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Fremde Münzen aus Indien, Japan oder Arabien strahlen eine verheißungsvolle Anziehungskraft aus. Wie sind sie nach Europa gelangt? Was bedeuten die Aufschriften und Symbole, die sie enthalten? Und wer waren die Menschen, die mit ihnen zu bezahlen pflegten? Martin Mulsow erzählt in diesem reich illustrierten kulturhistorischen Essay anhand einer Fülle bisher völlig unbekannter Materialien aus allen Archiven Europas die Geschichte der Münzforschung und macht damit auf ein frühes Kapitel der Globalisierung aufmerksam. Es ist die Geschichte einer sogenannten intellektuellen Einkreisung Asiens.…mehr

Produktbeschreibung
Fremde Münzen aus Indien, Japan oder Arabien strahlen eine verheißungsvolle Anziehungskraft aus. Wie sind sie nach Europa gelangt? Was bedeuten die Aufschriften und Symbole, die sie enthalten? Und wer waren die Menschen, die mit ihnen zu bezahlen pflegten? Martin Mulsow erzählt in diesem reich illustrierten kulturhistorischen Essay anhand einer Fülle bisher völlig unbekannter Materialien aus allen Archiven Europas die Geschichte der Münzforschung und macht damit auf ein frühes Kapitel der Globalisierung aufmerksam. Es ist die Geschichte einer sogenannten intellektuellen Einkreisung Asiens. Eine Gruppe Gelehrter des 17. und frühen 18. Jahrhunderts erkundete den Nahen und Fernen Osten mithilfe dieser Münzprägungen von ihren Lehnstühlen aus: Arabien wurde auf Pappe gebannt, China in Heften verzeichnet, und der Mogulkaiser in Indien wurde durch die Entzifferung verschlungener persischer Inschriften lebendig. Sie prägten die Münzen mit ihrer Forschung und ihren Projektionen noch einmal
Autorenporträt
Martin Mulsow ist Professor für Wissenskulturen an der Universität Erfurt und Direktor des Forschungszentrums Gotha; zuvor war er bis 2005 Professor für Geschichte an der Rutgers University, USA, Member des Instutite for Advanced Study in Princeton (2002/3), des Wissenschaftskollegs zu Berlin (2012/13) und ist Ordentliches Mitglied der Sächsischen und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Für seine Forschungen erhielt er zahlreiche Preise, darunter den Akademiepreis (2011), Thüringer Forschungspreis (2013) und Anna-Krüger-Preis (2014).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Eine neue Perspektive auf die Globalisierung eröffnet Martin Mulsow mit seinem Buch über das Verhältnis europäischer Herrscher und Intellektueller zu den Münzen fremder Länder, erklärt Rezensent Markus Friedrich. So sei das Studium von Münzen mit der Betrachtung fremder Texte einhergegangen und die "Begeisterung für fremde Münzen" bildete die Basis für das aufkeimende Interesse an fremden Kulturen um 1700, das die Globalisierung begründete, lesen wir. Dabei scheinen, staunt Friedrich, Europas Höfe nur aus Wissensdurst und noch gar nicht aus Herrschaftsansprüchen heraus Intellektuelle mit der Beschäftigung mit dem Fremden zu finanzieren. Das Buch thematisiert weniger die schon bekannten Ränkespiele der europäischen Höfe, lobt Friedrich, und beschäftigt sich stark mit bisher unbekannten Gelehrten und ihrem Münzwissen. Eine lohnenswerte und neue Geschichte über die Anfänge der Globalisierung, schließt Friedrich.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.01.2024

Groß war der Wissensdurst europäischer Numismatiker
Asien intellektuell einkreisen: Martin Mulsow macht mit Münzgelehrten als Akteuren der frühneuzeitlichen Globalisierung bekannt

Geld und Globalisierung - diesem breitgetretenen Thema gewinnt Martin Mulsow bisher unbekannte Tiefendimensionen ab. Nachdem der renommierte Frühneuzeithistoriker mit "Überreichweiten" vor Kurzem einen ersten Band zur globalen Ideengeschichte des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts vorgelegt hat (F.A.Z. vom 26. November 2022), folgt nun ein zweiter Teil, der sich mit dem "Münzwissen in Zeiten der Globalisierung" beschäftigt. In sieben Kapiteln behandelt Mulsow, wie Gelehrte des Barocks und der Aufklärung versuchten, Münzen aus China, Zentralasien, Indien, Sibirien, Arabien und Persien, aber auch aus der keltischen Antike oder dem frühen Mittelalter verständlich zu machen.

Was auf den ersten Blick wie ein marginaler Nebenkriegsschauplatz erscheinen mag, wird in Mulsows bestechender Darstellung zur großen Bühne von Globalisierungsgeschichte, etwa wenn die numismatischen Aktivitäten kaum bekannter Gelehrter wie Georg Jakob Kehr in Arnstadt oder Jakob von Melle in Lübeck um 1700 vorgestellt werden.

