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Die Odenwaldschule erstmals geben Opfer UND Täter Auskunft - Das neue Buch von Bestsellerautor Tilman Jens selbst Schüler der Odenwaldschule - Ein Insiderblick auf das vom Missbrauchsskandal erschütterte Elite-Internat - Klärung, Erklärung, Aufklärung Internate, diese Sehnsuchts- und Schreckensorte, haben Tilman Jens früh fasziniert. Sein neues Buch ist durchzogen von persönlichen Erinnerungen aus seiner Zeit an der Odenwaldschule. Dabei geht es ihm weniger darum, skandal-versessen immer neue Missbrauchsfälle zu enthüllen, sondern um die Rekonstruktion der damaligen Stimmung und um eine…mehr

Produktbeschreibung
Die Odenwaldschule erstmals geben Opfer UND Täter Auskunft - Das neue Buch von Bestsellerautor Tilman Jens selbst Schüler der Odenwaldschule - Ein Insiderblick auf das vom Missbrauchsskandal erschütterte Elite-Internat - Klärung, Erklärung, Aufklärung Internate, diese Sehnsuchts- und Schreckensorte, haben Tilman Jens früh fasziniert. Sein neues Buch ist durchzogen von persönlichen Erinnerungen aus seiner Zeit an der Odenwaldschule. Dabei geht es ihm weniger darum, skandal-versessen immer neue Missbrauchsfälle zu enthüllen, sondern um die Rekonstruktion der damaligen Stimmung und um eine Erklärung, wie es zu den grausamen Vorfällen kommen konnte. Dazu werden nicht nur die Aussagen von Opfern und Ermittlern dokumentiert, sondern auch einige der Täter porträtiert. Nicht Apologie steht hier im Vordergrund des Interesses, sondern eine möglichst genaue Klärung, herausgearbeitet aus der Konfrontation der Fakten und Aussagen so gegensätzlicher Quellen. So wird dieses Buch nicht nur die konkreten Geschehnisse aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten, sondern zugleich jenes Zeitpanorama erhellen, in dem sich die Übergriffe abspielten. "Da tut sich ein komplexes, schmerzhaftes Sittenpanorama auf, das sich, so viel ist gewiss, jeder einfachen Antwort verweigert. Nicht weniger als dies gilt es exemplarisch zu beschreiben." Tilman Jens
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.05.2011

Was alles passiert, wenn man schnellstmöglich aus den Schlagzeilen kommen möchte

Im Blick auf unseriöse Belastungszeugen im Sexskandal der Odenwaldschule fragt Tilman Jens: Reichen bloße Namensnennungen, um jemanden zum Freiwild zu erklären?

Dass der Bildhauer Gerhard Roese in der "taz" Zeter und Mordio schreit über das Buch "Freiwild" von Tilman Jens, mag man als Wutausbruch eines Getroffenen zur Kenntnis nehmen. Als Rezension ist Roeses Text ein Machwerk. Er hat mit dem Buch kaum etwas zu tun. Roese unterstellt Jens eine Beschönigung des sexuellen Missbrauchs in der Odenwaldschule, eine Rechtfertigung des damaligen Zeitgeists.

In dem Buch wird aber nichts beschönigt. Wo der Zeitgeist gegenüber sexuellem Missbrauch ein Auge, nein, gleich beide Augen zudrückte, wird er von Jens ins Spiel gebracht, aber doch klar als unseliger Zeitgeist identifiziert. Es ist ein beliebtes Spiel, historische Einbettungen von Verbrechen als Entlastungsstrategien zu verunglimpfen. Aber auch hier gilt: Hermeneutik ist nicht Relativismus. Der Blick auf den Werdegang der Täter heißt nicht, "die Taten nahtlos den Idealen einer bestimmten Epoche zuschreiben" zu wollen, wie Roese dies Jens unterstellt.

Dem ehemaligen Odenwaldschüler Jens geht es, wenn er Umstände gewürdigt sehen möchte, nicht um die Verharmlosung von Sexualdelikten. Ihm geht es um etwas anderes: die Verbrechensaufklärung nicht durch eine Hetzjagd zu ersetzen, bei der bloße Namensnennungen reichen, um jemanden zum Freiwild zu erklären. Jens betreibt keine Schuldumkehr, wenn er feststellt: "Der hektische und mit so viel zeitlichem Abstand notgedrungen recht hilflose Versuch, die Missbrauchs-Taten, auch ihr Umfeld aufzuklären, ist im Begriff, neue Opfer zu produzieren. Auch der über weite Strecken eindrückliche Abschlussbericht von Burgsmüller/Tilmann macht da keine Ausnahme. Die Autorinnen haben offenkundig unter argem Zeitdruck gestanden, auch weil das auftraggebende Internat daran interessiert sein musste, schnellstmöglich aus den Schlagzeilen zu kommen und sich nicht vollends im Sumpf seiner unrühmlichen Vergangenheit zu verlieren."

