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Warum lügt der Mensch? Lügen Frauen öfter als Männer? Sind Frauen gar die besseren Lügner? Catharina Lohmann zeigt, daß die Wahrheit nicht zwingend das Rezept für eine heile Welt ist.

Produktbeschreibung
Warum lügt der Mensch? Lügen Frauen öfter als Männer? Sind Frauen gar die besseren Lügner? Catharina Lohmann zeigt, daß die Wahrheit nicht zwingend das Rezept für eine heile Welt ist.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.05.1998

Der Hang zum Flunkern als sekundäres Geschlechtsmerkmal
Zwei Ansichten über die Verbreitung des Lügens bei Männern und Frauen: Hat die Liebe ohne Trauschein die Treue nötig oder den Schein?

Nach Arthur Schopenhauer läßt sich der Bartwuchs des Mannes darauf zurückführen, daß er seine Gefühle vor den Feinden verbergen muß. Das Weib hingegen bedürfe dieses Schutzes nicht, "weil es sich instinktiv listig und hinterhältig verhalte". Ein Mann, ein Wort, eine Frau, ein Wortbruch - mit der Gleichung habe der Philosoph, so Catharina Lohmann in ihrem Ratgeber "Frauen lügen anders", sich in die Riege der Vertreter männlichen "Wunschdenkens" eingereiht, das sogar noch die statistischen Erhebungen zeitgenössischer "Lügenforschung" zuungunsten der Frauen verfälsche: "Wahr ist, daß das Vorurteil von der ausgeprägten Ehrlichkeit des Mannes aus den Köpfen der Bundesbürger genauso schwer zu entfernen ist wie ein Rotweinfleck von seiner weißen Weste." Dabei steht, was Männer so alles auftischen, den weiblichen Leistungen auf diesem Gebiet in nichts nach. Nicht nur amerikanische Präsidenten bedürfen schon lange keines Bartes mehr, um bei Bedarf die Miene verfolgter Unschuld aufzusetzen.

Die beliebteste Männerlüge lautet schlicht und einfach: "Ich ruf' dich an", in Wahrheit eine Abschiedsformel. Ein anderer Favorit ist: "Ich könnte nie mit einer Frau schlafen, die ich nicht liebe" - was ein probates Mittel zu genau ebendiesem Zweck darstellt. Weibliches Geflunker ist natürlich auch nicht von schlechten Eltern, aber meist defensiver Natur: "Ich mag deinen Körper, so wie er ist", säuselt ein Evergreen der Schlafzimmerlüge, der Unwägbarkeiten gekränkten Männerstolzes vorzubeugen dient, ein anderer: "Mach dir nichts draus, es war auch so schön für mich."

Die Domäne weiblicher Tatsachenverdrehungen sei aber viel zu oft der private Bereich, moniert Lohmann. Bei der Untreuequote liegen laut nicht weiter belegter Umfragen die Frauen mit bis zu siebzig Prozent zwar fast gleichauf mit ihren Ehemännern. Diese zögen jedoch bewußte Unwahrheiten viel öfter auch als Joker im Karrierespiel aus dem Ärmel. Kritik richtet Lohmann an die Offenherzigkeit ihrer Geschlechtsgenossinnen, die sich auf Pokerfaces nicht verstünden. Das Patriarchat sei nur mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Einkaufsnetze zu Männerfallen, Herzen zu Mördergruben! Die angemessene Vertretung von Frauen in Führungspositionen werde sich erst einstellen, wenn Lug und Trug endlich von den Richtigen in die Hand beziehungsweise den Mund genommen werde. Je anspruchsvoller die individuellen, desto bescheidener werden die gesellschaftlichen Ziele des Feminismus.

Lohmann glaubt, "daß die Welt ein klitzekleines bißchen menschlicher geworden ist, wo die Frauen ehrlich mitlügen dürfen". Dabei wendet sie selbst ihre Lehre von der Priorität des Scheins vor dem Sein bereits erfolgreich an, wenn sie zu Beginn jedes zweiten Kapitels aus dem "Faust" zitiert und auch sonst einiges unternimmt, um ihrem inhaltlich dünnen Karriereratgeber einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben. Dabei beruhen ihre Erkenntnisse wohl vor allem auf eigenen schlechten Erfahrungen. Sie hält es für "längst überfällig, die Lüge aufzudecken, wonach Single-Frauen sich Nacht für Nacht in den Schlaf weinen, weil sie sich in Wirklichkeit nach nichts mehr sehnen als nach dem Mann, der endlich mal länger als eine Affäre bleibt". Wahr hingegen sei, daß sich solche Märchen "mit Vorliebe auf dem Abstellgleis eingefahrene Paare" erzählten, "die sich sonst nichts mehr zu sagen haben".

