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Die in diesem Band vorgelegten dreizehn Berichte von Frauen, die aus dem Osten Deutschlands, aus Polen und der Tschechoslowakei vertrieben wurden, entstanden großenteils schon in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre und waren von Marianne Weber, der Witwe Max Webers, bereits in den frühen 50er Jahren unter dem Titel "Schicksalssammlung" zur Veröffentlichung bestimmt und zum Druck vorbereitet. Die vergeblichen Versuche, diese Dokumente in Göttinger und Heidelberger Verlagen zu publizieren, sind im Anhang nachgezeichnet. Nach Marianne Webers Tod 1954 gelangte das Konvolut mit anderen Archivalien…mehr

Produktbeschreibung
Die in diesem Band vorgelegten dreizehn Berichte von Frauen, die aus dem Osten Deutschlands, aus Polen und der Tschechoslowakei vertrieben wurden, entstanden großenteils schon in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre und waren von Marianne Weber, der Witwe Max Webers, bereits in den frühen 50er Jahren unter dem Titel "Schicksalssammlung" zur Veröffentlichung bestimmt und zum Druck vorbereitet. Die vergeblichen Versuche, diese Dokumente in Göttinger und Heidelberger Verlagen zu publizieren, sind im Anhang nachgezeichnet. Nach Marianne Webers Tod 1954 gelangte das Konvolut mit anderen Archivalien ins Staatsarchiv München, wo es im Weberschen Nachlaß jahrzehntelang unbeachtet blieb.

Das Marianne Weber Institut in Oerlinghausen hat es sich zur Aufgabe gemacht, die inzwischen 60 Jahre alten Dokumente biographischer Katastrophenerfahrungen zu veröffentlichen - werfen sie doch mit individuellen Brechungen Licht auf traumatisierende Erlebnisse und Grenzerfahrungen, die zu den unmittelbaren Folgen der Nazidiktatur zu rechnen sind. Die heute nur schwer vorstellbaren desolaten Lebensbedingungen am Ende des Zweiten Weltkriegs und in der unmittelbaren Nachkriegszeit, wie sie in diesen Berichten geschildert sind, lassen die Brutalität dieses (wie eines jeden) Krieges erkennen, die sogar vor Frauen, Kindern und Gebrechlichen nicht haltmacht; schlimmer noch: gerade sie die Verbrechen der Nazis entgelten läßt: "Was die Deutschen als Sieger gesündigt haben, wurde von diesen Menschen im Osten gebüßt" (Marianne Weber).

Inhalt:
- Vorbemerkung der Herausgeber
- Vorwort von Janne Günter
- Einleitung von Marianne Weber

- Die Berichte der "Frauen auf der Flucht" (1944-46)
- I. Karolina Lanckoronska
- II. Elisabeth Kunert
- III. Lili Böhmer
- IV. Familien Scharffenorth und von Mutius
- V. Inge Asbeck
- VI. Eva-Marta von Kamecke
- VII. Rita von Gaudecker
- VIII. Gerta von Alten
- IX. Barbara von Thadden
- X. Johanna Graefe
- XI. N.N.
- XII. Charlotte Münnich
- XIII. Hannah von Harnack

- Anhang von Richard Grathoff
- Literatur zu Vorwort und Anhang
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2005

Schwerste Schicksale

FLUCHT UND VERTREIBUNG. Der vom Marianne Weber Institut e.V. (Oerlinghausen) herausgegebene Band macht nach fast sechzig Jahren dreizehn Berichte von Frauen über ihre Flucht beziehungsweise Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten, Polen und der Tschechoslowakei in den Jahren 1944 bis 1946 zugänglich. Marianne Weber, die Witwe Max Webers, hatte in den frühen fünfziger Jahren vergeblich versucht, diese zu veröffentlichen. Die Heidelberger "Rhein-Neckar-Zeitung" lehnte dies wegen des großen Umfangs des Manuskripts ab; der den Vertriebenenverbänden nahestehende Göttinger Arbeitskreis sah sich außerstande, die erforderliche Finanzierung sicherzustellen. Ein bemerkenswertes Scheitern, das ein bezeichnendes Licht wirft auf die - trotz vollmundiger Versicherungen vieler Politiker in Sonntagsreden - geringe Bereitschaft der mit dem Wiederaufbau beschäftigten westdeutschen Wirtschaftswundergesellschaft, sich mit dem Schicksal der Heimatvertriebenen wirklich auseinanderzusetzen. Nach dem Tode Marianne Webers (1954) verschwanden die Unterlagen dann im Weberschen Nachlaß und gerieten in Vergessenheit. Wichtig sind die vorliegenden, in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Vertreibungsgeschehen entstandenen, leider weitgehend unkommentierten Erinnerungen vor allem aus zwei Gründen: Einerseits zeigen sie in großer Eindringlichkeit, wie gerade Frauen die entsetzlichen Ereignisse erlebten, beurteilten und verarbeiteten. Weder Marianne Weber damals noch die Herausgeber heute haben hier glättend oder beschönigend in den Text eingegriffen, obgleich manche bitteren Urteile den heutigen Leser befremden mögen. Doch erschöpft sich andererseits die Veröffentlichung nicht in der Darstellung des Leides der deutschen Opfer. Wohl um ressentiment- oder revanchegeleiteten Interpretationen der Berichte die Spitze zu nehmen, hatte Marianne Weber um 1951 in einem nun auch abgedruckten Entwurf eines Vorworts auf den inneren Zusammenhang von deutscher Kriegs- und Besatzungspolitik im Osten und Vertreibungsgeschehen hingewiesen - ohne hierbei beides gegeneinander aufzurechnen oder zu verharmlosen. Ausdrücklich hebt sie zudem hervor, daß die Berichte "schwerste Schicksale, aber zugleich auch hochgemutes, überaus taktvolles Verhalten und oft eine beispielhafte Frömmigkeit" vermittelten. Kurzum, eine überaus lesenswerte Dokumentation jüngster deutscher Zeitgeschichte. (Marianne Weber: Frauen auf der Flucht. Aisthesis Verlag, Bielefeld 2005. 378 Seiten, 24,80 [Euro].)

Matthias Stickler

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