Eigentlich könnte doch alles ganz einfach sein, oder? Antisemitismus und Rassismus sind beides menschenfeindliche Einstellungen, die von allen bekämpft werden müssen; die Kritik dieser Ideologien müsste deshalb stets zusammen geleistet werden. In der Praxis kommt es jedoch immer wieder zu Unvereinbarkeiten, handfesten Auseinandersetzungen und Grabenkämpfen, mit wechselseitigen Ausschlüssen, Relativierungen, Beschuldigungen und einem Klima des Argwohns. Hinzu kommt, dass die historischen und theoretischen Bezugnahmen von Rassismus- und Antisemitismuskritik sehr verschieden sind. »Frenemies« umzirkelt das Problemfeld, fragt nach den Gründen der Auseinandersetzungen, sucht nach Gemeinsamkeiten, ohne dabei Unvereinbarkeiten und Selbstansprüche der beiden Kritikformen zu relativieren. Das Buch versammelt kurze Texte von Forscher_innen, Bildungspraktiker_innen, Aktivist_innen, die jeweils als Antworten zu »naiven Fragen« dargestellt werden - in Form eines »FAQ«. Was unterscheidet Antisemitismus und Rassismus? Gibt es Verbindungen zwischen Nationalsozialismus und Kolonialismus? Ist BDS antisemitisch? Sind Juden und Jüdinnen »weiß«? Wie werden diese Debatten in anderen Ländern geführt? Der Anspruch des Buches ist es, einen niedrigschwelligen Einstieg in ein komplexes, wenngleich sehr präsentes und konfliktreiches Themenfeld zu liefern. Die Schwerpunkte liegen auf Antisemitismus, antimuslimischem und anti-Schwarzem Rassismus.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Rezensent Philipp Weichenrieder registriert zunächst die Ehrlichkeit, mit der die Herausgeber*innen ihren Sammelband beginnen: So habe sich den Fronten, die sich aus dem Konkurrenzkampf zwischen Antisemitismus- und Rassismuskritik ergeben und denen der Band entgegenwirken wollte, auch die Textauswahl in Teilen unterwerfen müssen, wie Weichenrieder aus der Einleitung erfährt. Dennoch liest er mit großem Gewinn die Beiträge von über 50 Autor*innen aus den verschiedensten Bereichen (Wissenschaft, Medien, Kunst…), die sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen Antisemitismus- und Rassismuskritik beschäftigen; die meisten sachlich, manche aber auch "emotional persönlich" oder "nachdrücklich parteilich", so der Kritiker - hilfreich für die Einordnung der Argumente findet er dabei die dem Sammelband vorangestellten Texte, die Antisemitismus und Rassismus historisch kontextualisieren. Ein sehr "vielstimmiger" Band und vielleicht ein Schritt zu einem "besseren", konstruktiveren Streitgespräch, schließt er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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