Gerd Theißen plädiert anhand einer bibelhermeneutischen Ethik dafür, die "Freiheit" gleichwertig neben die ökumenischen Grundwerte "Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung" zu stellen, denn sie versteht den Menschen als Freigelassenen der Schöpfung. Wie in der Antike sind "Freigelassene" noch nicht "Freie", sondern auf dem Weg zur Freiheit. Für den Autor zeigt die bibelhermeneutische Grundlegung einer solchen Ethik der angestrebten Freiheit, dass religiöse und rationale Motive schon in der biblischen Ethik verbunden sind und Rationales damals, aber auch heute für eine religiöse Tiefe transparent werden kann. Sie verbindet dabei den existenzialen Imperativ, Leben zu erhalten, den sozialen Imperativ, Gerechtigkeit zu schaffen, den ökologischen Imperativ, die Schöpfung zu bewahren, mit dem liberalen Imperativ, individuell ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Dabei bringt sie die biblische Ethik mit diesen Imperativen auf den Nenner einer antiselektionistischen Verpflichtung des Menschen im Rahmen der Evolution. Diese arbeitet mit Konkurrenz und Kooperation und wird durch Menschen konstruktiv und destruktiv gesteigert. Die biblische Religion formuliert dabei exemplarisch die Verpflichtung, bedrohtem Leben beizustehen. Sie wird als Resonanz des Menschen auf die Gesamtwirklichkeit verstanden, die sich intentional auf ihren Ursprung zurückbezieht und Menschen untereinander auf dem Weg zur Freiheit verbindet. Konsonanz in der Gemeinde verstärkt sie auf ihrem Weg. Dieser Weg verzweigt sich immer wieder in komplementäre Formen der Ethik in einer moderaten und radikaleren Variante.