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Spiritualität in einer aufgeklärten Welt
Sudhir Kakar, der bekannteste Psychoanalytiker Indiens, untersucht ein Phänomen, das lange Zeit in der Psychoanalyse vernachlässigt wurde: das Zusammenspiel von Psyche und Geist. Er betrachtet dieses Zusammenspiel in unterschiedlichen Kontexten: durch Heilung emotionaler Störungen, in religiösen Ritualen und in den Leben von drei bekannten spirituellen Meistern - dem im 16. Jahrhundert lebenden tibetisch-buddhistischen Drukpa Kunley, dem indischen Guru Bhagwan oder Osho und Mahatma Gandhi. Religion und Spiritualität waren zwar immer schon ein Thema…mehr

Produktbeschreibung
Spiritualität in einer aufgeklärten Welt

Sudhir Kakar, der bekannteste Psychoanalytiker Indiens, untersucht ein Phänomen, das lange Zeit in der Psychoanalyse vernachlässigt wurde: das Zusammenspiel von Psyche und Geist. Er betrachtet dieses Zusammenspiel in unterschiedlichen Kontexten: durch Heilung emotionaler Störungen, in religiösen Ritualen und in den Leben von drei bekannten spirituellen Meistern - dem im 16. Jahrhundert lebenden tibetisch-buddhistischen Drukpa Kunley, dem indischen Guru Bhagwan oder Osho und Mahatma Gandhi.
Religion und Spiritualität waren zwar immer schon ein Thema der Psychologie, aber das rationalistische Verständnis des Menschen ließ wenig Spielraum für eine ernsthafte Beschäftigung mit "höheren" Mächten. Heute kann man offen zugeben, daß das Leben auch Sinnsuche ist, und die Psychologie erkennt spirituelle Potentiale der Psyche durchaus an. Wie kann man das Verhältnis von "romantischen" und "rationalistischen" Bedürfnissen beschreiben? Was bedeutet die Suche nach Authentizität? Sudhir Kakar beginnt seine Erkundung in Poona mit der Geschichte des Begründers des "spiritualistischen Marktes" Rajneesh, später Bhagwan oder Osho genannt. Worin lag seine unglaubliche Anziehungskraft vor allem für Teile der westlichen Eliten? Welche Rolle spielten Narzissmus und Egozentrismus in seiner Lehre? Und wie sieht es mit der praktischen Spiritualität eines Mahatma Gandhi aus, die sich weniger in Meditation und Kontemplation als vielmehr in einer alltagspraktischen Aufmerksamkeit äußerte? Worin unterscheiden sich diese "Gurus" und ihre Lehren von der westlichen Auffassung von "den Alltag hinter sich lassen und an einer anderen, erlösenden Welt partizipieren"? Sudhir Kakar stellt die unterschiedlichen Zugangsweisen nicht gegeneinander, sondern beschreibt ihre Intentionen und den Weg, wie sie sich ergänzen und bereichern. Tatsächlich ist so ein Buch über die Versöhnung von Geist und Psyche entstanden.
Autorenporträt
Sudhir Kakar, geboren am 25. Juli 1938 in Nainital (Indien), ist praktizierender Psychoanalytiker in Neu-Delhi. Lehraufträge führten ihn an die Universitäten von Harvard, Princeton, Chicago, Wien und Melbourne. 1998 wurde ihm in Frankfurt die Goethe-Medaille verliehen. Seine zahlreichen Sachbücher wurden in viele Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.2009

Das Tantra Freuds
Sudhir Kakar versöhnt Religion und Sexualität

Der indische Psychoanalytiker Sudhir Kakar gehört zu den Fixsternen des deutsch-indischen Kulturdialogs. Er hat in Deutschland studiert, jahrzehntelang eine psychoanalytische Praxis in Neu-Delhi unterhalten und früh begonnen, aus seiner genauen Kenntnis europäischer Wissenschaft und der mythischen und religiösen Traditionen Indiens Bücher zu schreiben, wie sie wohl sonst keiner hätte schreiben können. Sie alle berühren die Grenzbereiche von Rationalismus und Religion, von Psychoanalyse und Spiritualität, von Sexualität und Heiligkeit.

Manche werden sich noch daran erinnern können, welche intellektuelle Erregung von seinem ersten Buch "Kindheit und Gesellschaft in Indien" (1988) ausging, in dem Kakar untersuchte, welchen mythischen Leitbildern die Mutter-Kind-Beziehung in Indien folgt. Er schöpfte dafür hauptsächlich aus den Erkenntnissen, die ihm seine Patienten vermittelten, verfolgte jedoch ihre Geschichten in den Mythen und entdeckte dort archetypische Vorbilder für deren Verhalten. Kakar schrieb mit Erfolg für nichtspezialisierte Leser, ohne den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit aufzugeben. Um seine interkulturelle und interdisziplinäre Erfahrung zugänglich zu machen, verfasste er sogar Romane - über das Leben von Vatsyayana, dem Autor des "Kama-Sutra", über den bengalischen Heiligen Ramakrishna und über Mahatma Gandhi.

