Produktdetails
- Verlag: Styria
- Seitenzahl: 504
- Abmessung: 235mm
- Gewicht: 982g
- ISBN-13: 9783222124679
- Artikelnr.: 24301640
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.02.1998Habe ich auch nur eine einzige Runzel im Gesicht?
Ein Blick hinter den Schleier: Das Mittelalter idealisierte seine Frauen, die heutige Wissenschaft sieht genauer hin
Die Frauen im Mittelalter, die der von Karl Schnith herausgegebene Band in zwanzig Kurzbiographien vorstellt, waren Herrscherinnen und Frauen von Herrschern. Die niedrigste soziale Schicht, die erreicht wird, ist die der Hofdamen der Elisabeth von Thüringen, was auch noch ziemlich weit von der einfachen Bevölkerung entfernt ist. Das Buch ist tatsächlich, wie die Werbung behauptet, "lebendig geschrieben" und "gut lesbar". Feministische Geschichtsschreibung, die die Frau nicht nur als Gegenstand betrachtet, sondern einen Blick jenseits geschlechtsspezifischer Befangenheiten anstrebt, wird hier nicht geboten. Unter den elf an Universitäten in Österreich, Deutschland und Bayern tätigen Autoren sind immerhin vier Frauen.
Obgleich vieles sozusagen vorgegeben scheint (so fehlen weder Kaiserin Theophanu noch Elisabeth von Thüringen oder gar Eleonore von Aquitanien und Isabella von Kastilien), sind doch auch einige überraschende Biographien daruntergerutscht. Das Auge des mitteleuropäischen Geschichtsforschers wendet sich selten der Iberischen Halbinsel vor 1492 zu, und so ist ein Artikel über Königin Urraca von Kastilien (vermutlich 1080 bis 1126) eine hochwillkommene Abwechslung. Leider fehlen zusammenhängende Überlegungen über den Wandel der Rolle der Frau. Vergleiche werden überhaupt nur gezogen, wo derselbe Verfasser über verschiedene Fürstinnen schreibt. Die einzige Gemeinsamkeit bildet das Formale, denn jeder Biographie ist eine genealogische Tafel vorangestellt und ein Abschnitt im Literaturverzeichnis gewidmet. Das recht umfangreiche bibliographische Material wird auch für den Laien angenehm aufbereitet.
Hier merkt man allerdings, daß sich der Verlag nicht recht dafür entscheiden konnte, das Fachpublikum anzusprechen, denn ein Personenregister ist zwar vorhanden, doch ein Orts- und Sachindex fehlt. Immerhin sind bei den einzelnen Passagen auch die benutzten Quellen benannt, und manchmal blitzt ein kleiner Schimmer aus dem Arbeitsleben des Historikers auf, wenn zum Beispiel in Gertrud Thomas Artikel über Kaiserin Gisela die oft mühsame Durchsicht der Zeugenlisten im Urkundenmaterial erwähnt wird, die man studiert, um die nähere Umgebung von einzelnen Personen einzukreisen und Itinerare zu erstellen.
Da die Quellen gerade zu Frauen tatsächlich oft nicht sehr ergiebig plätschern, werden in solchen Fällen oft weit weniger geschätzte Diplomata wie Eheverträge untersucht, die doch auch erstaunliche Informationen zu erteilen imstande sind. Aus einer Erwähnung der Mitgift Kaiserin Margaretes (1307 oder 1310 bis 1356) an Kaiser Ludwig IV. (vom Papst Johannes XXII. abschätzig Bavarus, "der Bayer", genannt) kann Heinz Thomas zum Beispiel die zu leistende Söldnerzahl für das Heer des Kaisers hochrechnen.
Die Auswahl der ohnedies spärlichen Abbildungen zu den einzelnen Abschnitten wirkt manchmal nicht wirklich überzeugend. Während im Text selbst darauf hingewiesen wird, daß bis ins vierzehnte Jahrhundert hinein Porträts kein Abbild der Natur anstrebten, schmuggelt der Verlag bei Kaiserin Kunigunde (verstorben 1033) frech die Darstellung des Sarges im Dom zu Bamberg aus dem fünfzehnten Jahrhundert ein oder zeigt Margarete Maultasch (1318 bis 1369) im Porträtbild aus dem sechzehnten Jahrhundert.
