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Dieses Buch dokumentiert zum ersten Mal unseren Stand des Wissens über die Rechtsstellung von Frauen im deutschsprachigen Raum seit der Frühen Neuzeit bis heute. Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit rechtliche Normen für Männer und Frauen unterschiedliche Geltung beanspruchten, ob und wie diese Differenzen begründet wurden und in welcher Weise sich die Begründungen wie auch das positive Recht selbst im Lauf der Zeit verändert haben. Untersucht werden aber nicht nur die Rechtsnormen in den Bereichen des öffentlichen Rechts, des Zivilrechts und des Strafrechts, sondern ebenso die…mehr

Produktbeschreibung
Dieses Buch dokumentiert zum ersten Mal unseren Stand des Wissens über die Rechtsstellung von Frauen im deutschsprachigen Raum seit der Frühen Neuzeit bis heute. Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit rechtliche Normen für Männer und Frauen unterschiedliche Geltung beanspruchten, ob und wie diese Differenzen begründet wurden und in welcher Weise sich die Begründungen wie auch das positive Recht selbst im Lauf der Zeit verändert haben. Untersucht werden aber nicht nur die Rechtsnormen in den Bereichen des öffentlichen Rechts, des Zivilrechts und des Strafrechts, sondern ebenso die Rechtswirklichkeiten, die Alltagspraxis, die Rechtsprechung sowie die Diskurse über Recht und Unrecht.
Autorenporträt
Ute Gerhard ist Professorin für Soziologie am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.1997

Die Rechnung, meine Herrn
Judex non calculat, doch Frauen zählen auf das Recht / Von Gerd Roellecke

Mehr Frauen in leitende Stellungen zu hieven ist vernünftig. Frauen sind leidensfähiger. Aber Gesellschaft und Natur setzen der Vernunft enge Grenzen. Die westliche Gesellschaft wird von Individualismus und Subjektivismus geprägt, und die unterscheiden nicht zwischen Frauen und Männern, sondern zwischen Kosten und Nutzen oder Zu- und Abneigungen oder nach uralten Traditionen wie der, daß Frauen keine Gewehre zu schwingen haben. Wie unvernünftig die Natur ist, kann jeder Vater beobachten, dessen geliebte und ehrgeizige Tochter ein Kind bekommt. Auch wenn der Schwiegersohn oder -freund ein halber Engel ist, schon wegen des Stillens muß zunächst die Tochter zurückstecken. Daß sich der Ehrgeiz der Tochter nicht im Kinderkriegen erschöpft, liegt am Individualismus. Er wirkt männlich, weil den Männern in der Regel kein Kind am Rockschoß hängt, wenn sie spielen. Aber der Individualismus gehört zur Gesellschaftsstruktur. Deshalb kann die Tochter sich ihm nicht entziehen.

In diesem Konflikt der Gesellschaft mit sich selbst verhält sich die deutsche Politik wie das Zweite Vatikanische Konzil. Das Konzil hat die liturgischen Texte geändert, statt die Organisation der christlichen Botschaft den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen. Die deutsche Politik hat den Text des Grundgesetzes geändert und versprochen, "die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern" zu fördern, statt sich um die tatsächliche Durchsetzung des schönen bundesverfassungsgerichtlichen Wortes zu bemühen: "Das Grundgesetz hat (. . .) die Spannung Individuum- Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden, ohne dabei deren Eigenwert anzutasten." Wahrscheinlich hat die Politik den gleichen Erfolg wie das Konzil.

Strukturelle Konflikte lassen sich leichter beherrschen, wenn man zunächst fragt, wie alles gekommen ist. Das Sammelwerk über "Frauen in der Geschichte des Rechts" könnte das Problem daher tatsächlich ein wenig entspannen. Von dem großmütterlichen Feminismus, den das Vorwort der Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes verbreitet, sollte man sich nicht abschrecken lassen. Ansonsten gebührt der Herausgeberin Ute Gerhard hohes Lob. Mit einem Sammelband ist man zwar meist auf der sicheren Seite. Aber die Beiträge der zweiundvierzig Autoren, naturgemäß meist weiblichen Geschlechts, sind mit Verzeichnissen gut erschlossen und vor allem trefflich aufeinander abgestimmt. Die gesellschaftlichen Grundprobleme wie Religion, Wirtschaft, Familie und Strafe werden in jedem der drei großen Teile - ständische Gesellschaft, Umbruch um 1800, jüngste Neuzeit - neu aufgenommen. Dadurch werden Vergleiche möglich. Den Umbruch von 1780 bis 1850 als eigenen mittleren Teil hervorzuheben verschafft eine einsichtenträchtige Perspektive.

