Das erste Buch von Stefan Bollmann "Frauen, die lesen, sind gefährlich " hat den Nerv vieler Leserinnen getroffen, war monatelang auf der Bestsellerliste und wurde ein internationaler Erfolg. Dass die Geschichte weiblichen Lesens weiter erzählt werden muss, zeigt nun eindrucksvoll das neue Buch mit neuen Bildern und Texten. Frauen, die lesen, sind gefährlich - und klug , weil sie der Zugang zu verbotenen Bibliotheken und unerreichbaren Büchern während der letzten Jahrhunderte einfach viel weiser und wissender gemacht hat. In diesem imaginären Museum mit herrlichen Bildern bekannter und unbekannter Meister, die auf unverwechselbare Weise von Stefan Bollmann unterhaltsam und kenntnisreich erklärt werden, begegnen wir Müßiggängerinnen, Verführerinnen, Vorleserinnen, Lebenskünstlerinnen, modernen Leserinnen und vielen anderen gefährlichen Frauen, die Maler und Malerinnen wie Velázquez, Ingres, Degas, Tissot, Liebermann, Caillebotte, Vallotton, de Lempicka, Hopper u.v.a mehr ins Bild gesetzt haben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2010Entrückung, Verzückung, Vertiefung: Und wieder lesen die Frauen
Nichts kann die passionierte Leserin aus ihrer Lektüre reißen, ihr Blick ist ganz auf die Welt hinter den Zeilen gerichtet. Die einzige Störung wäre die Zigarettenasche auf dem feinen Stoff des Kleides. Dem ist vorgebeugt: Mit koketter Diskretion hält die Lesende von Federico Faruffini den Glimmstengel. Fast scheint es, als wolle sie ihn verbergen. Und birgt nicht auch die Lektüre grundsätzlich heimliche Genüsse?
Frauen, die lesen, sind seit Jahrhunderten beliebte Motive in der Kunst - und spätestens seit Stefan Bollmanns Bildanthologie "Frauen, die lesen, sind gefährlich" von 2005 auch auf vielen Beistelltischen zu Hause. In seinem mit essayistischen Kommentaren durchsetzten Folgeband durchforstet Bollmann nun erneut die Kulturgeschichte des weiblichen Lesens. Mit literarischer Verve zeigt er, wie Frauen die ihnen zugedachte Rolle - das Heim hüten, Beten, Konversation treiben - mit und durch Texte erfüllen. Lesen stellt still, macht aber auch frei: Zwischen den Buchdeckeln entdeckt die Damenwelt ihrerseits Welten, die Sehnsüchte wecken und ausmalen. Und manchmal ist es nur ein Schritt von den Traumreichen der Fiktion zur Landkarte der Utopie.
In Bollmanns Zusammenstellung wird außerdem klar: Lesende Frauen besitzen Anmut und Anziehungskraft. Die Ablenkung der Lektüre prädestiniert sie für die Darstellung: Der Aufmerksamkeit für ihre Umgebung beraubt, lassen sie bereitwillig die Blicke über sich gleiten. Eine der schönsten Räklerinnen zeigt Henri Cartier-Bressons Fotografie von 1967, betitelt "Martines Beine". Das Szenario macht deutlich: Die lesende Frau fungiert in der Kunst - trotz reger Geistestätigkeit - vor allem als Objekt des Betrachters.
