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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.11.2002

Freihandel für allgemeinen Wohlstand auf der Welt
Argumente und Fakten in einem scheinbar endlosen Kampf

Douglas A. Irwin: Free Trade under Fire. Princeton University Press, Princeton 2002, 288 Seiten, 27,95 Dollar.

Die intellektuellen und politischen Gegner des Freihandels lassen sich nur schwer entmutigen. Die theoretischen und empirischen Befunde, die von den Vorteilen einer Wirtschaftsordnung auf der Grundlage des freien Verkehrs von Waren, Dienstleistungen und Kapital zeugen, sind fast schon unüberschaubar. Trotzdem wird immer wieder versucht, Handelsbeschränkungen, seien sie nun tarifär oder nichttarifär, mit den verschiedensten Argumenten zu rechtfertigen. Das erfordert stets neue Anstrengungen von den Verfechtern des Freihandels, um ihre Position zu verteidigen. Diese Notwendigkeit wird noch dadurch verstärkt, daß in der Bewegung der sogenannten Globalisierungsgegner die Kritik am Freihandel eine zentrale Rolle spielt. Douglas Irwin hat sich dieser Aufgabe gestellt - und er hat sie in detaillierter und präziser Weise gelöst.

Zunächst stellt er die theoretischen Erklärungen für den Nutzen eines Wirtschaftssystems ohne Handelsbeschränkungen dar und unterfüttert sie mit ausführlichem empirischen Material. Besonders wichtig ist hier die oft un- oder mißverstandene Theorie der komparativen Kostenvorteile. Anschließend steigt er in die aktuelle Diskussion ein, greift sämtliche protektionistischen Einwände auf und konfrontiert sie mit zahlreichen Forschungsergebnissen. Einen besonderen Schwerpunkt bildet das häufig zu vernehmende Argument, daß durch unbeschränkte Importmöglichkeiten im Inland Arbeitsplätze vernichtet würden und deshalb Handelsbeschränkungen sinnvoll seien. Neben seinen allgemeinen Zweifeln daran, daß Handelsbeschränkungen allein auf Dauer auch nur die Arbeitsplätze in den geschützten Industrien bewahren können, verweist der Autor vor allem auf die Kosten für andere, vermeintlich Unbeteiligte. Besonders betroffen sind die Beschäftigten in Branchen, die auf Importe angewiesen sind, aber auch - diese Erkenntnis ist noch nicht zum Allgemeingut geworden - in den exportierenden Industrien. Klarer zu erkennen ist der Schaden für die Konsumenten, die für importierte Waren höhere Preise zahlen müssen.

Irwin ist kein Ideologe, der im Freihandel das Mittel zur Behebung aller politischen und ökonomischen Nöte dieser Welt sieht. Er bewahrt sich seinen kritischen Blick auch gegenüber etwas leichtfertigen Behauptungen wie jener, daß Freihandel den Frieden sichert. Gleichzeitig akzeptiert er national verschiedene Ansätze in Umwelt- und Sozialpolitik, zeigt aber auch, daß die Handelspolitik dafür kein geeignetes Instrument sein kann. Eine Frage drängt sich nach dieser ausführlich, manchmal sogar etwas zu detailverliebt präsentierten, geradezu erschlagenden wissenschaftlichen Evidenz auf: Warum gibt es vor allem auf der politischen Ebene immer noch so viel Widerstand gegen den Freihandel, wenn doch sein Nutzen für den allgemeinen Wohlstand so klar auf der Hand liegt?

Die Antwort gibt Irwin im zweiten Teil seines Buches und untermauert sie wieder mit umfangreichem Zahlen- und Faktenmaterial. Sie lautet kurz gefaßt: weil Politiker systematisch die Interessen von einzelnen Interessengruppen über das Gemeinwohl stellen. Unternehmer und Beschäftigte bestimmter Branchen erleiden spürbare Nachteile, wenn Handelsbeschränkungen fallen und ihre Konkurrenten einen freieren Zugang zum Heimatmarkt haben. Den Schaden haben die Verbraucher und die Wirtschaftszweige, die keinen unmittelbaren Nutzen aus den Restriktionen ziehen.

Die Vereinigten Staaten sind ebensowenig wie die Europäische Union Musterländer des Freihandels. Zwar sind die Durchschnittszölle über das vergangene halbe Jahrhundert hinweg tatsächlich massiv gesunken, aber in einigen Bereichen bestehen weiter hohe Schranken für die Einfuhr ausländischer Produkte; es wurden sogar neue errichtet. Die neuen Instrumentarien fußen vor allem auf dem Argument des Schutzes gegen "Dumping". Irwin zeigt anschaulich, daß Dumpingvorwürfe fast immer zum Schutz von nicht wettbewerbsfähigen einheimischen Industrien dienen - die Beispiele aus der amerikanischen Stahlindustrie finden nach wie vor eine traurige Fortsetzung. Insgesamt ist die Darstellung zwar auf die Vereinigten Staaten konzentriert, äquivalente Beispiele in Europa lassen sich jedoch stets sehr leicht finden.

Schließlich analysiert Irwin noch die Welthandelsorganisation (WTO). Er will gängige Vorurteile entkräften wie die Behauptung, die WTO behindere nationale Umweltpolitik oder mache sie gar unmöglich. Die von Kritikern der WTO (zu denen Irwin in anderen Bereichen auch gehört) oft angeführten Beispiele - so wird anschaulich gezeigt - können dafür nicht als Beleg dienen.

Das Buch bietet nicht nur stringente Argumente für eine weitere Liberalisierung des Welthandels und gegen die Errichtung neuer Hemmnisse, die letztlich nur einige Interessengruppen bedienen. Es ist auch als Nachschlagewerk geeignet, in dem der Leser zu jedem Konfliktfeld der heutigen Handelspolitik fundierte Informationen findet. Um es noch nutzerfreundlicher zu machen, wäre neben dem Register auch ein ausführliches analytisches Inhaltsverzeichnis wünschenswert.

SASCHA TAMM

(Liberales Institut der Friedrich-Naumann-Stiftung, Potsdam)

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