Dem juristischen Team Burgsmüller/Tilmann hält Jens vor, sich bei der Beweiswürdigung über die Regeln der Kunst hinweggesetzt, "einseitig und hart an der Grenze der Rechtsstaatlichkeit ermittelt" zu haben. ",Wir haben als Aufklärerinnen', schreiben die beiden ebenso selbstbewusst wie treuherzig, ,keine kunstgerechte Glaubhaftigkeitsprüfung vornehmen können und wollen.' Im Klartext: Kein Beschuldigter wurde je mit den Vorwürfen gegen die eigene Person konfrontiert. Keiner hatte die Chance der Gegenrede - oder des freimütigen Geständnisses."

Der genannte ehemalige Odenwaldschüler Gerhard Roese hat nun das Pech, im Buch von Jens als einer der unseriösesten Belastungszeugen vorgeführt zu werden. "Kein anderer hat das mediale Abbild der Missbrauchsfälle im Odenwald so nachdrücklich, so folgenreich geprägt wie Gerhard Roese. Er hat das öffentliche Erschaudern mit immer neuen Details des Horrors angeheizt." Demnach hatte Roese im vergangenen Jahr zunächst die Namen von neun Lehrern öffentlichkeitswirksam bekanntgegeben, bei denen er die Berichte im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch "aus eigener Anschauung und aus eigenem Erleben prinzipiell bestätigen" könne. Die beschuldigten Pädagogen setzten sich zur Wehr. Und was passierte? "Gerhard rudert zurück, diesmal allerdings unter Umgehung einer breiteren Öffentlichkeit." In Absprache mit seinem Anwalt erklärte der von "Fliege TV" bis "heute" medial allgegenwärtige Ankläger Roese nun ohne Mikrofon, er halte die Liste der von ihm genannten Täter mit Ausnahme der beiden notorischen Täter Gerold Becker und Wolfgang Held "nicht länger aufrecht und werde diese Namen Dritten gegenüber nicht mehr wiederholen". Die Entlasteten blieben freilich mit einem Hausverbot belegt.

Sowenig Vorgänge wie dieser letztendlich über Wahrheit und Lüge im Fall Odenwaldschule Aufschluss geben - Jens unterschätzt hier wiederum das Raffinement der juristischen Abwehrrhetorik -, so viel sagen sie über den Stil einer Faktenermittlung, die die "Glaubhaftigkeitsprüfung" (Burgsmüller/Tilmann) der Beweislage als entbehrliches Beiwerk versteht und lieber eine Generalabrechnung mit dem System Odenwaldschule vornehmen möchte.

Das plädoyerhafte Buch von Jens nennt, wo es zu Vorverurteilungen kam, Ross und Reiter. Es nimmt dem Skandal nicht seine Spitze. Aber es ist das Korrektiv einer Unkultur des Verdachts, die in medialer Echtzeit die Gebote der Aufklärung über den Haufen rennt. Gerhard Roese hat keinen Grund, sich darüber zu beschweren.

CHRISTIAN GEYER

Tilman Jens: "Freiwild". Die Odenwaldschule - Ein Lehrstück von Opfern und Tätern.

Güterloher Verlagshaus, Gütersloh 2011. 192 S., geb., 17,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Empört reagiert Jörg Schindler auf Tilman Jens' Buch über den Missbrauchsskandal an der Odenwaldschule, das für ihn einen "gründlich misslungenen" Versuch darstellt, den Skandal aufzuarbeiten. Dem Sohn von Walter Jens, der selbst als Schüler an der Odenwaldschule war und heute, wie er - in den Augen des Rezensenten "verschämt" - offenbart, in dessen Trägerverein sitzt, ist es offensichtlich nicht um Aufklärung, sondern maßgeblich um eine Apologie der Schule zu tun, stellt Schindler verärgert fest. Der Autor bediene sich einer beliebten Politikerstrategie, nämlich nur das zuzugeben, was sich nicht länger leugnen lässt, klagt Schindler. Es erzürnt ihn maßlos, dass Jens den Anschein erwecken will, "so schlimm" sei alles nicht gewesen und Täter und Mitwisser von damals würden nun durch die Opfer und übereifrige Journalisten ihrerseits zu "Freiwild". Dem Autor geht es hier gar nicht um Fragen nach "Schuld und Verantwortung", sondern allein um die Verteidigung der Schule, so der Rezensent.

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