Zwei Werke durchbrechen die Logik der Zurschaustellung: einmal in der Präsentation des Alters, wie es das Selbstbildnis von Anna Dorothea Therbusch vorstellt. Deren kluges Gesicht ist ebenso zerknittert wie ihr seidener Rock. Und dann mit kritischer Laszivität, wie sie Maria Magdalena verkörpert. Johannes Paulus Moreelse hat sie gemalt, mit verärgertem Blick, als wolle sie dem Betrachter für seine Indiskretion einen Rüffel erteilen. Solche Widerspenstigkeit muss man sich schon gefallen lassen, wenn man Lesende betrachtet. (Stefan Bollmann: "Frauen, die lesen, sind gefährlich und klug". Verlag Elisabeth Sandmann, München 2010. 136 S., zahlr. Abb., geb., 19,95 [Euro].)
svm.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nichts kann die passionierte Leserin aus ihrer Lektüre reißen, ihr Blick ist ganz auf die Welt hinter den Zeilen gerichtet. Die einzige Störung wäre die Zigarettenasche auf dem feinen Stoff des Kleides. Dem ist vorgebeugt: Mit koketter Diskretion hält die Lesende von Federico Faruffini den Glimmstengel. Fast scheint es, als wolle sie ihn verbergen. Und birgt nicht auch die Lektüre grundsätzlich heimliche Genüsse?
Frauen, die lesen, sind seit Jahrhunderten beliebte Motive in der Kunst - und spätestens seit Stefan Bollmanns Bildanthologie "Frauen, die lesen, sind gefährlich" von 2005 auch auf vielen Beistelltischen zu Hause. In seinem mit essayistischen Kommentaren durchsetzten Folgeband durchforstet Bollmann nun erneut die Kulturgeschichte des weiblichen Lesens. Mit literarischer Verve zeigt er, wie Frauen die ihnen zugedachte Rolle - das Heim hüten, Beten, Konversation treiben - mit und durch Texte erfüllen. Lesen stellt still, macht aber auch frei: Zwischen den Buchdeckeln entdeckt die Damenwelt ihrerseits Welten, die Sehnsüchte wecken und ausmalen. Und manchmal ist es nur ein Schritt von den Traumreichen der Fiktion zur Landkarte der Utopie.
In Bollmanns Zusammenstellung wird außerdem klar: Lesende Frauen besitzen Anmut und Anziehungskraft. Die Ablenkung der Lektüre prädestiniert sie für die Darstellung: Der Aufmerksamkeit für ihre Umgebung beraubt, lassen sie bereitwillig die Blicke über sich gleiten. Eine der schönsten Räklerinnen zeigt Henri Cartier-Bressons Fotografie von 1967, betitelt "Martines Beine". Das Szenario macht deutlich: Die lesende Frau fungiert in der Kunst - trotz reger Geistestätigkeit - vor allem als Objekt des Betrachters.
Zwei Werke durchbrechen die Logik der Zurschaustellung: einmal in der Präsentation des Alters, wie es das Selbstbildnis von Anna Dorothea Therbusch vorstellt. Deren kluges Gesicht ist ebenso zerknittert wie ihr seidener Rock. Und dann mit kritischer Laszivität, wie sie Maria Magdalena verkörpert. Johannes Paulus Moreelse hat sie gemalt, mit verärgertem Blick, als wolle sie dem Betrachter für seine Indiskretion einen Rüffel erteilen. Solche Widerspenstigkeit muss man sich schon gefallen lassen, wenn man Lesende betrachtet. (Stefan Bollmann: "Frauen, die lesen, sind gefährlich und klug". Verlag Elisabeth Sandmann, München 2010. 136 S., zahlr. Abb., geb., 19,95 [Euro].)
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dies ist ein Fortsetzungsband. Im ersten versammelte Stefan Bollmann Bilder von Frauen, die lesen, und kommentierte das klug. Jetzt tut er es wieder, und wiederum sieht und liest Sophie von Maltzahn das gern. Meist freilich, da gibt es kein Vertun, sind das Blicke von Männern auf Frauen, deren Versunkenheit dem nie ganz unschuldigen Blick gerade recht kommt. Ausnahmen gibt es auch, so von Maltzahn, etwa das Selbstporträt von Anna Dorothea Therbusch. Gelobt wird die Auswahl und auch die "literarische Verve" der kurzen begleitenden Essays von Bollmann.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Wer schön sein will, muss lesen!« Frankfurter Allgemeine Zeitung