Der "Congress for Cultural Freedom" (CCF) war eine der wichtigsten Agenturen für die Verbreitung amerikanischer Ideen über die Ordnung von Wirtschaft, Staat und Gesellschaft nach dem zweiten Weltkrieg. Die Ideologie des New Deal bildete die Grundlage für die offensive Kommunikation von Konzepten der liberaldemokratischen Führungsmacht USA, die in Westeuropa und insbesondere in der Bundesrepublik zur Geltung gebracht wurden. Hier trugen sie maßgeblich zur intellektuellen und ideelen Westorientierung in Politik und Gesellschaft bei. Zugleich führte der CCF den ideologischen Kampf gegen den Stalinismus und nutzte ihn dazu, linksliberale und sozialdemokratische Politiker und Intellektuelle in die kulturelle Front des Westens während des Kalten Krieges einzubinden. Entstanden im Rahmen des Tübinger "Westernization"-Forschungsprojekts, gibt "Freiheit in der Offensive?" erstmals und auf breiter Quellengrundlage solide Auskünfte über die Tätigkeit des CCF in der Bundesrepublik zwischen 1950 und 1967. Über eine reine Organisationsgeschichte hinaus zeichnet der Band die ideologische Entwicklung der CCF detailliert nach, um ihn so in eine Gesamtgeschichte deutscher "Westernisierung" einordnen zu können.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.1999Geist im Krieg
"Der Monat" und der Kongreß für kulturelle Freiheit
Michael Hochgeschwender: Freiheit in der Offensive? Der Kongreß für kulturelle Freiheit und die Deutschen. Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit. Band 1. R. Oldenbourg Verlag, München 1998. 677 Seiten, 98,- Mark.
Der Kalte Krieg hatte unterschiedliche Gesichter: diplomatische Konferenzen und Kontroversen, militärische Aufrüstung, gegenseitige Drohungen, Spionage und Propaganda; und auf beiden Seiten gab es Bemühungen, die Auseinandersetzung in Formen zu kleiden, die nicht gleich als Bestandteil des Ost-West-Konfliktes zu erkennen waren. In diese Kategorie gehört der Kongreß für kulturelle Freiheit, der 1950 gegründet wurde und 1967 sein Ende fand. Michael Hochgeschwender bezeichnet in seiner Studie den Kongreß als eine "Agentur des Kalten Krieges", fügt aber hinzu, daß er auch andere, weiter reichende Ziele verfolgte.
Als im Juni 1950 der Kongreß für kulturelle Freiheit unter Beteiligung zahlreicher führender Intellektueller in Berlin stattfand, war die Zielrichtung klar: der Kongreß war gedacht als Antwort auf die Aktivitäten der kommunistischen Weltfriedensbewegung und anderer kommunistischer Organisationen. Dem Vordringen des stalinistischen Totalitarismus auf nationaler und internationaler Ebene sollte sich eine Offensive der Freiheit entgegenstellen. Der Berliner Kongreß war ein Erfolg in der politisch-ideologischen Auseinandersetzung, doch auf welcher ideologischen Grundlage und in welcher organisatorischen Struktur sollte er weiterarbeiten? Was das Gedankengut betraf, so erschien seit 1948, herausgegeben von der US-Militärregierung, die Zeitschrift "Der Monat", in der auf hoher intellektueller Ebene die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus und auch mit dem aufkommenden Neutralismus geführt wurde. Des weiteren war dem "Monat" zugedacht, das Wertesystem eines westlichen, pluralistischen, pragmatischen Liberalismus in die Bundesrepublik zu übertragen. Der "Monat" gewann zahlreiche bedeutende Intellektuelle der Zeit zu Mitarbeitern, darunter nicht wenige frühere Kommunisten.
