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Nicht zum ersten Mal blickt der Autor zurück auf sein Leben. Dieses aber ist sein persönlichstes Buch. Mit beeindruckender Offenheit ruft er Erinnerungen an Freunde und Weggefährten wach und gewährt Einblicke in sein eigenes Denken. Es ist ein Buch des Resümees, der Befindlichkeiten und Gefühle.

Produktbeschreibung
Nicht zum ersten Mal blickt der Autor zurück auf sein Leben. Dieses aber ist sein persönlichstes Buch. Mit beeindruckender Offenheit ruft er Erinnerungen an Freunde und Weggefährten wach und gewährt Einblicke in sein eigenes Denken.
Es ist ein Buch des Resümees, der Befindlichkeiten und Gefühle.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.2002

Gesäuberte Zeiten
Markus Wolf sollte ein Erholungsheim für Altspione gründen / Von Frank Pergande

Wer versucht, Markus Wolfs jüngstes Buch aus der Sicht seines Autors zu sehen, dürfte melancholisch werden. Wolf stammt aus einer berühmt gewordenen Familie. Sein Vater war der Schriftsteller Friedrich Wolf, dessen Drama "Professor Mamlock" im Schulunterricht der DDR behandelt wurde. Markus wuchs in der Sowjetunion auf, wohin sein Vater emigriert war. Er war zu jung, um die stalinistischen Gewalttaten in seiner unmittelbaren Nachbarschaft bewußt wahrzunehmen, wurde Journalist und kam mit der "Gruppe Ulbricht" zurück nach Deutschland. Er berichtete von den Nürnberger Prozessen. Sein Bruder Konrad wurde Regisseur und war Präsident der Akademie der Künste der DDR.

Markus baute die DDR-Staatssicherheit mit auf und wurde der Verantwortliche für die Auslandsspionage, zuletzt im Rang eines Generalobersten. Drei Jahre vor dem Ende der DDR quittierte er den Dienst bei der Staatssicherheit, um Schriftsteller zu werden. Sein erstes Buch hieß "Die Troika" und ging zurück auf eine Idee seines Bruders Konrad, der über das miteinander verwobene Schicksal dreier Emigrantenfamilien einen Film hatte drehen wollen. Das Buch erschien 1989 und wurde ein großer Erfolg. Viele in der DDR meinten fortan, Wolf sei ein Mann der Perestroika und wäre möglicherweise ein geeigneter Honecker-Nachfolger.

Wolf stand am 4. Dezember 1989 auf der Rednertribüne bei der Kundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz und verteidigte die Mitarbeiter der Staatssicherheit. Das war zweifellos mutig. Im geeinten Deutschland mußte sich Wolf wegen seiner Vergangenheit vor Gericht verantworten. Er wollte sich dem entziehen und ging nach Moskau. Von dort kehrte er nach dem mißlungenen Putschversuch zurück nach Deutschland. Er wurde verurteilt, kam aber bald wieder frei. Heute lebt er in Berlin und in seinem Haus in der Schorfheide im Brandenburgischen. Er ist jetzt neunundsiebzig Jahre alt und schreibt noch immer. Der Untergang der Sowjetunion und der DDR waren der Untergang seiner Welt. Er wirkt verbittert, spricht immer noch von "unserem Staat" und vom "Verrat der politischen Führung im Kreml an den Freunden in der DDR". Es sei deshalb so gekommen, "weil sich das herrschende System unendlich weit von den Idealen des Sozialismus entfernt hatte, weil entgegen den ursprünglichen und eigentlichen Wesenszügen des Sozialismus selbständiges Denken und Handeln nicht mehr gefragt waren".

Jene aber, denen die DDR vor allem ein grauer Alltag aus politischer Zumutung, geistiger Verkrüppelung, ewigem Mangel und grotesker Bevormundung war, können über das neue Buch von Markus Wolf nur staunen. Das beginnt schon bei dem Titel "Freunde sterben nicht". Die meisten Freunde, von denen Wolf erzählt, sind aber längst tot. Als alter Spionagegeneral nennt Wolf die Freunde nicht beim richtigen vollen Namen. Der Leser soll sich mit den Vornamen begnügen. Daß Wolfgang beispielsweise Wolfgang Leonhard sein soll, ist leicht zu erraten. Rudolf ist Rudolf Hirsch, der Gerichtskolumnist der DDR-Wochenzeitung "Wochenpost" gewesen war. Seine Frau Rosemarie ist die Schriftstellerin Rosemarie Schuder. Sir William, mit dem Wolf sich regelmäßig konspirativ getroffen und bei dieser Gelegenheit das Transitabkommen ad absurdum geführt hatte, ist der 1987 gestorbene FDP-Politiker William Borm.

Wolf hielt es, wenn man seinen Geschichten glauben darf, mit Spionen aus Ost und West gleichermaßen. Fast scheint es, als müßten auch Spione als Interessenvertretung eine eigene Gewerkschaft haben. Vielleicht unter Vorsitz von Wolf, der sich um ein Erholungsheim bemühen sollte, in dem alt gewordene Spione, von welcher Seite auch immer, freundschaftlich zusammenlebten und einander ihre Abenteuer erzählten. Zweifellos gibt es Passagen, die man mit Spannung liest. Etwa im letzten Kapitel "Johanna", in dem Wolf erzählt, wie DDR-Bürger als Spione in die Bundesrepublik eingeschleust und schließlich wieder herausgeholt wurden. Aber dann wieder langweilt ein Unverbesserlicher mit seinen Tiraden über den Kapitalismus, dessen "parteiische Justiz" und die "billige Rache der Sieger". Schon auf Seite zehn verrät Wolf sein Denkmuster. Über "Sonjas Rapport", das in der DDR sehr bekannt gewordene Buch von Ruth Werner, heißt es, der Text sei zunächst nur für den internen Gebrauch verfaßt worden, wäre dann aber auf Wolfs Anregung veröffentlicht worden. Allerdings sei der Text vor der Buchausgabe "von nicht freigegebenen Passagen gesäubert" worden. "Gesäubert" - dieser Mann benutzt noch immer freiweg das Wort, das als Beschönigung für Zensur, Entlassung, Verhaftung und Mord stand.

Markus Wolf: Freunde sterben nicht. Eulenspiegel Verlagsgruppe Das Neue Berlin, Berlin 2002. 255 Seiten, 17,50 [Euro].

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"Im Lebenslauf verteidigt der Mensch das einzige, was er besitzt: seine Zeit und seinen Eigensinn ... Gefühle können Partisanen sein, Katalysatoren, Störenfriede, Bremser und Vollender. Sind sind geheimnisvilles Inventar der Geschichtslandschaften, sie begründen bestimmte Prozesse weit jenseits des organisierten guten Willens, der sich Politik nennt." (Alexander Kluge)