Kakars Fokus ist dabei auf indische Sonderformen der Sexualität gerichtet, die mythische Vorbilder nachahmen. Alle Bücher Kakars wurden ins Deutsche übersetzt, eines existiert sogar nur in deutscher Sprache: "Der Heilige und die Verrückte" (1991), ein Vergleich zwischen Ramakrishna und einer christlichen Mystikerin aus Frankreich. Kakar ist einer der wenigen indischen Kulturschaffenden, die auf Seminaren und Podien in Deutschland ein gesuchter und häufiger Gast sind.

Sudhir Kakar ist im vergangenen Jahr siebzig Jahre alt geworden. Inzwischen hat er seine psychoanalytische Praxis aufgegeben und sich mit seiner deutschen Frau, die auch seine Übersetzerin ist, nach Goa zurückgezogen. Darum der Titel seines neuen Buchs: "Freud in Goa". Das Buch fügt eine Reihe von Vorträgen und Aufsätzen zusammen, die aus unterschiedlichen Perspektiven das Grundanliegen dieses Autors reflektieren. Zunächst untersucht er als Psychoanalytiker die Leben des "spirituell inkorrekten" Guru Osho (Rajneesh), des wenig bekannten buddhistischen Heiligen Drukpa Kunley und des Mahatma Gandhi. Jeder Essay sucht eine Antwort auf die Frage, wie Heiligkeit mit Sexualität in Einklang zu bringen sei. Unvermeidlich ist viel von den Praktiken des buddhistischen Tantrismus die Rede. In weiteren Beiträgen denkt Kakar über den Nutzen von Empathie und Ritualen im psychoanalytischen Heilungsprozess nach und endet schließlich mit einer Kritik an Freuds Essay "Zukunft einer Illusion".

Obwohl der Autor mit "professionellem Misstrauen" Begriffe wie Religion, Transzendenz, Erleuchtung oder Meditation betrachtet, hinterfragt er hartnäckig die von Freud festgehaltene Unvereinbarkeit von Psychoanalyse einerseits und Religion und Spiritualität andererseits und versucht, die Grenzen einer wissenschaftlich glaubwürdigen Psychoanalyse hinauszuschieben. Der Autor sucht diese Grenzerweiterung auch darum, weil er sich offenbar von ihr praktische Vorteile bei der Therapie seiner Patienten verspricht. Und damit meint er nicht nur seine indischen, sondern auch westliche Menschen, denen die Erlebnissphäre des Numinosen oft fremd geworden ist. Allerdings warnt Kakar vor der - typisch westlichen - "romantischen Illusion" von Erleuchtung und Transzendenz sowie vor den Fallen eines naiv verstandenen Altruismus. Das gedanklich fruchtbarste Essay handelt von der Empathie. In ihm bemüht sich der Autor, diese in Fachkreisen mit Skepsis aufgenommene Kategorie für den Heilungsprozess zu retten. Dabei geht es darum, wie weit einerseits die psychoanalytische Praxis in der Arzt-Patient-Beziehung gehen darf und um wie viel tiefer andererseits ein Hindu-Guru üblicherweise, trotz bekannter Risiken, in die Psyche der Schüler eingreift.

Sudhir Kakar betritt damit ein Terrain interessanter Diskussionen, für die er durch Ausbildung und Erfahrung prädestiniert ist. Gewiss hätte man sich statt zusammengestellter Essays eher einen Text aus einem Guss gewünscht. Man vermisst ein wenig den roten Faden und deutliche Konklusionen. Dennoch ist der Band höchst anregend und sollte nicht nur die Goa-Fraktion interessieren können.

MARTIN KÄMPCHEN

Sudhir Kakar: "Freud lesen in Goa". Spiritualität in einer aufgeklärten Welt. Aus dem Englischen von Katharina Kakar. Verlag C. H. Beck, München 2008. 188 S., geb., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Als "höchst anregende Station" auf dem Weg zu Aufmerksamkeit und Mitgefühl hat Rezensentin Renee Zucker das Buch des indischen Psychoanalytikers gelesen. Nicht nur, weil er darin den weltberühmten Wiener Begründer der Psychoanalyse durch das Nadelöhr einer anderen Kultur führt, wobei er die Rezensentin als "wunderbarer Wanderer zwischen den Welten" beeindruckt. Sondern auch, weil sich darin manch interessanter Ausflug ins Unverhoffte fand, ein "politisch inkorrektes Kapitel" über die Kindheit des Gurus Bhagwan Shree Rainesh zum Beispiel. Aber auch Sudhir Kakars Ausführungen über die Guru-Sehnsucht des Westens als Ausdruck einer Sehnsucht nach nichtnationaler Identität beeindrucken Zucker sehr. Ganz zu schweigen von dessen klugen Gedanken zur Psychoanalyse und westlicher Nachkriegsmentalität, die sie ihn besonders eindrucksvoll in den Kapiteln über das Heilige und das Begehren "durch den Dschungel von Gier und Scham, Ekstase und Innerer Stille" führen sieht.

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