Mit der ideologischen Ausrichtung war auch die erste Entscheidung über die organisatorische Struktur des Kongresses gefallen; in bewußtem Unterschied zu den kommunistischen Massenorganisationen wie der "Weltfriedensbewegung" zielte der Kongreß darauf, ein internationales Netzwerk antitotalitärer Intellektueller aufzubauen, über das die Werte eines freiheitlichen Denkens in die Gesellschaft getragen werden sollten. Zu diesem Zweck entstanden nationale Sektionen des Kongresses, zunächst in Europa und den Vereinigten Staaten, später auch in Asien und Lateinamerika. Hochgeschwenders Buch befaßt sich vorwiegend mit dem Wirken der deutschen Sektion. Und in dieser gab es im Laufe der Jahre nicht wenige Schwierigkeiten. Teilweise ergaben sie sich aus dem Verhältnis zum Pariser Generalsekretariat, das gelegentlich den Spielraum der deutschen Sektion zu beschneiden versuchte (die auf die finanziellen Zuwendungen aus Paris angewiesen war); darüber gab es in der deutschen Sektion persönliche Streitigkeiten, die mehrfach die Tätigkeit zum Erliegen brachten.
Als 1966 und 1967 die amerikanische Presse Berichte über die teilweise Finanzierung des Kongresses durch die CIA und von ihr zu diesem Zweck gegründete Stiftungen veröffentlichte, gaben diese Enthüllungen dem Kongreß den Todesstoß, aber sie waren - so Hochgeschwender - nicht die eigentliche Ursache für das Ende des Kongresses, denn der sei damals schon ein Anachronismus gewesen. Die Entstalinisierung und das Aufkommen der Neuen Linken hätten die ideologische und intellektuelle Umwelt bereits in einem Maße verändert, das die antitotalitäre Stoßrichtung unangemessen erscheinen lassen mußte.
Der Verfasser kommt zu dem Schluß, daß - trotz einer finanziellen Abhängigkeit, die auch den führenden Mitgliedern verborgen geblieben war - die CIA keine Steuerung und Kontrolle ausgeübt habe, was indessen auch nicht notwendig gewesen sei, da die meisten Mitglieder und Mitarbeiter sich ohnehin zu einem antitotalitären Liberalismus bekannten. Hochgeschwender erörtert eingehend die Diskussion über die ideologische Basis des Kongresses, den "Konsensliberalismus", die Bedeutung der großen Konferenzen - Berlin, Paris, Mailand -, mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die Seminarprogramme, die Arbeit an Universitäten und mit Studenten; eigene Kapitel sind der Entstehung und der Bedeutung der Zeitschrift "Der Monat" gewidmet. Hochgeschwender hat die in den Vereinigten Staaten befindlichen Archive des Kongresses und des "Monats" ausgewertet ebenso wie Nachlässe führender Mitglieder. Die den Kongreß betreffenden Unterlagen der CIA waren noch nicht zugänglich. Insgesamt, so der Verfasser, habe der Kongreß - wenn auch eine "Agentur des Kalten Krieges" - wesentlich dazu beigetragen, daß sich die deutsche Nachkriegsgesellschaft wirkungsvoll an die Gegebenheiten einer modernen Industriegesellschaft anpaßte.
HANS KLUTH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Der Monat" und der Kongreß für kulturelle Freiheit
Michael Hochgeschwender: Freiheit in der Offensive? Der Kongreß für kulturelle Freiheit und die Deutschen. Ordnungssysteme. Studien zur Ideengeschichte der Neuzeit. Band 1. R. Oldenbourg Verlag, München 1998. 677 Seiten, 98,- Mark.
Der Kalte Krieg hatte unterschiedliche Gesichter: diplomatische Konferenzen und Kontroversen, militärische Aufrüstung, gegenseitige Drohungen, Spionage und Propaganda; und auf beiden Seiten gab es Bemühungen, die Auseinandersetzung in Formen zu kleiden, die nicht gleich als Bestandteil des Ost-West-Konfliktes zu erkennen waren. In diese Kategorie gehört der Kongreß für kulturelle Freiheit, der 1950 gegründet wurde und 1967 sein Ende fand. Michael Hochgeschwender bezeichnet in seiner Studie den Kongreß als eine "Agentur des Kalten Krieges", fügt aber hinzu, daß er auch andere, weiter reichende Ziele verfolgte.