Weil fremde Münzen zu einem Prestigeobjekt für Fürsten und reiche Mäzene geworden waren, fanden immer welche über die Handelsorganisationen, Missionsorden und Kolonialverwaltungen den Weg selbst in die Peripherien Europas. Dort wurden sie für ambitionierte Gelehrte zum Anlass, Geschichte und Lebenswelt ferner Weltgegenden zu erforschen. Johann Daniel Major oder Gottlob Siegfried Bayer verbanden Münzstudien und Textexegese, sie lernten Dutzende fremder Sprachen, um die Aufschriften zu entziffern: Arabisch war bald Standard, ungewöhnlich waren nur noch detaillierte Kenntnisse obskurer innerasiatischer Turksprachen oder ausgestorbener Sprachformen. Die europäische Beschäftigung mit dem Fremden explodierte um 1700, die gelehrte Globalisierung war "fremdgeprägt".

Mulsow legt mit seinen bisher zwei Bänden zur "globalen Ideengeschichte" zugleich ein profundes methodisches Programm vor. Globalisierung ist dann ein ideelles Phänomen, wenn sich eine ständige intellektuelle Bezugnahme auf Dinge außerhalb der eigenen Komfortzone aufzeigen lässt. Seine Protagonisten waren schlicht nicht mehr zufrieden damit, China oder Arabien nicht zu behandeln und die anfangs unverständlichen Münzen oder Texte unbearbeitet zu lassen. Das Fremde zu ignorieren, sich nicht damit zu befassen, wurde als intellektuelle Option unmöglich. Darin lag der entscheidende Umschwung um 1700. Diese "Globalisierung im Kopf" war geprägt durch eine Begeisterung für fremde Münzen. Mulsows Protagonisten waren eine "Faszinationsgemeinschaft", und genau darin liegt wohl ihre größte Bedeutung, im Ausleben eines unbändigen Wissenwollens, selbst wenn dieser Wissensdurst dann in der umständlichen Gestalt des späthumanistischen Antiquarianismus daherkam.

Zwar zitiert Mulsow mehrfach Jürgen Osterhammels Formel von der politisch-militärischen "Einkreisung Asiens", doch ist seine Geschichte der "intellektuellen Einkreisung Asiens" dezidiert keine Geschichte intellektueller Herrschaftsansprüche oder gar epistemischer Unterdrückung. Der Wissensdurst europäischer Numismatiker zählt hier nicht zu den "dunklen Seiten der Renaissance" (Walter Mignolo). Vielleicht waren die Thüringischen Lande, aus deren unerschöpflichem Quellenreservoir Mulsows brillanter Rekonstruktion schöpft, weit genug von kolonialem Ränkespiel entfernt, um Schleusinger Gymnasialrektoren oder Jenenser Geschichtsstudenten als Agenten kolonialer Unterdrückung anzusehen - doch schon für die Münzgelehrten in Dänemark oder Russland, die ebenfalls prominent auftauchen, sähe das wohl anders aus, von ihren französischen Korrespondenzpartnern ganz zu schweigen.

Jedenfalls spielt es für Mulsows Idee von intellektueller Globalisierung erst einmal keine Rolle, ob das anwachsende Münzwissen nach heutigem Kenntnisstand "korrekt" war oder nicht. Tatsächlich werden die Engpässe und Grenzen der numismatischen Projekte schnell deutlich: Wie die Kolonialreiche Europas zunächst erst einmal "Imperien der Schwachen" (J. C. Sharman) waren, so war auch das Münzwissen der Globalisierung zunächst nur schwach oder, wie Mulsow sagen würde, "prekär". Es war fehlerbeladen, unvollständig, hochgradig spekulativ, vom Verschwinden bedroht - dabei aber doch grenzüberschreitend und Horizonte öffnend.

Martin Mulsow führt hier ein weiteres Mal bewundernswert vor, was man seine Methode nennen könnte: eine virtuose Verbindung von exemplarischen Fallstudien zu weitestgehend unbekannten Gelehrten mit einer leichthändig geschriebenen großen Erzählung. Dabei beginnt auch die Globalisierungsmoderne an ungewohntem Ort, wie so oft bei Mulsow gewissermaßen auf der "Rückseite" der klassischen Aufklärung. Ihn interessieren nicht die großen Geister, die schillernden Höhepunkte gewöhnlicher Expansionsgeschichten. Stattdessen, so ließe sich resümieren, begann die Globalisierung in thüringischen Landstädtchen, auf dem Schreibtisch Unbekannter, unter dem Schutz klammer Provinzfürsten. MARKUS FRIEDRICH

Martin Mulsow: "Fremdprägung". Münzwissen in Zeiten der Globalisierung.

Matthes & Seitz, Berlin 2023. 413 S.,

Abb., geb., 42,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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