wie ihre Familie und ihr Dorf in der Eifel. Denn dort ist sie den Menschen nah
Wohin steuert die SPD nach der Bundestagswahl? Welche Perspektiven kann sozialdemokratische Politik den Menschen anbieten? Andrea Nahles blickt kritisch auf die Politik der Neuen Mitte zurück und entwirft das Bild einer Guten Gesellschaft , in der soziale Verantwortung selbstverständlich und demokratische Teilhabe unverzichtbar ist. Sie tut dies auf ihre Art und gewährt Einblicke in den Alltag einer Politikerin, die sich in vielfacher Weise für andere Menschen engagiert und nichts so sehr liebt wie ihre Familie und ihr Dorf in der Eifel. Denn dort ist sie den Menschen nah
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.01.2010Maria hilft
SPD-Generalsekretärin
Seit vergangenem November ist Andrea Nahles Generalsekretärin der SPD; mit 69,6 Prozent der Stimmen bekam sie auf dem Bundesparteitag das schlechteste Ergebnis der engeren Parteiführung. Das wird ihr kaum etwas ausgemacht haben, weil ihre Generation "nicht so machtversessen" sei wie die Achtundsechziger in den eigenen Reihen. Mit ihnen geht sie jetzt ins Gericht. Unter Gerhard Schröder sei die SPD auf neoliberale Positionen eingeschwenkt. Außerdem habe eine der größten Schwächen seiner Regierung bis 2005 in der "mangelhaften Kommunikation" bestanden. Aber auch in der großen Koalition bis zum Wahldesaster vom Herbst 2009 habe die SPD vergessen, die Interessen der "kleinen Leute" zu vertreten. Dabei bleibe die Schaffung einer gerechten Gesellschaft eine "dauernde Aufgabe". Ihr Motto lautet: "Weniger Spin, mehr Sinn." Im offenen Dialog sieht sie die Zukunft: "Die vielen Menschen, die ihre kostbare Freizeit in die Arbeit für die SPD vor Ort investieren, müssen von uns, die wir an der Spitze der Partei stehen, wieder ernst genommen werden."
Interessanter als solche allgemeinen Botschaften sind Einblicke, die Frau Nahles in ihre Biographie bietet. Sie bezeichnet sich als gläubige und bibelkundige Katholikin: "Mein zweiter Vorname ist Maria" und "Ich war Christin, bevor ich Sozialdemokratin wurde". Sie war schon mit neun Jahren Messdienerin in dem kleinen Eifel-Dorf Weiler, wo ihr Vater - ein Maurermeister - den Kirchenchor leitete und die Mutter sich im Verwaltungsrat der Pfarrgemeinde engagierte. Sie geht "heute noch regelmäßig in die Kirche", glaubt "an die göttliche Kraft in unserem Leben" und sieht im christlichen Glauben das Bekenntnis zur Gemeinschaft. Auf einem solchen "Wertehintergrund" beruhe ihr politischer Einsatz. Im Alter von 18 Jahren trat sie 1988 in die SPD ein, als Bewunderin von Willy Brandt und Oskar Lafontaine - der 1999 mit seinem Rücktritt als SPD-Vorsitzender und Bundesfinanzminister "und dem, was folgte", der "linken Politik und ihrer Mehrheitsfähigkeit in Deutschland massiven Schaden zugefügt" habe. Jedoch habe sie nie verstanden, warum die damalige SPD-Führung keine ernsthaften Versuche machte, ihn zurückzugewinnen. Lange nach Lafontaines Abgang sei die Agenda 2010 zum innenpolitischen Markenzeichen der Regierung Schröder/Fischer geworden. Die Bundestagswahl von 2009 lege die Auffassung nahe, dass die SPD "den Unmut und die Wut der Menschen vor allem auf sich" gelenkt habe. Außerdem habe "Die Linke" mit Lafontaine die Mär von der Alleinverantwortlichkeit der SPD für alles Schlechte "wie eine Monstranz" vor sich her getragen. Der SPD sei es nicht gelungen, "ihr Versprechen einzuhalten, dass sie auch in Zeiten der Globalisierung erfolgreich den Ausgleich von Kapital und Arbeit organisieren könne". Da gibt es eine Menge zu tun.