Als im Juni 1950 der Kongreß für kulturelle Freiheit unter Beteiligung zahlreicher führender Intellektueller in Berlin stattfand, war die Zielrichtung klar: der Kongreß war gedacht als Antwort auf die Aktivitäten der kommunistischen Weltfriedensbewegung und anderer kommunistischer Organisationen. Dem Vordringen des stalinistischen Totalitarismus auf nationaler und internationaler Ebene sollte sich eine Offensive der Freiheit entgegenstellen. Der Berliner Kongreß war ein Erfolg in der politisch-ideologischen Auseinandersetzung, doch auf welcher ideologischen Grundlage und in welcher organisatorischen Struktur sollte er weiterarbeiten? Was das Gedankengut betraf, so erschien seit 1948, herausgegeben von der US-Militärregierung, die Zeitschrift "Der Monat", in der auf hoher intellektueller Ebene die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus und auch mit dem aufkommenden Neutralismus geführt wurde. Des weiteren war dem "Monat" zugedacht, das Wertesystem eines westlichen, pluralistischen, pragmatischen Liberalismus in die Bundesrepublik zu übertragen. Der "Monat" gewann zahlreiche bedeutende Intellektuelle der Zeit zu Mitarbeitern, darunter nicht wenige frühere Kommunisten.
Mit der ideologischen Ausrichtung war auch die erste Entscheidung über die organisatorische Struktur des Kongresses gefallen; in bewußtem Unterschied zu den kommunistischen Massenorganisationen wie der "Weltfriedensbewegung" zielte der Kongreß darauf, ein internationales Netzwerk antitotalitärer Intellektueller aufzubauen, über das die Werte eines freiheitlichen Denkens in die Gesellschaft getragen werden sollten. Zu diesem Zweck entstanden nationale Sektionen des Kongresses, zunächst in Europa und den Vereinigten Staaten, später auch in Asien und Lateinamerika. Hochgeschwenders Buch befaßt sich vorwiegend mit dem Wirken der deutschen Sektion. Und in dieser gab es im Laufe der Jahre nicht wenige Schwierigkeiten. Teilweise ergaben sie sich aus dem Verhältnis zum Pariser Generalsekretariat, das gelegentlich den Spielraum der deutschen Sektion zu beschneiden versuchte (die auf die finanziellen Zuwendungen aus Paris angewiesen war); darüber gab es in der deutschen Sektion persönliche Streitigkeiten, die mehrfach die Tätigkeit zum Erliegen brachten.
Als 1966 und 1967 die amerikanische Presse Berichte über die teilweise Finanzierung des Kongresses durch die CIA und von ihr zu diesem Zweck gegründete Stiftungen veröffentlichte, gaben diese Enthüllungen dem Kongreß den Todesstoß, aber sie waren - so Hochgeschwender - nicht die eigentliche Ursache für das Ende des Kongresses, denn der sei damals schon ein Anachronismus gewesen. Die Entstalinisierung und das Aufkommen der Neuen Linken hätten die ideologische und intellektuelle Umwelt bereits in einem Maße verändert, das die antitotalitäre Stoßrichtung unangemessen erscheinen lassen mußte.
Der Verfasser kommt zu dem Schluß, daß - trotz einer finanziellen Abhängigkeit, die auch den führenden Mitgliedern verborgen geblieben war - die CIA keine Steuerung und Kontrolle ausgeübt habe, was indessen auch nicht notwendig gewesen sei, da die meisten Mitglieder und Mitarbeiter sich ohnehin zu einem antitotalitären Liberalismus bekannten. Hochgeschwender erörtert eingehend die Diskussion über die ideologische Basis des Kongresses, den "Konsensliberalismus", die Bedeutung der großen Konferenzen - Berlin, Paris, Mailand -, mit unterschiedlichen Schwerpunkten, die Seminarprogramme, die Arbeit an Universitäten und mit Studenten; eigene Kapitel sind der Entstehung und der Bedeutung der Zeitschrift "Der Monat" gewidmet. Hochgeschwender hat die in den Vereinigten Staaten befindlichen Archive des Kongresses und des "Monats" ausgewertet ebenso wie Nachlässe führender Mitglieder. Die den Kongreß betreffenden Unterlagen der CIA waren noch nicht zugänglich. Insgesamt, so der Verfasser, habe der Kongreß - wenn auch eine "Agentur des Kalten Krieges" - wesentlich dazu beigetragen, daß sich die deutsche Nachkriegsgesellschaft wirkungsvoll an die Gegebenheiten einer modernen Industriegesellschaft anpaßte.
HANS KLUTH
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