Erfrischend insgesamt ist aber, daß es den meisten Autoren gelingt, die unterschiedliche Lage von Herrscheransprüchen und Frauenrechten in den einzelnen Territorien und Ländern aufzuzeigen und so ein wenig das Bild vom festgefügten, auf starrem Erbrecht beruhenden Primat des Monarchen zu erschüttern. Hier liegt es am Leser, aus den einzelnen Beiträgen das Gemeinsame herauszufiltern und so ein lebendigeres Bild des Mittelalters zu erhalten, als man auf den ersten Blick aus Lebensgeschichten von Fürstinnen erwarten darf. MARTIN LHOTZKY
Karl Schnith (Hrsg.): "Frauen des Mittelalters in Lebensbildern". Verlag Styria, Graz 1997. 504 S., Abb., geb., 58,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Blick hinter den Schleier: Das Mittelalter idealisierte seine Frauen, die heutige Wissenschaft sieht genauer hin
Die Frauen im Mittelalter, die der von Karl Schnith herausgegebene Band in zwanzig Kurzbiographien vorstellt, waren Herrscherinnen und Frauen von Herrschern. Die niedrigste soziale Schicht, die erreicht wird, ist die der Hofdamen der Elisabeth von Thüringen, was auch noch ziemlich weit von der einfachen Bevölkerung entfernt ist. Das Buch ist tatsächlich, wie die Werbung behauptet, "lebendig geschrieben" und "gut lesbar". Feministische Geschichtsschreibung, die die Frau nicht nur als Gegenstand betrachtet, sondern einen Blick jenseits geschlechtsspezifischer Befangenheiten anstrebt, wird hier nicht geboten. Unter den elf an Universitäten in Österreich, Deutschland und Bayern tätigen Autoren sind immerhin vier Frauen.
Obgleich vieles sozusagen vorgegeben scheint (so fehlen weder Kaiserin Theophanu noch Elisabeth von Thüringen oder gar Eleonore von Aquitanien und Isabella von Kastilien), sind doch auch einige überraschende Biographien daruntergerutscht. Das Auge des mitteleuropäischen Geschichtsforschers wendet sich selten der Iberischen Halbinsel vor 1492 zu, und so ist ein Artikel über Königin Urraca von Kastilien (vermutlich 1080 bis 1126) eine hochwillkommene Abwechslung. Leider fehlen zusammenhängende Überlegungen über den Wandel der Rolle der Frau. Vergleiche werden überhaupt nur gezogen, wo derselbe Verfasser über verschiedene Fürstinnen schreibt. Die einzige Gemeinsamkeit bildet das Formale, denn jeder Biographie ist eine genealogische Tafel vorangestellt und ein Abschnitt im Literaturverzeichnis gewidmet. Das recht umfangreiche bibliographische Material wird auch für den Laien angenehm aufbereitet.
Hier merkt man allerdings, daß sich der Verlag nicht recht dafür entscheiden konnte, das Fachpublikum anzusprechen, denn ein Personenregister ist zwar vorhanden, doch ein Orts- und Sachindex fehlt. Immerhin sind bei den einzelnen Passagen auch die benutzten Quellen benannt, und manchmal blitzt ein kleiner Schimmer aus dem Arbeitsleben des Historikers auf, wenn zum Beispiel in Gertrud Thomas Artikel über Kaiserin Gisela die oft mühsame Durchsicht der Zeugenlisten im Urkundenmaterial erwähnt wird, die man studiert, um die nähere Umgebung von einzelnen Personen einzukreisen und Itinerare zu erstellen.
Da die Quellen gerade zu Frauen tatsächlich oft nicht sehr ergiebig plätschern, werden in solchen Fällen oft weit weniger geschätzte Diplomata wie Eheverträge untersucht, die doch auch erstaunliche Informationen zu erteilen imstande sind. Aus einer Erwähnung der Mitgift Kaiserin Margaretes (1307 oder 1310 bis 1356) an Kaiser Ludwig IV. (vom Papst Johannes XXII. abschätzig Bavarus, "der Bayer", genannt) kann Heinz Thomas zum Beispiel die zu leistende Söldnerzahl für das Heer des Kaisers hochrechnen.
Die Auswahl der ohnedies spärlichen Abbildungen zu den einzelnen Abschnitten wirkt manchmal nicht wirklich überzeugend. Während im Text selbst darauf hingewiesen wird, daß bis ins vierzehnte Jahrhundert hinein Porträts kein Abbild der Natur anstrebten, schmuggelt der Verlag bei Kaiserin Kunigunde (verstorben 1033) frech die Darstellung des Sarges im Dom zu Bamberg aus dem fünfzehnten Jahrhundert ein oder zeigt Margarete Maultasch (1318 bis 1369) im Porträtbild aus dem sechzehnten Jahrhundert.
Erfrischend insgesamt ist aber, daß es den meisten Autoren gelingt, die unterschiedliche Lage von Herrscheransprüchen und Frauenrechten in den einzelnen Territorien und Ländern aufzuzeigen und so ein wenig das Bild vom festgefügten, auf starrem Erbrecht beruhenden Primat des Monarchen zu erschüttern. Hier liegt es am Leser, aus den einzelnen Beiträgen das Gemeinsame herauszufiltern und so ein lebendigeres Bild des Mittelalters zu erhalten, als man auf den ersten Blick aus Lebensgeschichten von Fürstinnen erwarten darf. MARTIN LHOTZKY
Karl Schnith (Hrsg.): "Frauen des Mittelalters in Lebensbildern". Verlag Styria, Graz 1997. 504 S., Abb., geb., 58,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main