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Unsere Anthologie, 2001 erstmals erschienen, ist Frauenbildern von Frauen gewidmet. Sie beginnt mit Aufnahmen der beiden großen Photographinnen des 19. Jahrhunderts, Clementina Lady Hawarden und Julia Margaret Cameron, und führt über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren bis in die Gegenwart - über Lotte Jacobi, Germaine Krull, Dorothea Lange, Gisèle Freund, Dora Maar zu Annie Leibovitz, Rineke Dijkstra und Inez van Lamsweerde. An die 90 Photographinnen geben in rund 160 Bildern Antworten auf die Frage, ob es so etwas wie den "weiblichen Blick" in der Photographie gibt, ob Photographinnen…mehr

Produktbeschreibung
Unsere Anthologie, 2001 erstmals erschienen, ist Frauenbildern von Frauen gewidmet. Sie beginnt mit Aufnahmen der beiden großen Photographinnen des 19. Jahrhunderts, Clementina Lady Hawarden und Julia Margaret Cameron, und führt über einen Zeitraum von mehr als 100 Jahren bis in die Gegenwart - über Lotte Jacobi, Germaine Krull, Dorothea Lange, Gisèle Freund, Dora Maar zu Annie Leibovitz, Rineke Dijkstra und Inez van Lamsweerde. An die 90 Photographinnen geben in rund 160 Bildern Antworten auf die Frage, ob es so etwas wie den "weiblichen Blick" in der Photographie gibt, ob Photographinnen Frauen tatsächlich anders sehen als ihre männlichen Kollegen. Im Fokus stehen dabei die vier großen Themenbereiche der jeweiligen sozialen Wirklichkeit, der Familie, des weiblichen Körpers und der virtuellen Realität mit ihren vielgestaltigen Bildern aus Kunst, Literatur, Mode, Tanz und Film. Elisabeth Bronfen, Professorin am Englischen Seminar der Universität Zürich, geht in ihrem einführendenText der komplexen Frage einer Genealogie der weiblichen Sicht nach. Kurzbiographien aller in diesem Band versammelten Photographinnen und Portraitierten machen unsere Anthologie zu einem in Zeiten von Gender-Debatten und MeToo wieder brandaktuellen visuellen Nachschlagewerk.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.11.2020

Jenseits der Mutter
Bilder von Frauen, die Frauen betrachten
Greta Garbo schaut zurück. Über die nackte, weich gezeichnete Schulter, in Richtung der Fotografin Ruth Harriet Louise. Genüsslich, stolz, verführerisch, tiefenentspannt sieht das aus. Garbo blickt nicht divenhaft herab auf die andere, ordnet sich der Kamera auch nicht unter; sie zeigt sich nackt und nahbar, ohne sich zu entblößen.
Die Fotografie von 1926 ist eine von vielen des Bildbandes „Frauen sehen Frauen“, die freier, spielerischer, anziehender sind als alle Klischees davon, wie Frauen zu sein haben, alleine und miteinander. Auf den Porträts aus dem 19. und 20. Jahrhundert zu sehen sind Schwestern, Freundinnen, Töchter der Fotografinnen ebenso wie ihre Ansichten unbekannter und sehr bekannter Frauen, manches ist inszeniert, manches nicht allzu sehr.
Die Ziele der Fotografinnen und Modelle sind so unterschiedlich wie die Frauen. Mal geht es um eine Hommage wie in Lucia Moholys Bild der alten Sozialistin Clara Zetkin von 1929 oder in Lola Alvarez Bravos Blick auf die sich spiegelnde Malerin Frida Kahlo (um 1944, unsere Abbildung links oben). Mal ist das Ziel, alte Frauenbilder neu zu erfinden wie in Rineke Dijkstras Fotografie eines Mädchens, das wie Botticellis Venus am Strand steht, nur verletzlicher, unsicherer, zarter (Abbildung rechts). Oder es sind persönliche Aufnahmen: Zwei junge Frauen räkeln sich 1924 auf Germaine Krulls Sofa, die eine in klassischer Pose, zurückgelehnt mit verdecktem Gesicht, die andere lässt den Blick über die Schenkel der Freundin gleiten.
Ginge es nach der Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen, die den Eingangsessay beisteuert, so suchten Fotografinnen und ihre weiblichen Modelle immer nur zweierlei: den verlorenen Blick der Mutter oder aber die Selbstbespiegelung in einer anderen Frau. Das wirkt angesichts all dieser vor Energie und Sinnlichkeit strotzenden Bilder dann doch unfreiwillig komisch. Nicht einmal Martine Francks Bildnis aus einem Altenheim von 1975 ließe sich auf eine symbolische Mutter-Tochter-Beziehung reduzieren; hier parodiert eine uralte Dame die Fotografin, indem sie mit einer Geste – die Hand vor dem Auge – kommentiert, wie die Fotokünstlerin sich hinter ihrer Kamera versteckt.
Offenkundig sind viele der Akteurinnen darauf aus, das Spektrum der Frauenbeziehungen jenseits der nicht immer unkomplizierten Mutterbindung zu erkunden. Inez von Lamsweerde nennt ihr 1994 entstandenes Bildnis einer langbeinigen Schreibtischraucherin ausdrücklich: „My mother? I’ll tell you about my mother, Kym“ – „Meine Mutter? Ich werde Dir von meiner Mutter erzählen, Kym“ (unsere Abbildung links unten) – was ja wohl heißt, dass kaum eine Frau gerne mit ihrer Mutter verwechselt wird.
Freiheit beginnt da, wo die Stereotype enden, und das passiert auf den Bildern in diesem Band. Bronfen will krampfhaft jedes Begehren, das dabei aufflackert, sei es platonisch oder sexuell, auf den impliziten männlichen Blick zurückführen. Um den aber geht es hier nicht, oder nur als leise Erinnerung an eine lange Kulturgeschichte. Nun ist der Text, da es sich um eine Wiederauflage handelt, knapp 20 Jahre alt, und damals konnten sich auch viele Kulturwissenschaftlerinnen noch nicht vorstellen, wie vielseitig weiblicher Selbstausdruck einmal werden könnte – man denke an Céline Sciammas virtuosen Künstlerinnen-Film von 2019 „Porträt einer jungen Frau in Flammen“. Die Fotografinnen aber wussten von weiblicher Freiheit schon immer. Das zeigt dieser schöne Bildband.
KIA VAHLAND
Fotos: courtesy Throckmorton Fine Art Inc., New York; Rineke Dijkstra / courtesy Schirmer/Mosel/VG Bild-Kunst Bonn; Inez van Lamsweerde/Vinoodh Matadin / courtesy Schirmer/Mosel/ VG Bild-Kunst Bonn
Lothar Schirmer (Hrsg.): Frauen
sehen Frauen –
Eine Bildgeschichte
der Frauen-Photo-
graphie. Schirmer-
Mosel Verlag,
München 2020.
248 Seiten, 40 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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