Wenn man auch hin und wieder auf Merkwürdigkeiten vom Typ "weibliche Dissertationen" stößt, zeigt das Buch insgesamt, daß Geschichte immer noch das beste Gegengift gegen Ideologie ist. Vergangenheit ist eben widerstandsfähiger als Zukunft. Bereits der erste Sachbeitrag von Heide Wunder, "Herrschaft und öffentliches Handeln von Frauen in der Gesellschaft der Frühen Neuzeit", rückt dem alten Vorurteil zu Leibe, die ständische Gesellschaft habe Frauen von der politischen Mitwirkung einfach ausgeschlossen. In Wahrheit dominierte die grundlegende Unterscheidung nach der Zugehörigkeit zu einem Stand die Unterscheidung nach dem Geschlecht, mit der Folge, daß Frauen im Rahmen ihres Standes erheblichen Einfluß gewinnen konnten. Man denke an Österreichs Maria Theresia. Die Stellung der Frau war also weniger durch ihr Geschlecht und mehr durch die Struktur der Gesellschaft bestimmt.

Keine tiefe Einsicht, möchte man meinen. Trotzdem ist daran zu erinnern, weil sie auch in diesem Buch in dem Maße verlorenzugehen scheint, in dem man sich der Gegenwart nähert. Was Heide Wunder für das siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert behandelt, erörtert Ute Gerhards Beitrag "Grenzziehungen und Überschreitungen. Die Rechte der Frauen auf dem Weg in die politische Öffentlichkeit" für das neunzehnte und zwanzigste Jahrhundert. Nur wird die Frage der politischen Mitwirkung bei Gerhard zu einem reinen Gerechtigkeitsproblem. Daß die Gleichberechtigungsgerechtigkeit noch nicht in Kraft getreten ist, erklärt sie mit der Benachteiligung der Frauen: "Erst das Ensemble bürgerlicher, politischer und sozialer Rechte" schaffte die Voraussetzung, um "auch Frauen politisches Handeln im öffentlichen Raum zu ermöglichen". Darüber sollte sich niemand mokieren. Wenn ein gesellschaftliches Problem unlösbar ist, kommt die Armut eben von der Poverteh. Den Unterton gerechter Empörung, der in fast allen Beiträgen anklingt, stimmt am deutlichsten Karin Hausen an. In ihrem Artikel über "Arbeiterinnenschutz, Mutterschutz und gesetzliche Krankenversicherung im Deutschen Kaiserreich und in der Weimarer Republik" schreibt sie fairerweise, daß die einschlägige Gesetzgebung und die versicherungsrechtlichen Konstruktionen bei Frauen und Männern aus allen Schichten breite Zustimmung gefunden haben, nach heutigen Vorstellungen also urdemokratisch waren. Im Prinzip klagt sie jedoch, das Arbeits- und Sozialrecht habe die überkommenen Geschlechterrollen verfestigt, indem es auf den Erhalt der Familie abzielte. Das ist richtig, aber eigentlich kein Grund zur Klage, weil die Politik von Grundgesetzes wegen Ehe und Familie schützen soll. Klagen kann man nur, wenn man gegen das Grundgesetz meint, Frauen müßten auch von Ehe und Familie emanzipiert werden. Aus biologischen Gründen ist das keine verallgemeinerungsfähige Norm. Wichtiger sind freilich die Konsequenzen, die sich ergeben, wenn man die heutige Rentendiskussion aus der emanzipatorischen Sicht Hausens beurteilt. Dann werden Norbert Blüm und die SPD erzreaktionär, weil sie an der Bismarckschen Sozialversicherungsideologie festhalten und eine Rente für Erziehungszeiten zur versicherungsfremden Leistung erklären, während Kurt Biedenkopf zum Schutzengel der Frauenemanzipation avanciert, weil er eine steuerfinanzierte Grundrente für alle fordert.

Daß es Fronten aufbricht und Positionen durcheinanderwirbelt, ist das wichtigste der vielen Verdienste dieses Buches. Was sichtbar wird, wenn sich der Wirbel legt, weiß man allerdings nicht. Nach menschlichem Ermessen ist das Gleichberechtigungsproblem in einer funktionsorientierten Gesellschaft nicht zu lösen. Bewältigen kann man es nur, wenn man sich stabile Scheuklappen zulegt. Der Notwendigkeit, Scheuklappen anzulegen, kann sich auch dieser Band nicht entziehen. Aber er trägt sie offen und mit Würde und läßt Verärgerung nicht aufkommen. Auch wer es für richtiger hält, Frauen als Frauen anzuerkennen, statt sie auf Biegen und Brechen "gleichberechtigt zu Männern mit eigenständigen Erwerbs- und Lebenschancen auszustatten" (Karin Hausen), sollte einen Blick in dieses Buch werfen.

Ute Gerhard (Hrsg.): "Frauen in der Geschichte des Rechts". Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Verlag C. H. Beck, München 1997.960 S., Abb., geb., 98,- DM.

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