Nach der Lektüre des - im moralisch strengeren amerikanischen Kontext entstandenen - Buches von Dory Hollander ist man geneigt, hier Zweifel anzumelden. Folgt man ihr, haben Frauen entweder einen harmlosen Flirt im Sinn oder hegen todernste Heiratsabsichten, dazwischen scheint es nichts zu geben. Hollander hat in mehr als hundert Einzelinterviews mit Männern und Frauen immer wieder die gleiche Geschichte gehört: Er lügt das Blaue vom Himmel herunter, um sie in die Falle zu bekommen; sie stolpert prompt hinein und ist um eine Enttäuschung reicher - niemals umgekehrt. Damit steht Hollander für eine traditionellere Form der Frauenliteratur, welche die vor allem männliche Unaufrichtigkeit in Beziehungsdingen für die Wurzel allen Übels hält. Neue Absätze beginnt sie vorzugsweise mit einem "Machen wir uns nichts vor". Im Gegensatz dazu hat Lohmann die Chimäre der Authentizität schon durchschaut: "Beziehungen, bei denen der eine in den anderen mehr hineininterpretiert, als da ist, und das alles auch noch glaubt, halten - laut neuestem Stand der Umfragen - länger als solche, die das Dasein des Geliebten mit nüchtern-realistischem Röntgenblick durchleuchten".

Hollanders Buch könnte auch heißen: "Wie vermeide ich in Liebesdingen jedwedes Risiko?" In Komplimenten oder Liebeserklärungen sieht sie nichts als "Köderphrasen", denen es auf die Schliche zu kommen gilt. Verletzungen hält sie nur dann für ausgeschlossen, wenn zwischen Flirtpartnern "Parität" bestehe. Aber wie soll die vorab feststellbar sein, wenn ein Flirt einen Hauch von Spannung und damit auch von Geheimnis behalten soll? Sie liefert allen Ernstes eine "Checkliste für den Selbstschutz vor sexuellen Masken" und gibt für jede neue Bekanntschaft folgende Ratschläge aus: "Machen Sie es sich zur Gewohnheit, nichts für bare Münze zu nehmen. Stellen Sie Tatsachenfragen, wie ein Reporter, der Daten sammelt. Bitten Sie ihn, seine Freunde und Verwandten kennenlernen, seinen Hund ausführen zu dürfen." Vorsicht, Falle! Eduard Zimmermann läßt grüßen.

Lohmann glaubt dagegen nicht mehr an die "Lüge von der erlösenden Kraft der Wahrheit". Nach dem Scheitern der transzendental-pragmatischen Beziehungskisten der achtziger Jahre kam die neoromantische Ironiker-Ehe in Mode. Doch auch die Liebenden auf den ersten augenzwinkernden Blick klagen heute vor dem Scheidungsanwalt vorzeitigen Spielabbruch ein. Wenn bedingungslose Aufrichtigkeit ebensowenig vor Ehefrust schützt wie das gemeinsam inszenierte Zwei-Personen-Stück, bleibt nur Zynismus. Catharina Lohmann zieht kurze Beine langen Gesichtern vor: "Eine glückliche Ehe und ein geglückter, weil verheimlichter Seitensprung können harmonieren." Dory Hollander glaubt noch daran, daß ehrlich am längsten währe. Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so. RICHARD KÄMMERLINGS

Catharina Lohmann: "Frauen lügen anders". Die Wahrheit erfolgreich den Umständen anpassen. Wolfgang Krüger Verlag, Frankfurt am Main 1998. 176 S., br., 32,- DM.

Dory Hollander: "Die Lügen der Männer - und wie Frauen ihnen auf die Schliche kommen". Aus dem Amerikanischen von Clemens Wilhelm. Goldmann Verlag, München 1998. 512 S., br., 36,90 DM.

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