Albert Ostermaier, der junge Lyriker und Dramatiker in Brecht- und Toller-Tradition, machte sich bekannt mit Gedichten, deren Schlag aufs Herz zum Herzschlag seiner Poesie wurde. Eingespannt zwischen kraftvollen Übermut und zärtlichen Brechungen sind auch seine neuen Gedichte aus der "harten gegenwart": fremdkörper hautnah.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.1998Keine Angst vor dem Dichter
Nur nicht jammern: Albert Ostermaiers "fremdkörper hautnah"
Das Nichts - und darüber Glasur, das war das Rezept des Doktor Benn. Sentimentalität - und darüber ein Lack von Coolness, so könnte die Abwandlung mancher postmodernen Junglyriker lauten. Einer von ihnen, Albert Ostermaier, fand für das alte Herz-Schmerz-Problem die hübsche Formel: "HerzVersSagen" (1995).
Inzwischen wird der nun Dreißigjährige als dramatisches Talent in der Brecht- und Toller-Tradition gehandelt. Da darf er sich in seinen neuen Gedichten schon ein "requiem nach b." gestatten und behaupten, daß auch er "aus den wäldern" kam und "in die städte" ging mit "nichts als einem schwarzen himmel" über sich. Doch nicht solche verfrühten Nachfolgeansprüche sollen uns interessieren, sondern die Qualität seiner "fremdkörper hautnah".
Sie bringen das routinierte Recycling von Ostermaiers Themen und Methoden. Am Anfang der Texte fast immer die heftige Geste, eine mittlere Bosheit gegen Gott und die Welt oder eine Selbstbezichtigung. Das soll uns ein bißchen Sorge machen. Doch merkwürdig oft kriegt der Poet in ein paar schnellen, durch viele & verbundene Sätzen die Kurve zu Sinn & Tröstung. Der "zeilensprung" gelingt: "auch wenn das meer endlos ist & jeder satz banal dem du ihm entgegenwirfst."
Mit schweren Themen tut Ostermaier sich schwer. So wenn er mit Marcel Beyer oder Thomas Kling konkurriert und sich an zeithistorischen Motiven versucht. Da verläßt ihn seine Routine. Vor allem die Gedichte über Hitler-Deutschland sind peinlich, schlicht in Struktur und Vokabular, und in manchen Zeilen ("alles in der welt / blickt auf den / führer") fehlen oder versagen die Ironiesignale.
Dagegen wirkt Ostermeiers pathetische Selbststilisierung als Dichter geradezu sympathisch. Das Problem ist nur, daß die Leser - so sie nicht selbst dichten - sich nicht übermäßig um die Leiden der Poeten bekümmern. Bilde, Dichter, jammre nicht! lautet ihre Devise. Deshalb zweifle ich, ob die Drohung verfängt: "wenn ein dichter keine angst / mehr einjagt soll er besser / aus der welt gehen." Da bleiben wir cool und wünschen uns nur bessere Texte. HARALD HARTUNG
Albert Ostermaier: "fremdkörper hautnah". Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1997. 104 S., br., 14,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nur nicht jammern: Albert Ostermaiers "fremdkörper hautnah"
Das Nichts - und darüber Glasur, das war das Rezept des Doktor Benn. Sentimentalität - und darüber ein Lack von Coolness, so könnte die Abwandlung mancher postmodernen Junglyriker lauten. Einer von ihnen, Albert Ostermaier, fand für das alte Herz-Schmerz-Problem die hübsche Formel: "HerzVersSagen" (1995).
Inzwischen wird der nun Dreißigjährige als dramatisches Talent in der Brecht- und Toller-Tradition gehandelt. Da darf er sich in seinen neuen Gedichten schon ein "requiem nach b." gestatten und behaupten, daß auch er "aus den wäldern" kam und "in die städte" ging mit "nichts als einem schwarzen himmel" über sich. Doch nicht solche verfrühten Nachfolgeansprüche sollen uns interessieren, sondern die Qualität seiner "fremdkörper hautnah".
Sie bringen das routinierte Recycling von Ostermaiers Themen und Methoden. Am Anfang der Texte fast immer die heftige Geste, eine mittlere Bosheit gegen Gott und die Welt oder eine Selbstbezichtigung. Das soll uns ein bißchen Sorge machen. Doch merkwürdig oft kriegt der Poet in ein paar schnellen, durch viele & verbundene Sätzen die Kurve zu Sinn & Tröstung. Der "zeilensprung" gelingt: "auch wenn das meer endlos ist & jeder satz banal dem du ihm entgegenwirfst."
Mit schweren Themen tut Ostermaier sich schwer. So wenn er mit Marcel Beyer oder Thomas Kling konkurriert und sich an zeithistorischen Motiven versucht. Da verläßt ihn seine Routine. Vor allem die Gedichte über Hitler-Deutschland sind peinlich, schlicht in Struktur und Vokabular, und in manchen Zeilen ("alles in der welt / blickt auf den / führer") fehlen oder versagen die Ironiesignale.
Dagegen wirkt Ostermeiers pathetische Selbststilisierung als Dichter geradezu sympathisch. Das Problem ist nur, daß die Leser - so sie nicht selbst dichten - sich nicht übermäßig um die Leiden der Poeten bekümmern. Bilde, Dichter, jammre nicht! lautet ihre Devise. Deshalb zweifle ich, ob die Drohung verfängt: "wenn ein dichter keine angst / mehr einjagt soll er besser / aus der welt gehen." Da bleiben wir cool und wünschen uns nur bessere Texte. HARALD HARTUNG
Albert Ostermaier: "fremdkörper hautnah". Gedichte. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1997. 104 S., br., 14,80 DM.
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