RAINER BLASIUS
Andrea Nahles: Frau, gläubig, links. Was mir wichtig ist. Pattloch Verlag, München 2009. 238 S., 16,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
SPD-Generalsekretärin
Seit vergangenem November ist Andrea Nahles Generalsekretärin der SPD; mit 69,6 Prozent der Stimmen bekam sie auf dem Bundesparteitag das schlechteste Ergebnis der engeren Parteiführung. Das wird ihr kaum etwas ausgemacht haben, weil ihre Generation "nicht so machtversessen" sei wie die Achtundsechziger in den eigenen Reihen. Mit ihnen geht sie jetzt ins Gericht. Unter Gerhard Schröder sei die SPD auf neoliberale Positionen eingeschwenkt. Außerdem habe eine der größten Schwächen seiner Regierung bis 2005 in der "mangelhaften Kommunikation" bestanden. Aber auch in der großen Koalition bis zum Wahldesaster vom Herbst 2009 habe die SPD vergessen, die Interessen der "kleinen Leute" zu vertreten. Dabei bleibe die Schaffung einer gerechten Gesellschaft eine "dauernde Aufgabe". Ihr Motto lautet: "Weniger Spin, mehr Sinn." Im offenen Dialog sieht sie die Zukunft: "Die vielen Menschen, die ihre kostbare Freizeit in die Arbeit für die SPD vor Ort investieren, müssen von uns, die wir an der Spitze der Partei stehen, wieder ernst genommen werden."
Interessanter als solche allgemeinen Botschaften sind Einblicke, die Frau Nahles in ihre Biographie bietet. Sie bezeichnet sich als gläubige und bibelkundige Katholikin: "Mein zweiter Vorname ist Maria" und "Ich war Christin, bevor ich Sozialdemokratin wurde". Sie war schon mit neun Jahren Messdienerin in dem kleinen Eifel-Dorf Weiler, wo ihr Vater - ein Maurermeister - den Kirchenchor leitete und die Mutter sich im Verwaltungsrat der Pfarrgemeinde engagierte. Sie geht "heute noch regelmäßig in die Kirche", glaubt "an die göttliche Kraft in unserem Leben" und sieht im christlichen Glauben das Bekenntnis zur Gemeinschaft. Auf einem solchen "Wertehintergrund" beruhe ihr politischer Einsatz. Im Alter von 18 Jahren trat sie 1988 in die SPD ein, als Bewunderin von Willy Brandt und Oskar Lafontaine - der 1999 mit seinem Rücktritt als SPD-Vorsitzender und Bundesfinanzminister "und dem, was folgte", der "linken Politik und ihrer Mehrheitsfähigkeit in Deutschland massiven Schaden zugefügt" habe. Jedoch habe sie nie verstanden, warum die damalige SPD-Führung keine ernsthaften Versuche machte, ihn zurückzugewinnen. Lange nach Lafontaines Abgang sei die Agenda 2010 zum innenpolitischen Markenzeichen der Regierung Schröder/Fischer geworden. Die Bundestagswahl von 2009 lege die Auffassung nahe, dass die SPD "den Unmut und die Wut der Menschen vor allem auf sich" gelenkt habe. Außerdem habe "Die Linke" mit Lafontaine die Mär von der Alleinverantwortlichkeit der SPD für alles Schlechte "wie eine Monstranz" vor sich her getragen. Der SPD sei es nicht gelungen, "ihr Versprechen einzuhalten, dass sie auch in Zeiten der Globalisierung erfolgreich den Ausgleich von Kapital und Arbeit organisieren könne". Da gibt es eine Menge zu tun.
RAINER BLASIUS
Andrea Nahles: Frau, gläubig, links. Was mir wichtig ist. Pattloch Verlag, München 2009. 238 S., 16,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Lesenswert und gescheitert zugleich findet Peter Dausend das Buch der neuen SDP-Generalsekretärin. Ein grundsätzliches Problem des Buches sieht er in dem Umstand, dass Andrea Nahles es allein schon sprachlich nicht gelingt, aus dem "selbstreferenziellen Politiksystem" auszubrechen, weshalb sich diese, in "Berufspolitikersprech" verfasste Publikation aus seiner Sicht grundsätzlich kontraproduktiv zum wachsenden Wunsch "der Menschen" nach Authentizität verhält. "Die Form verhindert" so Dausend also, "was der Inhalt versucht". Nächster Punkt auf seiner Mängelliste ist die Tatsache, dass es ihm äußerst schwer fällt, Andrea Nahles ihre diversen "Selbstbeschreibungen" abzunehmen. Zwar begegnet ihm in den Passagen über Nahles' katholische Prägung im heimatlichen Umfeld der Eifel eine völlig unbekannte Andrea Nahles, aber auch eine, die auf ihn wie erfunden wirkt. Lesenswert machen das Buch für ihn allerdings einige hellsichtige und provokante Äußerungen der SDP-Politikerin zur historischen Einordnung von elf Regierungsjahren ihrer Partei. Hier erscheint dem Kritiker die Autorin dann auch so authentisch, wie sie auch im Ganzen gerne wirken wolle.
© Perlentaucher Medien GmbH
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